Weihnachten im Monster-Stau: Kölliker Lastwagenchauffeur steckt wegen Corona und Brexit fest

Brot, Fleischkäse, Joghurt. Vielleicht noch Nudeln vom Chinesen. Oder Fish and Chips von einem der Foodtrucks, wer weiss. Marco Meier lacht zerknirscht. So hat er sich den Menüplan für den Weihnachtsschmaus nicht vorgestellt.

Marco Meier (42) aus Kölliken ist seit Oktober beim Berner Transportunternehmen Pfister Lastwagenchauffeur auf Zeit. Eine Auszeit sollte es werden, ein Jahr im Führerhaus, ein Jahr voller neuer Erlebnisse. Und nun erlebt er gerade mehr Abenteuer, als ihm lieb ist: Seit der Nacht von Sonntag auf Montag steckt er in Grossbritannien fest, mitsamt tausenden anderen Lastwagenfahrern, gestrandet wegen des veränderten Coronavirus und Brexit, als «Spielball der Politik», wie er sagt.

Meiers grosses Glück: Seine Freundin Stefanie Senn (34) sitzt mit ihm fest. Sie hatte ihn begleiten wollen, ein Trip nach England, ein spontaner Ausflug vor den Feiertagen, vor dem Fest mit den Liebsten im engen Kreis. Im Nachhinein ein glücklicher Zufall. Aber das Fest, das können sie vergessen. «Wir haben inzwischen mit Weihnachten abgeschlossen», sagt Marco Meier. «Es ist, wie es ist.»

Die Zeit totschlagen mit der Suche nach einer Dusche

Die Tage in Grossbritannien sind lang. Lang und grau. Bis Dienstag noch standen die beiden Kölliker in der Küstenstadt Dover, mit Blick auf den Ärmelkanal. Verbrachten die Tage mit Bummeln, Reden, Einkaufen, Beobachten – oder mit der Suche nach einer Dusche. 

Die Situation in Dover sei schlimm, die Stimmung angespannt. «Man sieht die geschlossenen Schranken bei der Einfahrt zum Hafen, sieht die Chauffeure, die zwischen Verzweiflung und Wut schwanken, weil sie nicht heim zu ihren Familien können.» Schlimm sei die Situation vor allem für die Fahrer aus dem Osteuropäischen Raum, sagt Meier. «Für sie sind die freien Tage über Weihnachten und Silvester die einzigen Ferientage im Jahr; ihnen ist diese Zeit im Kreis ihrer Familie heilig.»

Seit Dienstagabend steht Meiers Lastwagen nun auf einem stillgelegten Flugplatz, auf dem Manston Airport, Scheinwerfer an Rücklicht mit knapp 4000 anderen Lastwagen. Sanitäre Anlagen gibt es nur wenige, Wasser gar keines mehr, die Spülungen funktionieren nicht. Essen gibt es an einer Handvoll Foodtrucks. Aber immerhin sei die Stimmung nicht mehr so geladen, wie noch in Dover. «Hier sind die Chauffeure unter sich, hier sitzen alle im gleichen Boot.»

Wer negativ getestet ist, braucht erst noch Platz auf der Fähre

Ein Meer aus Lastwagenblachen, darüber ein Himmel in Bleigrau. Und doch zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab: Frankreich hat das Verbot für die Einreise von Lastwagen aus Grossbritannien aufgehoben. Und in Dover hat das Testen begonnen. Wer negativ ist, darf fahren. Aber Hoffnungen auf ein Fest daheim machen sich Marco Meier und Stefanie Senn keine. Denn wer fahren will, braucht Platz auf einer der Fähren nach Calais. «Das wird weit bis nach Weihnachten dauern, bis alle Lastwagen die Inseln verlassen können», sagt Meier.

 

Die beiden hoffen, an Silvester wieder in der Schweiz zu sein. Dann wird alles nachgeholt. Mit einem Weihnachtsessen, das es in sich hat.