Wenn der Solarstrom Schatten wirft

Das gilt auch für die happig anmutenden 20,99 Rappen pro Kilowattstunde in Murgenthal (der kantonale Mittelwert liegt bei 18,49 Rappen). Im Kanton Basel-Stadt kostet die kWh 27,32 Rappen. In Deutschland werden für Privathaushalte im Schnitt 35,3 Rappen in Rechnung gestellt. Der durchschnittliche Strombezugspreis kletterte bei unseren nördlichen Nachbarn innert 10 Jahren um 111 Prozent. Anders die Entwicklung bei uns. 2013 kostete in Murgenthal die kWh noch 21,43 Rappen.

Weshalb die Differenzen? Warum sind die EW in der Region im Schnitt kostengünstiger als andere? Weil sie primär Stromverteiler sind, nur über wenig eigene Stromproduktion verfügen – schon gar nicht an Kernkraftwerken beteiligt sind. Die haben uns in der Vergangenheit billigsten Strom geliefert und sind nun im Rahmen der Energiewende zum Kostenklumpen geworden. Deshalb können unsere EW Strom günstig beschaffen und so steigende Strukturkosten abfedern.

Vor nicht so langer Zeit war die Welt der Schweizer Kraftwerke noch in Ordnung. Weil sie in der Lage waren, jeden Tag die «Kochlücke» Europas zu füllen, verdienten sie sich eine goldene Nase. Darunter verstand man den sich regelmässig einstellenden Nachfrageschub nach Strom, wenn kurz vor Mittag europaweit die Elektroherde eingeschaltet wurden. Parallel dazu öffnete die Schweiz die «Hahnen» ihrer Speicherwasserkraftwerke und produzierte zu Höchstpreisen Spitzenstrom.

In der Nacht, wenn der Bedarf zurückging, wurden die Reservoirs in den Alpen wieder mit billigem Strom aus Kernenergie gefüllt. Man nannte diesen Milliarden-Deal, von dem alle Konsumenten in Europa über tiefe Stromtarife profitierten, «Veredelung der Elektrizität». Ganz so simpel war das Geschäft zwar nie. Doch damit, wie im Zeitalter der Energiewende in Europa Strom produziert wird, hat sich die Ausgangslage grundlegend verändert.

Im Rahmen dieser «Wende» hat die Schweiz einen Vorteil. Sie kann aus Fehlern lernen, insbesondere aus denen, die Deutschland macht. Ein Blick ins Nachbarland: Dort subventioniert der Staat den Ausbau von Solar- und Windenergie mit jährlich bis zu 20 Milliarden Euro. Gleichzeitig verzichtet die Politik darauf, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen merklich zu belasten. So fehlt insbesondere ein wirklicher Anreiz, bei der Produktion von Strom rasch auf den Energieträger Kohle zu verzichten.

Strom aus Sonnenenergie wird europaweit (die Schweiz eingeschlossen) – trotz seinen Schwächen – massiv gefördert. Das ist marktverzerrend, insbesondere, weil die Elektrizitätsunternehmen gezwungen sind, jede Kilowattstunde Solarstrom zu übernehmen – und Photovoltaik-Produzenten eine zusätzliche Vergütung, die KEV, bekommen. Solarstrom und andere Kleinkraftwerke bedingen zudem einen Umbau der Netzinfrastruktur. Diese muss nun dezentral und nicht mehr auf grosse Kraftwerkblocks wie Gösgen oder Beznau ausgerichtet sein. Das kostet.

Es ist unbestritten erfreulich, wenn Bürger und Firmen Solarstrom produzieren. Leider sind sie von der Pflicht befreit, über die kostendeckende Einspeisevergütung hinauszudenken. Wo bleibt der Anreiz, eine Speichermöglichkeit für den Solarstrom zu schaffen? Und wo derjenige, ein Elektroauto zu kaufen und dann zu laden, wenn die Sonne scheint? Für den Boiler müsste dies eigentlich Pflicht sein. Die Motivation dazu fehlt, solange jeder Solarproduzent jederzeit Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen kann. Die Energiewende gelingt erst, wenn möglichst viele kleine Produzenten ihren Solarstrom selber verbrauchen oder einen Teil der Verantwortung dafür übernehmen, dass dieser einen Abnehmer findet.