
Weshalb hat Zofingen einen Einwohnerrat?
Am nächsten Sonntag wählen Zofingen und andere Aargauer Einwohnerratsgemeinden ihre kommunalen Parlamente. Demokratie hat viel mit Mathematik zu tun. Deshalb die Frage, wie ermittelt das Wahlbüro, wer gewählt ist? Welches Wahlsystem kommt zur Anwendung? Pukelsheim (Grossratswahlen) oder Hagenbach-Bischoff (Nationalratswahlen)?
Die Kantonsverfassung schreibt vor, dass Einwohnerräte mit demselben Verfahren wie der Grosse Rat bestellt werden. Das heisst, es gibt keine Listenverbindungen und jede Stimme für eine Kandidatin oder einen Kandidaten zählt auch für die Liste, auf welcher der Name aufgeführt ist. Im Gegensatz zu Hagenbach-Bischoff bevorteilt Pukelsheim grosse Listen und grosse Parteien nicht, was zu guten Wahlchancen für kleinste Gruppierungen führt. «Mein System bildet jeden Muckser der Wählerschaft ab», hat der Mathematiker Friedrich Pukelsheim einmal gesagt.
Was bei den Einwohnerratswahlen nicht zum Tragen kommt, ist die Fähigkeit der Pukelsheim-Methode, die insgesamt abgegebenen Parteistimmen gerecht auf Wahlkreise zu verteilen. Derzeit kennt keine Einwohnerratsgemeinde solche. Einzig Aarau war für eine Legislatur nach der Fusion mit Rohr bei den Einwohnerratswahlen in die Kreise Aarau und Rohr unterteilt. Wenn wir schon einen Blick über den Stadtkreis von Zofingen hinauswerfen: Aus Obersiggenthal gibt es Kurioses zu vermelden. Die Grünen – im aktuellen Einwohnerrat mit drei Sitzen vertreten – haben keine Liste eingereicht. Dies erstaunt, weil die Partei in Obersiggenthal über ein beachtliches Potenzial an Wählerinnen und Wählern verfügt und gute lokale Ergebnisse bei den Nationalrats- und Grossratswahlen verzeichnen durfte. Bei Letzteren wurde sogar ein grüner Obersiggenthaler ins Kantonsparlament gewählt: Gemeinderat Christian Keller. Dieser sagt als Ortsparteipräsident offen und ehrlich: «Wir haben keine Kandidatinnen und Kandidaten gefunden – wir kennen viele unserer Wählerinnen und Wähler nicht.» Anstelle der «Ur»-Grünen versuchen nun die Grünliberalen, neu in den Einwohnerrat einzuziehen.
Weshalb hat Zofingen einen Einwohnerrat und nicht eine Gemeindeversammlung? Bei rund 11 600 Einwohnerinnen und Einwohnern wäre letztere Organisationsform durchaus denkbar. Oftringen zählt 14 500 Personen und hat kein Gemeindeparlament. Das wirft die Frage nach den Vor- und Nachteilen auf. Dazu der Blick in die Geschichte. Nein, mit dem Ja zum Frauenstimmrecht vor 50 Jahren hat die Schaffung der Einwohnerräte nichts zu tun. Sie fussen auf dem «Gesetz über die ausserordentliche Gemeindeorganisation» von 1963. Damals gab es Stimmzwang – wer nicht an der Gemeindeversammlung teilnahm, wurde mit einem eher symbolischen Betrag gebüsst. Erschwerend kam der Umstand hinzu, dass mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten anwesend sein musste, damit die Versammlungen überhaupt beschlussfähig waren.
1966 starteten fünf Gemeinden mit ihrem Einwohnerrat, unter ihnen Zofingen. Bis 1974 folgten zehn weitere. Seither sind keine neuen Einwohnerräte mehr ins Leben gerufen worden. Hingegen haben fünf Gemeinden ihren Rat wieder abgeschafft und sind zur Gemeindeversammlung zurückgekehrt. Unter ihnen Aarburg und Oftringen.