
«Wir gehen mit Patrick Rahmen durch die Krise»
Einverstanden, dass der FC Aarau in einer Krise steckt?
Burki: Ja. Jetzt gilt es wie immer, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Die da wären?
Einerseits kann man personelle Veränderungen vornehmen, wenn dies finanziell möglich ist. Andererseits muss das vorhandene Personal auf seine optimale Leistungsstärke gebracht werden.
Aarau hat in der zweiten Halbzeit gegen Vaduz gespielt wie ein Abstiegskandidat. Wie froh sind Sie, dass der Vorsprung auf Schlusslicht Chiasso zwölf Punkte beträgt?
Als FCA-Sportchef bin ich sehr enttäuscht, dass wir die zwei letzten Spiele gegen Schaffhausen und Vaduz auf unnötige Art und Weise verloren haben. Gegen Vaduz hatten wir nach dem Gegentor zum 1:2 nicht die Überzeugung, noch den Ausgleich zu erzielen. Das stimmt mich nachdenklich.
Trainer Patrick Rahmen deutete nach dem Vaduz-Spiel ein Qualitätsproblem an – zu Recht?
Das ist nach Niederlagen immer einfach. Würde es an der Qualität liegen, hätten wir Schaffhausen und Vaduz nicht eine Halbzeit lang dominiert und Lausanne-Ouchy nicht geschlagen.
Kann das von Ihnen zusammengestellte Kader die hohen Ansprüche von Verein und Fans erfüllen?
Wir sind in der Breite nicht mehr so gut besetzt wie in der vergangenen Saison. Also wäre es vermessen zu denken, Rang 2 sei ein Muss. Trotzdem wäre Ende Saison alles andere als ein Platz in der oberen Tabellenhälfte zu wenig und enttäuschend.
Nimmt man die Budgets der Challenge-League-Vereine als Massstab, muss der FCA unter den ersten drei landen.
Lausanne und GC sind unerreichbar. Dahinter sehe ich uns, Vaduz und Winterthur, ohne deren genaue Budgets zu kennen.
Beim Blick auf die Tabelle kommt man zum Schluss, das Geld wurde beim Kaderbau falsch eingesetzt. Was Sie zu verantworten haben.
Ich trage die Gesamtverantwortung über die Profiabteilung. In der vergangenen Saison haben wir mit dem zweiten Rang mehr erreicht, als die Mittel vorausgesagt haben. Nun hinken wir den Erwartungen hinterher, obwohl die finanziellen Möglichkeiten geringer sind. Nicht, weil der Verein weniger Geld ausgibt, sondern weil gewisse Umstände dazu geführt haben.
Schauen wir etwas genauer hin: Die Verpflichtung von Serey Dié hat sich als Missverständnis herausgestellt, die Vertragsverlängerung mit Stefan Maierhofer war eine Fehleinschätzung, genauso wie die Meinung, die Abwehr genüge den hohen Ansprüchen.
Ich mache mir dauernd Gedanken darüber, wie und wo wir uns verbessern können. Letztlich ist es zu früh, um die Saison abschliessend zu beurteilen.
Mit drei Junggoalies ohne Profi-Erfahrung in die Saison zu gehen, war abenteuerlich. Wäre es nicht zwingend, hinter Nicholas Ammeter eine erfahrene Nummer 2 zu haben?
Die Konstellation auf der Goalieposition ist aus der Not heraus geboren, wir hätten im Sommer gerne entweder Djordje Nikolic oder Steven Deana behalten, was nicht möglich war. Als wir uns für die jungen Torhüter entschieden haben, taten wir dies im Wissen, dass ihnen der eine oder andere Fehler unterlaufen wird. Junge Spieler dürfen Fehler machen, müssen aber daraus lernen und daran wachsen. Übrigens …
Ja?
Nicholas hat mehrheitlich gute Leistungen gebracht, gelobt wurde aber nur selten. Er ist ein guter Junge und dazu ein Aarauer. Dass diese Zeitung Ammeter nach seinen Fehlern so kritisiert hat, fand ich unfair. Doch mit der Kritik muss er umgehen können, er ist stark genug und hat unser Vertrauen.
Steht Ammeter auch nächste Saison im Tor des FC Aarau?
Vieles hängt von der Ausrichtung des Vereins ab. Grundsätzlich hat kein Spieler eine Stammplatzgarantie. Momentan sind wir mit Ammeters Entwicklung zufrieden.
Und zu Shkelzen Gashi: Dass er Anlaufzeit braucht, war klar. Aber dass er in den ersten drei Rückrundenspielen nicht einmal auf der Bank sass, überraschte. Auch Sie?
Damit mussten wir rechnen. Ich wäre überrascht, sollte er in den nächsten zwei Spielen noch nicht einsatzfähig sein. An Shkelzen werden wir sicher viel Freude haben, wenn er sein volles Leistungspotenzial abrufen kann.
Seit der Niederlage gegen Vaduz erreichen uns zahlreiche Nachrichten, dass der FCA Trainer Patrick Rahmen entlassen müsse. Der gleiche Tenor herrscht in den sozialen Medien. Was sagen Sie dazu?
Ich lasse das nicht an mich ran. Dass man auf Facebook einen negativen oder beleidigenden Kommentar hinterlässt, kann ich nicht nachvollziehen, aber leider ist das heutzutage so. Für mich stellt sich die Trainerfrage nicht.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass Rahmen wie in der vergangenen Saison der Turnaround erneut gelingt?
Wie Sie sagen: Wir haben bereits zusammen eine Krise durchgemacht, ich weiss, wie Patrick in solchen Situationen denkt und handelt. Andererseits darf man sich nicht einfach auf die positiven Erfahrungen der Vergangenheit verlassen. Klar ist: Wir gehen zusammen da durch.
GC hat als Tabellendritter den Trainer entlassen, beim FCA ist trotz schlechterem Gesamtbild der Trainer ein Tabuthema. Schon speziell, oder?
Emotionen spielen da eine grosse Rolle. Hätten wir nur eines der beiden Spiele gegen Schaffhausen und Vaduz gewonnen, würden wir darüber diskutieren, wie gross die Chancen auf die Barrage wären – nicht über den Trainer. Wir im Verein dürfen uns nicht von Emotionen und von einzelnen Resultaten leiten lassen, unsere Analyse muss weitgreifender sein. Ich treffe keine Entscheidungen für die Öffentlichkeit oder für mich, sondern für den FC Aarau.
Trotzdem: Fussball ist am Ende des Tages ein Resultatsport.
Langfristig entscheidet auch bei uns der Totomat, sowohl über den Trainer als auch über mich. Solange wir der Überzeugung sind, Patrick Rahmen ist der richtige Trainer, werden wir nichts daran ändern.
Sie und Patrick Rahmen sind sich auch freundschaftlich verbunden. Knüpfen Sie Ihr Schicksal beim FCA an seines?
Nein, ich entscheide immer im Sinn des Vereins. Mir wurde auch schon vorgeworfen, ich hätte früheren Mitspielern neue Verträge gegeben, weil sie mit mir befreundet sind. Stimmt nicht. Ich habe mich als Sportchef von Spielern getrennt, die Familienväter sind und denen ich aus menschlicher Sicht gerne einen neuen Vertrag gegeben hätte.
Bis man einsieht, dass die Arbeit eines Freundes keinen Erfolg mehr bringt, dauert es naturgemäss doch länger, als wenn der Trainer ein normaler Angestellter wäre.
Einerseits stimmt das, andererseits schaut man bei Personen, die einem näher sind, noch genauer hin. Ich könnte Patrick heute entlassen und wir wären morgen immer noch gute Freunde. Aber ich bin überzeugt, dies wird nicht passieren.
Themawechsel: Spielmacher Markus Neumayr knüpft seine Vertragsverlängerung an die Bedingung, dass der FCA in der nächsten Saison ein Aufstiegskader hat. Eine klare Ansage an den Sportchef.
Ich habe nichts gegen mündige Spieler, die sich auch mal pointiert äussern. Wichtig ist, dass jeder zuerst vor der eigenen Haustüre wischt und schaut, dass die Leistung stimmt. Es ist auch in meinem Interesse, dass wir in der nächsten Saison die Möglichkeit haben, in die Super League aufzusteigen.
Dass Sie Neumayr behalten wollen, ist kein Geheimnis. Wie ist sonst der Stand bei der Personalplanung für die nächste Saison?
Am 13. März entscheidet sich, ob die Super League auf zwölf Teams vergrössert wird. Das hat entscheidenden Einfluss auf die Ambitionen des FC Aarau. Entsprechend herrscht punkto Budget für die nächste Saison noch Ungewissheit. Dafür habe ich Verständnis, trotzdem sind mir momentan ein wenig die Hände gebunden.
Sie wurden im vergangenen Sommer von GC umworben, sind aber in Aarau geblieben mit dem Ziel, bald in die Super League aufzusteigen. Was, wenn die Bedingungen dafür nächste Saison nicht gegeben sein werden?
Ich schätze, dass in Aarau die wirtschaftliche Stabilität an erster Stelle steht. Aber ich bin ambitioniert und hoffe, dass in der nächsten Saison der Aufstieg von Anfang an ein realistisches Ziel ist, an dem man die Mannschaft, den Trainer und mich messen kann. Ich habe volles Vertrauen in den neuen Präsidenten Philipp Bonorand und seinen Verwaltungsrat, dass sie alles dafür tun, um den Aufstieg zu ermöglichen.
Die aktuelle Saison dauert noch 15 Spiele – welche Ziele verfolgt der FCA bis Ende Mai?
Wir wollen nach 36 Spieltagen in der oberen Tabellenhälfte sein. Dafür muss sich jeder auf seine Aufgabe konzentrieren. Alle im Verein rücken nun noch näher zusammen – wie wir es in schwierigen Phasen immer getan haben.