«Wir haben die erste Woche überlebt» – so haben Coiffeursalons und Gartencenter die Tage nach der Wiedereröffnung erlebt

Der Montag 27. April 2020 wird uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Die Schutzmassnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wurden an dem Tag erstmals gelockert, Baumärkten, Gartencenter und Coiffeursalons kam dabei eine riesige mediale Aufmerksamkeit zuteil.

Der Andrang auf einige Geschäfte scheint seither noch immer ungebrochen. Welche Erfahrungen haben die Betriebe selbst gemacht? Haben sich die Kunden bisher gut verhalten? Und wie viel haben Gartencenter, Coiffeursalons und Co. verdient? Sieben Fragen und Antworten zur ersten Lockerungsetappe.

Wie gross war der Kundenandrang seit der Wiedereröffnung?

Insgesamt sehr gross. Gartencenter, Baumärkte und Coiffeursalons berichten vor allem vom Ansturm am Eröffnungstag selbst – die Bilder von langen Warteschlangen waren auf sämtlichen Kanälen zu sehen. «Der Ansturm war überraschend intensiv», sagt ein Mediensprecher vom Baumarkt Jumbo, der schweizweit 40 Filialen betreibt.

«Bei beinahe jeder Filiale haben Kundinnen und Kunden bereits vor der Öffnung geduldig gewartet.» Einen Ansturm hat auch die Baumarktkette Hornbach erlebt. Ein Mediensprecher relativiert allerdings: «Es hat sich schnell gezeigt, dass die Wartezeiten doch eher tief waren, denn durch die Abstände zwischen den wartenden Kundinnen und Kunden erschien die Situation dramatischer, als sie tatsächlich war.»

Wie ging es nach dem Eröffnungstag weiter?

Auch an den Folgetagen wurden die Geschäfte sehr gut besucht. Vielerorts hat sich der Andrang dabei überraschend gut verteilt – möglicherweise ist dies der grösseren Flexibilität der Leute im Home-Office zuzuschreiben. Beim Zulauf Gartencenter in Schinznach-Dorf AG mussten die Kunden beispielsweise nie stundenlang draussen warten, wie Co-Geschäftsführer Johannes Zulauf sagt.

«Wir hatten in diesen Tagen kontinuierlich Frequenzen und weniger Leerzeiten also sonst.» Ähnlich intensiv haben auch Coiffeurläden den Eröffnungstag und die darauffolgenden Tage erlebt. Viele Salons haben aktuell einen so vollen Terminkalender wie nie zuvor. «Wir haben die erste Woche und den ersten Ansturm überlebt. Die Kunden haben uns echt die Hütte eingerannt», sagt Aurelia Gall und lacht. Sie leitet eine Cut&Color-Filiale in Frauenfeld.

Gab es Unterschiede zwischen den Kantonen?

Hornbach, Jumbo, Coop Bau+Hobby wie auch Landi Schweiz verneinen. Sie konnten bei der Kundenzahl keine bemerkenswerten kantonalen Unterschiede feststellen. Ob in ländlichen oder städtischen Gebieten, ob in der Deutsch- oder Westschweiz – schweizweit wurden die Filialen ähnlich gut besucht.

Schwieriger ist es, die Situation bei den Coiffeurgeschäften einzuschätzen. Von den zwei grossen Ketten Gidor und Cut&Color, die schweizweit mehrere Filialen haben, liess sich eine solche Einschätzung nicht in Erfahrung bringen.

Haben die Kunden die Regeln befolgt?

Im grossen und ganzen Ja. Sämtliche angefragten Betriebe berichten von der grossen Geduld, Disziplin und dem Verständnis ihrer Kundinnen und Kunden. Doch es gibt auch solche, die die Schutzmassnahmen offenbar für überflüssig halten: Zum Beispiel das Coiffeurgeschäft Gidor in Zug berichtet über Leute, welche die gängigen Regeln wie Hände desinfizieren nicht oder erst nach expliziter Aufforderung befolgen.

«Es gibt immer Fälle, die schwierig sind», sagt Filialleiterin Nicole Schaller. «Auch kommt es vor, dass Kunden keine Schutzmaske anziehen wollen. Bisher konnten wir sie aber immer überzeugen und es ist nie zu Problemen gekommen.»

Hie und da kommt es laut Hornbach, Jumbo, Coop Bau+ Hobby und Landi ausserdem vor, dass Leute in alte Verhaltensmuster zurückfallen und punktuell die Abstandsregeln missachten. Dies sei glücklicherweise aber eher selten der Fall. Insgesamt würden die Kundinnen und Kunden deutlich weniger Zeit als normal im Laden verbringen und zielstrebig einkaufen.

Haben sich die im Voraus ergriffenen Massnahmen bewährt? Waren mancherorts Anpassungen notwendig?

Im Grundsatz haben sich die Vorkehrungen bewährt. Bei Kontrollen wurde den Betrieben jeweils ein gutes Zeugnis ausgestellt. In einigen Filialen mussten die Betriebe teilweise leicht nachjustieren und zum Beispiel mehr Desinfektionsmittel aufstellen oder zusätzliche Abstandsmarkierungen auf den Boden kleben.

So etwa Jumbo, bei dem es in einigen Filialen vor den Kassen einen Rückstau gab. Hornbach hat nach eigenen Angaben ausserdem weiterführende Massnahmen ergriffen. Demnach wurden die Einkaufswagen immer desinfiziert und den Kunden persönlich übergeben. «Dies wurde von unseren Kundinnen und Kunden ausserordentlich geschätzt, allerdings ist der personelle Aufwand dafür ausgesprochen hoch», sagt der Sprecher.

Wie haben Coiffeure das Arbeiten mit Schutzmasken erlebt?

«Erstaunlich gut», lautet die Antwort von mehreren Coiffeursalons. «Wir haben uns schnell daran gewöhnt. Mittlerweile ist das Tragen von Masken fast schon normal», sagt ein Mitarbeiter vom Coiffeur Reference in Basel. Wirklich angenehm ist es deshalb wohl trotzdem nicht: Unter der Maske atmen zu müssen, sei immer noch gewöhnungsbedürftig, sagt Nicole Schaller vom Gidor in Zug.

Dafür sei es aufgrund der Schutzmassnahmen momentan ruhiger als sonst: «Weil die Leute draussen anstehen müssen, ist es im Laden überschaubarer und weniger laut. Das ist eigentlich ganz angenehm.» Beim Haare-Schneiden komme die Maske grundsätzlich nicht in die Quere. Einzig wenn bei Männern die Koteletten gestutzt werden müssten, müsse der Kunde die Maske etwas anheben, sagt Schaller.

Wie viel haben die Betriebe in der vergangenen Woche verdient?

Weil Coiffeursalons aufgrund der Abstandsregeln nur die Hälfte ihrer Plätze benutzen dürfen, erzielen sie auch nur etwa die Hälfte ihres Umsatzes vor der Schliessung. Noch weniger dürfte es bei Barbershops sein, die im Gegensatz zu den Coiffeuren noch nicht von Kunden überrennt werden. So kamen etwa bei Fadi Suleymani und seinem Team vom Salon «Barber Chez Fadi» in Genf in der vergangenen Woche etwa 50 Prozent weniger Leute als sonst.

«Viele haben noch Angst, das spüren wir.» Für die Bartrasur muss der Kunde die Maske abziehen, dafür zieht der Barber eine durchsichtige Plastikmaske an. Mehr Umsatz als sonst haben hingegen die Gartencenter und Baumärkte erzielt. Hornbach, Jumbo und Coop Bau+Hobby nennen keine Zahlen, sprechen jedoch von einer «positiven» oder «sehr guten Woche». Die Landi konnte in der letzten Woche «mehr Umsatz generieren als in den umsatzstärksten Wochen im Jahr 2019».

Wie geht es für die Betriebe weiter und was bringen die nächsten Wochen für die Kunden?

Vor allem Gartencenter rechnen mit einer weiterhin hohen Nachfrage. Mit der zweiten Lockerungsetappe am nächsten Montag dürfen alle übrigen Läden und Restaurants öffnen. Auch in manchen Gartencentern wird man dann wieder einen Kaffee trinken können. «Nach der Öffnung unseres Restaurants wird sich die Verweildauer in unserem Geschäft wieder erhöhen», glaubt Johannes Zulauf vom Zulauf Gartencenter.

Wie es weitergeht, ist aber immer auch abhängig von der weiteren Entwicklung der Pandemie und möglichen Massnahmen des Bundesrats. So sagt denn auch der Hornbach-Sprecher: «Wir planen aktuell ungewohnt kurzfristig, denn in den vergangenen zwei Monaten haben sich Situation und Rahmenbedingungen teilweise täglich verändert.»