«Wir zahlen den Asylsuchenden weder die Lederjacke noch das Handy»

«65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht», sagte Rico Camenzind als Vertreter der organisierenden Gruppierung IG UPS (Unabhängige Pfaffnau-St. Urban) bei der Begrüssung. «Das Thema geht uns alle an. Deshalb haben wir es für die heutige Veranstaltung aufgenommen.» Referent Simon Gerber, stellvertretender Leiter der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen Kanton Luzern, wartete mit interessanten Fakten auf. «Die Asylzahlen befinden sich in der Schweiz auf einem beinahe historischen Tiefstand», sagte er. Stellten 2015 noch 39 000 Personen in unserem Land ein Asylgesuch, werden es bis Ende des laufenden Jahres voraussichtlich nur noch rund die Hälfte sein. Die Gründe sind nicht restlos geklärt, sicher spiele jedoch die gesperrte Balkanroute eine Rolle, und offenbar würden in Libyen Schlepper daran gehindert, Flüchtende nach Europa zu schleusen.

44 Asylsuchende in Gemeinde

Der Kanton Luzern muss 5,8 Prozent aller Flüchtenden aufnehmen, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen. Menschen aus Eritrea bilden dabei die grösste Gruppe, es sind rund 20 Prozent. Zwölf Prozent stammen aus Afghanistan, acht Prozent aus Syrien und sechs Prozent aus Somalia. In Pfaffnau und St. Urban leben aktuell 44 Asylsuchende, hauptsächlich aus Afghanistan und Eritrea. Pro Tag erhalten die Menschen elf Franken. Damit müssen sie Nahrung, Körperpflege, ÖV und alle weiteren persönlichen Ausgaben decken. Unterkunft, Krankenkasse oder Spezialausgaben werden direkt vom Staat bezahlt. Simon Gerber räumte mit einigen Gerüchten auf: «Wir zahlen den Asylsuchenden weder die Lederjacke noch das Handy.»

Das Thema, das an der Veranstaltung am meisten interessierte, war die Integration der Geflüchteten. «Der Kanton verfolgt zwei Strategien», sagte Simon Gerber. Bei Asylsuchenden im Verfahren gelte es, die Rückkehrfähigkeit zu erhalten. In anderen Worten: Die Menschen sollen sich nicht zu stark integrieren. Bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen sei jedoch die möglichst rasche Integration das Ziel. Dafür gibt es spezielle Angebote wie Praktikas oder die Integrationsvorlehre.

Asylsuchende dürfen zwar nicht arbeiten, können jedoch freiwillig an Beschäftigungseinsätzen teilnehmen und sich damit ein Taschengeld von maximal zehn Franken pro Tag verdienen. Oftmals sind das Litteringprojekte, Arbeiten an Wanderwegen oder Bächen. Auch Einsätze auf Landwirtschaftsbetrieben sind möglich. Es sei gar nicht so einfach, geeignete Projekte für die Asylsuchenden zu finden, sagte Simon Gerber. «Denn das Gewerbe darf nicht konkurrenziert werden.» Gemeindepräsident und Landwirt Thomas Grüter beschäftigt immer wieder Asylsuchende, beispielsweise zum Blacken stechen. Er habe dabei gute, leider aber auch schlechte Erfahrungen gemacht. Manche Asylsuchenden würden einfach nicht zur Arbeit erscheinen. Er stellte die Frage, ob die Menschen in den Wohnungen nicht besser betreut und so für die Arbeit motiviert werden könnten. «Das ist auch für uns ein Ärgernis», antwortete der Referent. Er wolle die teilweise fehlende Verlässlichkeit nicht schönreden. «Aber wir haben schlicht nicht das Personal, um alle zum Arbeiten zu bringen.» Sozialvorsteher und ebenfalls Landwirt Pirmin Bucheli wünschte sich mehr Sanktionen in solchen Fällen. Eine Zuhörerin stellte sich jedoch hinter die Asylsuchenden und gab zu bedenken, dass diese Menschen vielleicht traumatisiert oder mit unserer Kultur überfordert seien.

Zum Schluss verwies Simon Gerber auf die Freiwilligenarbeit, welche für die Integration eine wichtige Bedeutung habe. Deutschkonversation, Mentoring bei der Jobsuche, Integration in Sportvereine, Spielnachmittage. Das alles seien Möglichkeiten, sich zu engagieren. Im Kanton Luzern gibt es die Koordinationsstelle Freiwilligenarbeit, wo Interessierte beim Aufbau einer Freiwilligengruppe Hilfe erhalten. Beim anschliessenden Apéro wurde rege darüber diskutiert, wie man einen besseren Kontakt zu den 44 Asylsuchenden in der Gemeinde finden könnte.                                              ASTRID BOSSERT MEIER