Weshalb Reitnau ohne Bahn blieb

Die Suhrentalbahn vor 1967 auf der Aarauer Bahnhofstrasse.
Die Suhrentalbahn vor 1967 auf der Aarauer Bahnhofstrasse.

Schnellzüge mit Kurswagen Hamburg–Rom, die an den Strohdachhäusern von Muhen und Reitnau vorbeisausen – ein Traum, den man am Fin de

Siècle im Suhrental träumte. Unrealistisch war die Vision nicht. Die Linie durch das Suhrental sollte die Schafmattbahn Richtung Sursee–Luzern fortsetzen. Über die Schafmatt wollte man Aarau via Sissach mit Basel verbinden – durch die Stadt Aarau vehement forciert, später aber von der Hauen-steinline ausgestochen.

Aus kühnen Träumen wurde eine Tramlinie

Von den einst kühnen Träumen im Suhrental blieb eine schmalspurige Strassenbahn. Ein ähnliches Gotthardprojekt wurde auch im Wynental geschmiedet – auch hier kam es zum Bau einer Trambahn, welche 1958 mit der Suhrentalbahn zur WSB fusionierte.

Zurück ins Suhrental und zur Frage, weshalb hier die Aargauer Bahn in Schöftland endet – und nie mit der Luzerner Bahn in Triengen verbunden wurde? Die dafür nötigen Geleise wollte man mehr als einmal verlegen lassen, wovon auch ein Konzessionsgesuch aus dem Jahr 1919 zeugt.

Die Probleme, die immer zur Aufgabe der Pläne führten, waren politische und finanzielle – vor allem aber technische. Letztere hatten ihre Wurzeln in den ursprünglichen Konzessionen des Bundes. Statt einer Bahn übergab dieser die Strecken Sursee–Triengen und Aarau–Schöftland an zwei Unternehmen. Den Aargauern traute die Landesregierung offenbar finanziell nicht ganz über den Weg und sprach sich für ein kostengünstiges Tram aus – von Anbeginn an elektrisch betrieben.

Ihre Fahrten nahm die Bahn 1901 auf. Endstation in Aarau war der Bahnhofplatz. Von dort führten die Schienen via Bahnhofstrasse vor das Regierungsgebäude und über eine Spitzkehre in Richtung Distelberg. Das blieb bis zur Inbetriebnahme eines Tunnels im Jahr 1967 so.

Zurück ins Suhrental und nach Triengen. Hier wurde 1908 eine dampfbetriebene, SBB-kompatible Vollspurbahn realisiert. Wie kann man dieses System mit einer Trambahn verknüpfen? Die Luzerner schlugen in den 1920er-Jahren vor, die Strecke Schöftland–Aarau auf Vollspur auszubauen. Im Gegenzug forderte 1933 – so sehr zog sich die Geschichte in die Länge – der Aargau eine durchgehende Schmalspurbahn mit einem Bahnhof Reitnau. Es folgten Jahrzehnte, in denen ein Gutachten das andere jagte. 1959 kam frischer Wind in die Sache. Die Aargauer und Luzerner Regierung sowie die 15 Gemeinden des Tals sprachen sich für die Schmalspur aus. 1963 erteilten die Eidgenössischen Räte die x-te Konzession und beschlossen, 50 Prozent der auf 21 Millionen Franken geschätzten Baukosten aus der Bundeskasse zu übernehmen. Im Verlauf der Planung stiegen und stiegen die prognostizierten Baukosten.

Der Bundesrat zieht die Notbremse

1970 zog der Bundesrat die Notbremse und teilte den beiden Kantonsregierungen mit, die Situation habe sich seit 1963 grundlegend verändert – «der Bau einer durchgehenden Suhrentalbahn lässt sich nicht mehr verantworten». 1971 wurde der Personenverkehr auf der Strecke Triengen–Sursee eingestellt und durch Busse ersetzt – Busse, in deren Netz auch Schöftland eingebunden ist. Inzwischen ist diese Strecke zur Kulisse für historische Eisenbahnfilme geworden – sie ist eine der wenigen Geleiseanlagen, die ohne Oberleitung verblieben sind.

Ein Zug der Suhrentalbahn vor dem Regierungsgebäude, von wo er einst via Spitzkehre in Richtung Distelberg fuhr.
Ein Zug der Suhrentalbahn vor dem Regierungsgebäude, von wo er einst via Spitzkehre in Richtung Distelberg fuhr.
Der Suhrental-Ast der WSB endet in Schöftland.
Der Suhrental-Ast der WSB endet in Schöftland.