Wikons Gemeindeammann René Wiederkehr: «Ich erhoffe mir eine massive Verbesserung der Situation.»

Ein höchst turbulentes Jahr

Vor rund einem halben Jahr geriet die Gemeinde Wikon in heftige Turbulenzen. Diese gipfelten zunächst darin, dass der Gemeinderat seinem Mitglied Wolfgang Kunzelmann sämtliche Dossiers entzog. Der Kanton pfiff die Gemeinde Anfang November zurück: Der Dossierentzug sei unrechtmässig erfolgt. Seither hat Kunzelmann seine Dossiers zurück und er fungiert weiter als Finanzvorstehen. Damit war die Sache aber nicht ausgestanden: Kunzelmann zeigte die anderen Gemeinderäte sowie die Gemeindeschreiberin bei der Staatsanwaltschaft Sursee an; die Vorwürfe lauten auf Amtsmissbrauch, Ehrverletzung, Amtsgeheimnisverletzung und Urkundenfälschung im Amt. Die Verfahren sind nach wie vor hängig, die beschuldigen Gemeinderäte weisen die Anschuldigungen zurück (siehe Interview). Michaela Tschuor, damals Gemeindepräsidentin ad interim, entschuldigte sich an der Gemeindeversammlung Ende November im Namen des Gemeinderates bei Wolfgang Kunzelmann. Die Querelen in den vergangenen Monaten veranlassten die Gemeindeschreiberin und einen Gemeinderat zu kündigen beziehungsweise zu demissionieren.

Herr Wiederkehr, wie geht es Ihnen?
Herzlichen Dank der Nachfrage. Mir geht es sehr gut – ich freue mich auf die restlichen Festtage und auf die Zeit zusammen mit meiner Familie.

Sie haben sich eine kurze Auszeit genommen. Fühlen Sie sich wieder fit?
Ganz klar ja! Die drei Wochen Auszeit wurden notwendig, weil ich schlicht keine Ruhephasen mehr hatte. Das Amt als Gemeindepräsident stemme ich normalerweise mit einem Zeitaufwand von 35 bis 50 Prozent sehr gut neben meiner «normalen Arbeit». Seit August 2018 war ich aber beinahe Vollzeit für die Gemeinde sowie weiter für meinen Arbeitgeber tätig.

Sie blicken als Gemeindepräsident von Wikon auf ein sehr schwieriges 2018 zurück. Für Ihre Gemeinde war es ein Krisenjahr. Was ist rückblickend Ihre wichtigste Lehre?
Ich möchte als Gemeindepräsident meine Ideen und Visionen in die Tat umsetzen. Die Gemeinde vorwärtsbringen, nicht nur hinsichtlich der Finanzlage, sondern auch in der qualitativen Entwicklung. Es braucht aber wesentlich mehr Zeit als ich angenommen habe. Bezüglich des Ressortentzugs bin ich heute noch zutiefst erschüttert, wie man diesen in den Medien schlussendlich dargestellt hat. So einen Verlauf habe ich mir für die Gemeinde nicht gewünscht.

Was würden Sie anders machen?
Ich war mir damals sicher, dass wir intern alles geklärt hatten um den Beschluss des Ressortentzugs umsetzen zu können. Heute würde ich solche Beschlüsse extern vorabklären lassen. Weiter würde ich die Kommunikation anders gestalten. In den Medien wurde komplett ausgeblendet, weshalb der Gemeinderat diesen verhängnisvollen Schritt überhaupt machen wollte. Der Gemeinderat wollte eigentlich Schaden verhindern. Diese Auslegung war aus der heutigen Sicht zu forsch und hätte mit einem schwächeren Teilentzug umgesetzt werden können. Nun wird es lange dauern, bis die Gräben wieder zu geschüttet werden können. Denn Gewinner gibt es keinen.

Ihre Stellvertreterin hat an sich anlässlich der Gemeindeversammlung bei Finanzverwalter Wolfgang Kunzelmann und der Verwaltung entschuldigt, was nach aussen als Versuch zu einem Neustart wahrgenommen wurde. Wie ist die aktuelle Zusammenarbeit im Gemeinderat?
Leider konnte ich die Gemeindeversammlung nicht selber leiten und bedanke mich an dieser Stelle bei den restlichen Gemeinderäten für die gute Arbeit. Ich konnte lediglich im Hintergrund unterstützend wirken. Wenn man einen Fehler macht, soll man auch dafür geradestehen. Deshalb finde ich es durchweg in Ordnung, wenn Entschuldigungen ausgesprochen werden. Nur fielen diese bislang nur einseitig aus. Bekanntlich benötigt es für einen Streit mindestens deren zwei. Dementsprechend empfinde ich die Zusammenarbeit zum Teil als sehr erschwert und nach meinem Dafürhalten als eher grenzwertig. Hier erhoffe ich mir eine massive Verbesserung der Situation.

Hat sich die Stimmung im Dorf verbessert?
Die Rückmeldungen an meine Person sind durchweg positiv. Viele wünschen sich, dass man die alten Probleme weiter anpackt, Lösungen aufzeigt und diese dann umsetzt. Es sind nur noch vereinzelte Protagonisten, welche den Schritt ins neue Millennium mutmasslich verpasst haben, die alles schlechtreden, obschon die heutige Situation ausschliesslich von ihnen selbst verursacht wurde. Nun gilt es, mit der Bevölkerung den Weg zu gehen und die erwähnten Minderheiten mitzutragen. Mit dieser positiv gestimmten Mehrheit im Dorf wollen wir, dass die Gemeinde vorwärtskommt.

Die Gemeinde hat einige Sofortmassnahmen getroffen, um die Verwaltung zu entlasten. Zeigen diese Massnahmen Wirkung?
Ich hatte das Glück, anfangs Dezember auf Andreas Kalt zu stossen. Er ist als Gemeindeschreiber ad interim seit dem 18. Dezember vom Gemeinderat gewählter Schreiber und bereits im Einsatz. Er wird uns mit einem 60- bis 80-Prozent-Pensum unterstützen können. Sobald die Organisationsanalyse abgeschlossen ist, werden wir mit seiner Unterstützung einen definitiven Gemeindeschreiber suchen. Weiter wurde die Bauverwaltung mit einer externen Kraft unterstützt. Die Gemeinderäte sind weiterhin gefordert, auch operative Tätigkeiten wahrzunehmen, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen ist.

Mehrere Stellen auf der Verwaltung sind vakant. Können Sie etwas zum Stand der Neubesetzung sagen?
Aktuell haben wir eine Stelle ausgeschrieben und die ersten Bewerbungen treffen ein. Die Gemeindeschreiberstelle wird wohl als Nächstes ausgeschrieben. Danach steht die Nachfolgelösung für unsere Gemeindebuchhaltung an. Ich vermute, dass wir einige Monate mit den erwähnten Engpässen leben müssen. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Verwaltungsangestellten für ihren tollen Einsatz bedanken.

Gegen Sie und drei weitere Gemeinderäte sind nach wie vor Strafverfahren hängig; können Sie etwas zum Stand der Verfahren sagen?
Die Verfahren liegen bei der Staatsanwaltschaft. Die vorgebrachten Anschuldigungen weisen wir klar von uns. Leider müssen wir uns nun auf einen Rechtsstreit vorbereiten und haben für unsere Verteidigung einen Anwalt mandatiert.

Der Gemeinderat hat eine Organisationsanalyse angekündigt. Wurde diese bereits aufgegleist?
Wir haben diese gestartet mit ersten Interviews und Meetings. Aber auch hier gilt es, sich die notwendige Zeit zu nehmen um das eingesetzte Geld auch wertvoll nutzen zu können.

Was ist Ihr Wunsch für die Gemeinde 2019?
Ich wünsche uns allen, dass Ruhe einkehrt und die Geschäfte auf einer sachlichen Ebene geführt werden können. Weiter wünsche ich, dass sich am 31. März 2019 eine Person in den Rat wählen lässt, welche den eingeschlagenen Weg voll mitträgt und sich einbringt. Abschliessend wünsche ich der gesamten Bevölkerung ab 2020 einen im Unteren Wiggertal wettbewerbsfähigen Steuerfuss.

Sie haben Ihre Kandidatur für den Kantonsrat zurückgezogen. Was sind die Gründe?
Ich trat am 1. Juni 2015 in den Gemeinderat als Parteiloser an. Eine genaue Zuordnung zu einer der grösseren Parteien des Landes war und ist auch heute für mich nicht möglich. Als ich zur Wahl des Gemeindepräsidenten im 2016 antrat, spürte ich, dass es als Parteiloser etwas schwieriger war zu mobilisieren. Bald einmal war klar, dass es nur über den Kantonsrat geht, wenn ich was ändern möchte. Praktisch jedes Thema endet mit dem Satz: «Der Kanton schreibt vor…» So habe ich mich mit den vorhandenen Parteien auseinandergesetzt und kam zu Schluss, dass ich mich mit der FDP am wohlsten fühlen würde. Gesagt getan – und somit wurde mit sehr guten Personen die FDP Wikon neu gegründet. Gerne wollte ich nun den nächsten Schritt als Kantonsratskandidat gehen. Die negativen Medienbeiträge rund um den Ressortentzug haben letztendlich die Parteileitung des Amtes Willisau dazu bewogen, mir einen Verzicht nahezulegen. Eigentlich sehr schade. Denn ich spüre keinen einzigen amtierenden Kantonsrat, der sich für das Untere Wiggertal einsetzt. Cüpli-Politiker haben wir genug. Hier hätte es durchweg Platz gegeben für jemanden, der Profil zeigen möchte und auch Dinge anspricht, die der Bevölkerung wirklich weiterhelfen würden. Ich habe diesen Verzicht angenommen, aber mich somit auch wieder als Parteiloser eingereiht. Meine Ortspartei-Kollegen stehe ich bei Bedarf aber gerne als Unterstützer zur Verfügung und bedanke mich explizit bei ihnen für die tolle Arbeit, die sie geleistet haben.