
Wer bei der SVP an Grossrats-Abstimmungen fehlt, spürt die Konsequenzen
Stimmen die SVP- und FDP-Fraktion im Grossen Rat geschlossen für oder gegen etwas, kommen sie auf 69 Stimmen. Wenn Rot-Grün auf die Unterstützung der restlichen Fraktion zählen kann, holen sie 71 Stimmen. Kommt es hart auf hart, zählt auf beiden Seiten jede Stimme. Am Dienstag hätte die linke Ratshälfte ein Anliegen durchbringen können. Es ging um die Begnadigung einer Tibeterin. Obwohl FDP und SVP geschlossen dagegen waren, kamen sie nur auf 64 Stimmen. Es fehlten drei SVPler und zwei FDPler. Das 65. Nein kam von CVPGrossrätin Susanne Voser, die als Einzige ihrer Fraktion dagegen stimmte.
GLP, EVP und die Grünen stimmten geschlossen dafür. Bei der BDP hatte sich Maya Bally enthalten. Damit sprachen sich 26 Parlamentarier für eine Begnadigung aus. Für eine Mehrheit fehlten 40 Stimmen. Mit 16 Stimmen aus der CVPFraktion und 27 Stimmen der SP hätte es für ein Ja gereicht. Doch bei der SP fehlten am Dienstag vier Grossräte, bei der CVP zwei. Die Begnadigung wurde mit 65 zu 63 Stimmen knapp abgelehnt.
Eine Folge des Miliz-Systems
«Wir haben eine hohe Präsenz an Sitzungen», sagt CVP-Parteipräsidentin Marianne Binder. Es gebe aber keine Sanktionen, wenn jemand nicht teilnehmen könne. «Abwesenheiten haben gewichtige Gründe, die wir ernst nehmen.» Dass am Dienstag zwei CVPler fehlten, sei bei einem knappen Resultat natürlich schade. Ein Grossrat hatte eine nicht verschiebbare berufliche Verpflichtung, das komme in einem Milizsystem vor, der andere hatte einen Todesfall in der Familie. «Dass eine möglichst geschlossene Anwesenheit wichtig ist, ist unserer Fraktion aber sehr wohl bewusst», sagt Binder.
Bei der SP fehlten Anna Andermatt, die kürzlich Mutter geworden ist und Elisabeth Burgener, die zwischen Ostern und Pfingsten im Ausland weilt. Kurt Emmenegger und Claudia Rohrer waren kurzfristig verhindert, wie Fraktionsprä- sident Dieter Egli sagte. Rohrer war gestern nicht erreichbar, Emmenegger ist «eine dringende familiäre Angelegenheit dazwischen gekommen», wie er sagt. «Ich bin meistens anwesend», versichert er. Wenn eine Abstimmung knapp gewesen sei, gebe es ein Debriefing in der Fraktion. Er gehe davon aus, dass es auch dieses Mal so sein werde. Dieter Egli habe ihm am Dienstag eine E-Mail geschickt. «Er wollte noch einmal wissen, weshalb ich verhindert war.»
Sein Parteikollege Florian Vock ist über den Entscheid enttäuscht. «Selbstverständlich ist es ärgerlich, dass Grossräte abwesend sind. Aber wir sind ein Milizparlament – das hat zur Folge, dass in Ausnahmefällen jemand fehlt. Das gilt für alle Parteien.» Vock wundert sich, dass für das knappe Nein nun die SP den Kopf hinhalten soll: «65 Grossrätinnen und Grossräte haben gegen Menschlichkeit gestimmt, die müsste man fragen.»
SVP führt eine Statistik
Auch Jean-Pierre Gallati findet, man könne nicht nur die SP verantwortlich machen: «Ich muss die SP-Fraktion hier etwas in Schutz nehmen. Bei mir fehlten auch drei Fraktionsmitglieder.» Damit seine Fraktion möglichst vollständig ist, versuche er stetig, die Fraktionsmitglieder zu motivieren. Zusätzlich führe die SVP an Sitzungen eine Anwesenheitsstatistik. «Die Fraktion erhält diese Liste und diskutiert auch darüber», sagt Gallati. «Problemfälle nehme ich an die Kandare und bearbeite sie hart.» In der Regel führe das zur Besserung. «Im Extremfall kann es auch zum Rücktritt führen.»
Die SP führe keine Statistik, sagt Egli: «Bei der Anwesenheit geht es um die Eigenverantwortung der Grossräte gegen- über den Wählern.» Ob es vertretbar sei, müsse jeder mit sich selber ausmachen. Auch die FDP führt nicht Buch. «Es würde mir auch so auffallen, wenn jemand häufig fehlt und ich würde sicher das Gespräch suchen», sagt Fraktionspräsidentin Sabina Freiermuth. Zudem halte das Geschäftsverkehrsgesetz fest, dass der Sitzungsbesuch Pflicht ist. Natürlich gebe es Ausnahmen. «Das ist im Milizsystem durchaus verständlich», sagt Freiermuth. Die beiden abwesenden FDPler waren beruflich verhindert.