
Wir haben uns einen Freiflug verdient
Vor ein paar Wochen, als die Temperaturen in der Nacht Richtung Null-Grad-Grenze fielen, haben wir bei uns zuhause einen Versuch gemacht: Eine Woche ohne Heizung. Tönt lustig, ist es aber nur so mittel, vor allem, wenn der Warmwasser-Boiler an die Heizung angeschlossen ist. Trotzdem waren wir fest entschlossen, so viel CO2 zu sparen, damit unsere Familie auch im nächsten Jahr guten Gewissens in die Ferien fliegen kann. Schliesslich müssen wir uns verteidigen können, falls beim in Erinnerungen-Schwelgen wieder vorwurfsvolle Blicke auf uns prallen.
Es ging mir in diesem Jahr so wie anscheinend vielen gestandenen Volksvertretern: Die ausschliesslich mit guten Absichten in den Kampf marschierte Klimajugend hat mich wachgerüttelt. Die 16-jährige Schwedin Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg und ihre meist gleichaltrigen, händewedelnden Follower haben mir endlich den richtigen Weg, mein Leben zu leben, gezeigt. Bisher war mir nicht bewusst, dass die Menschheit ihren einzigen Lebensraum zugrunde richtet. Wenn ein beeinträchtigtes Mädchen mit Asperger-Syndrom deshalb vorgeführt und «geopfert» wird, dann ist das einfach so etwas wie ein Kollateralschaden.
Der Dezember ist die Zeit, um Vorsätze fürs neue Jahr zu fassen. Ich habe mir fest vorgenommen, 2020 etwas Spezielles zu probieren, einen Abenteuerurlaub sozusagen. Ich starte mit einem verdummenden Fernsehabend mit überzuckerter Cola und fettigen Chips. Wenn ich damit fertig bin, werfe ich mit einer Zigarre im Mund den Abfall in den Wald und angrenzende Wiesen. Ich mache die Nacht durch mit gewaltverherrlichenden Computerspielen, Energiedrinks und Drogen. Am nächsten Tag packe ich meine Sachen in Plastiktüten, fahre mit dem SUV in den Grossverteiler, kaufe – obwohl ich Vegetarier bin – ein mit Antibiotika vollgepumptes Stück Fleisch aus Südamerika und Tomaten aus Namibia, selbstverständlich dreifachverpackt. Danach gehts weiter an den Flughafen Genf. Von dort aus fliege ich über Mombasa, Reykjavík, Dschibuti, Russland und Neuseeland nach Indonesien. Dort werde ich mich der Palmölernte widmen und in der Freizeit auf die Jagd nach Orang-Utans und Elefanten gehen. Schliesslich besuche ich die Schwefel-Minen von Kawah Ijen und freue mich über die vielen bunten Farben in der Luft. Den Heimweg trete ich auf einem Walfangschiff an, das mich zu einem uralten Öltanker bringt, mit dem ich nach Europa zurückfahre.
Sie finden das schwachsinnig und gegen jeglichen gesunden Menschenverstand? Ich auch! Und ich bin in meinem – nach der Entfernung der defekten und dem Einbau der neuen Heizung – wieder angenehm warmen Wohnzimmer erst noch ganz alleine darauf gekommen.