
Wildtierpflegerin im Gnadenhof: «Die Wegwerf-Gesellschaft ist bei den Tieren angekommen»

Wer den Tierlignadenhof in Kaisten besucht, wird schon am Eingangstor zum Gelände begrüsst – und zwar lautstark mit Gebell und Geschnatter. Hunde, Gänse, Pferde, Enten, Füchse, Ziegen, Hühner, Esel, Katzen, Fische, Schafe und ein Wildschwein leben hier. Insgesamt sind es rund 120 Tiere. Entsprechend hat Stefanie Sutter am Montagmorgen auch alle Hände voll zu tun. Tiermäuler wollen gestopft, Ställe geputzt und Wäsche gewaschen werden.
Sutter leitet mit ihrer Zwillingsschwester Janina den Tierlignadenhof. Die ehemalige Leiterin Monica Spoerlé tritt aus gesundheitlichen Gründen kürzer. «Sie bringt aber ihre Erfahrung weiterhin ein», sagt Sutter. Daneben hat der Gnadenhof zwei Angestellte.
An der Kapazitätsgrenze
Die Tiere hier haben allesamt ihre eigenen Geschichten – nicht selten sind diese traurig. Wenn etwa die Besitzer verstorben sind oder sie die Tiere wegen eines Schicksalsschlags abgeben müssen. Aber Sutter stellt auch fest, dass «die Wegwerf-Gesellschaft bei den Tieren angekommen ist». So drückt sie aus, wenn leichtfertig Tiere angeschafft werden und dann rasch wieder weg müssen. So oder so: Beim Gnadenhof gehen jeden Tag Anfragen ein. Nicht immer können die Tiere auch aufgenommen werden. «Einerseits sind wir an der Kapazitätsgrenze, andererseits gibt es auch einen finanziellen Aspekt. Wir leben von Spenden.» Ein Nein vom Tierlignadenhof bedeutet oft das Todesurteil für ein Tier. «Das tut weh», sagt Sutter. «Aber wir dürfen das nicht zu sehr an uns heranlassen, sonst gehen wir kaputt.»
Trotz der harten Entscheidungen steht für Stefanie Sutter das Positive im Vordergrund: die Möglichkeit, einigen Tieren ein angenehmes Leben zu bereiten. Dafür hat sie inzwischen sogar ihr Berufsleben umgestellt. Bis im vergangenen Sommer absolvierte sie während zweier Jahre die Ausbildung zur Wildtierpflegerin – neben ihrem Engagement auf dem Gnadenhof und ihrer Vollzeit-Anstellung als Sachbearbeiterin, wohlverstanden.
Zukunft gesichert
«Es war eine anstrengende Zeit. Ich bin ab und zu an meine Grenzen gestossen», sagt die 30-Jährige. Ihr Lachen aber verrät: Es hat sich gelohnt. Die Ausbildung konnte sie mit guten Noten abschliessen. Seit Sommer nun arbeitet sie Teilzeit auf dem Hof, seit Anfang Jahr in einem 60-ProzentPensum. Daneben ist Sutter weiterhin als Sachbearbeiterin tätig.
Mit diesem Schritt ist die Zukunft des Hofs gesichert: Das neue Tierschutzgesetz schreibt vor, dass Gnadenhöfe ab einer bestimmten Anzahl Tiere einen ausgebildeten Tierpfleger anstellen müssen. Diese Vorgabe kann der Kaister Hof nun erfüllen. Die offizielle Bewilligung liegt denn auch vor. Und Sutter hat bereits einige Ideen für die Zukunft. Ein grösserer Teich für die Koi-Karpfen oder ein neues Katzenparadies – natürlich immer innerhalb der finanziellen Möglichkeiten. «Mit so einem Hof gehen einem die Projekte nicht aus», sagt Sutter mit einem Lachen.
Sicher ist: Der Tierlignadenhof möchte in Zukunft wieder vermehrt Besucher empfangen, etwa Schulklassen, Menschen mit Behinderungen oder andere Interessierte. Dank Sutters Festanstellung soll dafür spätestens ab Frühjahr wieder mehr Zeit da sein.