
Wenn Mama durch Online-Trainings zum agilen Chamäleon wird
Outdoor in Zofingen statt online schwitzen
Für die, die Online-Trainings nichts sind, gibt es in der Region durchaus Alternativen. Aber: Fitnesskurse sind in Innenräumen weiter nur mit Einschränkungen wie Abstand oder Maske möglich. Zuvor blieben Gruppenstunden coronabedingt ganz verboten. Für Fitnesscenter-Betreiber waren diese Monate ebenso schwierig wie für Personal-Trainerinnen und Bewegungspädagoginnen wie die Brittnauerin Gabi Wickihalter. Zum einen fehlte die Einnahmequelle, zum andern konnte sie ihr Anliegen, Menschen zu Bewegung zu animieren, kaum in die Tat umsetzen. «Wir tun unserem Immunsystem und unserer Gesundheit keinen Gefallen, wenn wir uns nicht bewegen», betont sie.
Sofern es die Temperaturen und die Covid-19-Regelungen zuliessen, führte Gabi Wickihalter die Fitness Kurse in Kleingruppen zwar auch im Winter draussen durch. Bei Regen oder Schnee wich sie wie Fitnesscenter und andere Kursanbieter in der Region auf Online-Kurse aus. «Das ist praktisch, aber es passt nicht allen, in Livestreams oder via Zoom vor dem Bildschirm zu trainieren. Wer Gruppenkurse bucht, sucht das direkte Miteinander», weiss Wickihalter.
Nun erweitert die Ironman-Hawaii-Finisherin ihr Angebot an der frischen Luft. Sie lanciert ab Mai auf der Wiese hinter dem Stadtsaal in Zofingen Outdoor-Workouts, dienstags von 18 bis 18.45 Uhr und freitags von 18.30 bis 19.15 Uhr. Bei Circuits, Intervalls und Drills stehen Rumpfstabilisation, Kraft und Herz-Kreislauf-Training im Zentrum. Das Motto lautet «Get ready for summer». «Mein Ziel ist es möglichst viele Leute auf den Platz zu locken, Mann, Frau, solche, die schon Sport machen und die, die nichts oder nur wenig tun.» Die Übungen können für jeden individuell angepasst werden. Und weil die Gruppe in der Stadt sichtbar trainiere, motiviere das vielleicht Vorbeispazierende, auch wieder etwas für die Fitness zu tun. Auch die regulären Pilates-Lektionen sind im Sommer mehrheitlich auf dem Heiternplatz oder bei der Stadtsaal-Wiese geplant. Weitere Infos: www.gabi-personaltrainerin.ch.
Zoom- und Outdoor-Trainings gibt es unter anderem auch im Sport-Gym Aarburg oder bei Husner-Training oder Heartrate-Fitness in Zofingen.
Plötzlich rutscht mir die Pellati-Dose aus der Hand. Sie stoppt kurz vor der Spiegelschranktür. Glück gehabt. Mit Kochen hat das, was ich an jenem Abend mache, nichts zu tun. In Trainingskleidern auf einer Gymnastikmatte powere ich mich aus. Die Pellati-Büchsen sind meine Hanteln. Eigentlich wollte ich nie eine von denen sein, die vor einem Bildschirm herumhüpfen und Workouts absolvieren. Doch weil mein Volleyballtraining seit Monaten ausfällt, brach Ende 2020 mein Widerstand. Ich testete Apps und Youtube-Videos und landete bei rund8fit.ch. Die Plattform wirbt mit dem Slogan «Mama macht jetzt Sport – Online Training und Motivation für Schwangere und Mütter».
Mitinitiiert hat «rund8fit» die Zofinger Sportwissenschaftlerin Stefanie Meyer. Die 36-Jährige war Ausdauersportlerin bis sie mit ihrem ersten Kind schwanger wurde. «Da tauchten neue Fragen auf. Wie intensiv kann ich mit Babybauch laufen, ab wann darf ich nach der Geburt trainieren?». Stefanie Meyer lebte zu dazumal beruflich in London, liess sich zu Themen wie Rückbildung und bewegte Schwangerschaft weiterbilden. Dann kreuzten sich in England die Wege der Sportlehrerin und der Wirtschaftsinformatikerin Anna Tomaschett. Letztere wollte nach der Geburt ihres vierten Kindes wieder fit werden – trotz stressigem Mama-Alltag.
Drei Frauen, drei Disziplinen und viele Inputs
So mischten sich die Bedürfnisse der zwei Frauen, sichere und fordernde Workouts anzubieten und zu absolvieren. «rund8fit.ch» war geboren. Das Portal bietet wissenschaftlich fundierte Infos zu Sport in und nach der Schwangerschaft, Rückbildung und Ernährung, Motivation, Coaching und Trainingsvideos. Funktionelle Trainings mit Cardio- und Kraftelementen, Pilates und Yoga wechseln sich ab. Drei Frauen agieren als Trainerinnen: Stefanie Meyer, Nora Linder und Melanie Nohr. Die Sequenzen dauern 35 bis 50 Minuten.
2019 liessen Anna Tomaschett, die im Hintergrund die Fäden zieht, und Stefanie Meyer ihre GmbH ins Handelsregister eintragen und starteten mit der Videoproduktion. Am 1. April 2020, nach zwei Jahren Vorbereitungszeit, ging das Portal online. «rund8fit.ch» entwickelt sich nach der «Geburt» schneller als jedes Baby. Seit der Lancierung trainier(t)en 2138 Frauen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich mit. Im März wurden 1132 Workouts à 1023 Trainingsstunden angeklickt – sechs Wochen Nonstop-Sport wären das. Den Zuspruch nur der Corona-Pandemie zuzusprechen, wäre zu kurz gegriffen, sagt Stefanie Meyer. «Klar profitierten wir etwa bei der Rückbildung davon, dass die Trainings in realen Räumen nicht stattfinden konnten. Auf der anderen Seite gibt es seit Pandemiebeginn extrem viele neue Online-Angebote und dadurch Konkurrenz für uns.»
Obwohl die achtwöchigen Programme bei «rund8fit.ch» mit 249 Franken nicht günstig sind, verlängern wie ich viele Frauen immer wieder. Die Workouts sind zwei Tage online, dann verfallen sie. Pro rechtzeitig absolviertes Training gibt es einen Punkt für die Einzelrangliste und nach 10 Zählern ein witzig illustriertes «Abzeichen». Ich bin nun ein agiles Chamäleon und ein formschöner Pfau. Ein Zufallsgenerator teilt alle Programm-Teilnehmerinnen in Gruppen ein, die gegeneinander «kämpfen». Das schuf für mich so etwas wie einen Teamgedanken. Den Druck, zu punkten und die Workouts zu absolvieren, ehe sie nicht mehr verfügbar sind, brauchte ich anfänglich. Mittlerweile hat sich mein Denken verändert, ich überlege nicht mehr, ob ich Sport machen soll, sondern nur noch wann.
Tipps zur Selbst-Motivation
Sport fix in den Alltag einzubauen, braucht Disziplin. Stefanie Meyer kennt als berufstätige Zweifachmama Tricks: Zum einen reserviert sie sich an ihren Arbeitstagen Bewegungspausen für Laufrunden. Joggen sei auch mit Kinderwagen möglich, oder mit auf dem Velo mitfahrenden Kids. Workouts trägt man am besten wie andere Termine in den Kalender ein – das mindere «Ausredenpotenzial». Helfen könne, sich morgens nach dem Aufstehen in Sportkleider zu stürzen und sobald es ein Zeitfenster gibt loszupowern. «Oder man ruft das Gefühl ab, das man nach dem Sport spürt. Das ist immer ein Gutes, und dann will man das wieder haben und sich bewegen.» Es muss nicht immer ein intensives Training sein, auch ein zügiger Spaziergang zählt.

Dieses Umdenken ist ein Ziel der Initiantinnen. «Es ist wichtig, dass auch wir Mamas uns regelmässig Zeit nehmen für uns. Bewegung tut als Ausgleich so gut», betont Stefanie Meyer. Motivierende Elemente wie «Abzeichen», Punkte und den Austausch über geschlossene Facebook-Gruppen wünschte sich vor allem Anna Tomaschett. Weil sie selber so auch eher Zeit für Sport reserviere. Stefanie Meyer kennt fehlenden Antrieb zum Auspowern nicht. «Sport gehört seit jeher zu meinem Leben», sagt die frühere Triathletin, die den Short-Distance-Powerman-Zofingen, den Gigathlon, einen Ironman und verschiedene Läufe gefinisht hat.
Nicht Modelmasse, sondern eine stabile Mitte ist das Ziel
Aber ist denn nur eine sportliche, wohlgeformte Mama auch eine gesunde? Stefanie Meyer will mit «rund8fit.ch» nicht Topathletinnen züchten: «Wichtig ist, dass es einem wohl ist im eigenen Körper.» Nicht Modelmasse seien entscheidend, sondern dass die durch Schwangerschaft und Geburt geforderten Körperregionen wie der Beckenboden und die Körpermitte wieder stabil werden. «Und wir wollen, dass die Frauen dank uns fitter und im Alltag ausgeglichener sind.»
Irgendwann würde sie gerne wieder einen Lauf bestreiten – sobald Corona Sportevents zulässt. Und wenn sie im Business etwas zurückstecken kann. Aus den geplanten 60-Prozent-Pensen von ihr und Anna Tomaschett für «rund8fit.ch» seien mehr als total 200 Prozent geworden. Zur Trainingsplanung und zum Filmen kommt Administratives, die Betreuung der Social Media Kanäle, Weiterbildung, das Texten von Homepage- und Dokumentinhalten und Telefonberatung dazu. Und das Ausdenken neuer Programme wie aktuell ein Lauf-Wiedereinstieg nach der Geburt mit Sabrina Mockenhaupt, 45-fache Deutsche Lauf-Meisterin und seit 2020 Mama. «Mein Herzensprojekt», wie Stefanie Meyer betont.
Vielleicht fange ich auch einst mit Laufen an. Zuerst rolle ich heute aber meine Gymnastikmatte aus und folge Stefanies Übungs-Erklärungen. Anders als bei gewissen Apps kommen sie bei ihr ohne pseudo-witzige Sprüche daher. Dass Stefanie im Wohnzimmer vorturnt statt in einem Studio und auch mal einen Putzlappen als «Trainingsgerät» nutzt, macht es alltagstauglich. Hanteln habe ich immer noch keine echten, aber neu gebastelte aus Petflaschen. Sie sind grifffester als Pellati-Dosen.