Wird der FC Aarau zum Spielverderber oder Aufbaugegner?

Was, wenn die Luft draussen ist und es für den FC Aarau nur noch darum geht, die Saison vernünftig zu Ende zu spielen? Warum nicht in Erinnerungen schwelgen! Und da kommt man mit Blick auf den heutigen Gegner Lausanne-Sport unweigerlich auf den 4. Mai 2019 zu sprechen:

Fünf Punkte beträgt der Rückstand des FC Aarau auf die Romands vor dem viertletzten Spieltag – nur mit einem Sieg bleibt der Traum von der Barrage lebendig. Und dann das: Wenige Minuten vor dem Anpfiff kommt der Schnee, bleibt zentimeterdick auf dem Rasen liegen und verwandelt das Stadion Brügglifeld in ein Winterwunderland. Historisch, so spät so viel geschneit hat es in der Schweiz noch nie seit Beginn der Messungen. An normalen Fussball ist nicht zu denken, mit dem Anpfiff übernimmt der Zufall das Zepter. Mitte der ersten Halbzeit bittet Schiedsrichter Hänni die Trainer Patrick Rahmen (Aarau) und Giorgio Contini (Lausanne) zu sich und bietet ihnen einen Spielabbruch an. Rahmen überlässt die Entscheidung dem Gast, der lehnt ab mit der lapidaren Begründung: Es stehe ja 0:0.

Im Schneegestöber aus dem Brügglifeld gefegt

Contini dürfte seine Entscheidung bitter bereut haben. Denn anschliessend wird Lausanne von immer heisseren Aarauern regelrecht aus dem Stadion gefegt, 3:0 das klare Schlussverdikt. Der Heimsieg gegen den Direktkonkurrenten ist für Aarau rückblickend der entscheidende Schritt Richtung Barrage: Lausanne verliert eine Woche später wie gelähmt das Romand-Derby gegen Servette, der FCA übernimmt Rang zwei und gibt diesen dank Leidenschaft und Glück nicht mehr her.

14 Monate später reist Lausanne wieder nach Aarau. Von einem Duell zweier Direktkonkurrenten kann man beim besten Willen nicht reden, wenn der Achte den Ersten empfängt. Aber eine Parallele zum 4. Mai 2019 gibt es dennoch: Wieder kann der FC Aarau für Lausanne-Sport zum grossen Spielverderber werden.

Von den vier Spielen seit dem Ende der Coronapause hat Lausanne keines gewonnen, der Vorsprung auf das zweitplatzierte GC ist innert zweier Wochen von 15 auf 8 Punkte geschmolzen. Im schlechtesten Fall aus Sicht der Romands sind es am späten Freitagabend nur noch fünf Punkte: Wenn GC in Vaduz gewinnt und sie in Aarau verlieren. Und dann wäre es vorbei mit der Ruhe: Chemie-Gigant Ineos, der Lausanne-Sport mit Millionen alimentiert und nahe der altehrwürdigen Pontaise ein neues Stadion baut, will das erneute Scheitern im Aufstiegsrennen um jeden Preis vermeiden. Eine naheliegende Reaktion wäre die Entlassung von Trainer Contini, der angesichts der Erwartungshaltung kürzlich gesagt hat: «Vergeigen wir es, habe ich hier nichts mehr zu suchen.»

Nur: Wie soll Aarau gegen Lausanne gewinnen? Dafür müsste schon sehr viel zusammenpassen: Aarau hat die schlechteste Abwehr der Liga (56 Gegentore), Lausanne die beste Abwehr (23 Gegentore) und die beste Offensive (62 Tore). Stellen sich die Aarauer Verteidiger erneut so stümperhaft an wie am Dienstag beim 2:5 gegen Winterthur, werden sie zum Aufbaugegner für das taumelnde Lausanne.

Für den FC Aarau sprechen zwei Punkte: Die zugelassenen 1000 Zuschauer im Brügglifeld werden so etwas wie Heimspiel-Atmosphäre aufkommen lassen. Und nach dem neuerlichen Defensiv-Debakel gegen Winterthur erwartet niemand vom FCA einen Sieg gegen die qualitativ beste Mannschaft der Liga – das Heimteam kann also befreit aufspielen. Lausanne-Coach Contini jedenfalls hat aus seinem Fehler am denkwürdigen 4. Mai 2019 gelernt und versprüht dieses Mal die nötige Demut: «Wir treffen auf einen guten Gegner und müssen für einen Sieg an unsere Grenzen gehen.»

Gashi kehrt aufs Matchblatt zurück

Es ist so weit: Vorausgesetzt, er ist über Nacht gesund geblieben, steht Shkelzen Gashi am heutigen Freitag im Heimspiel gegen Lausanne-Sport 18-Mann-Aufgebot des FC Aarau. Seit der Rückkehr des ehemaligen Publikumslieblings und Goalgetters ins Brügglifeld haben Trainingsrückstand und Verletzungen sein Comeback verzögert. Nun konnte der 31-Jährige diese Woche alle Mannschaftstrainings beschwerdefrei absolvieren. Wer weiss, vielleicht kommt Gashi gegen den Tabellenführer sogar zu einem ersten Kurzeinsatz.

Nachdem FCA-Trainer Patrick Rahmen gegen Wil, Chiasso und Winterthur dreimal in Folge die gleiche Startformation ins Rennen schickte, sind gegen Lausanne einige Veränderungen zu erwarten. Dies, weil einige junge Spieler beim 2:5 gegen Winterthur Lehrgeld gezahlt haben und eine Pause benötigen: So dürfte Topskorer Markus Neumayr (je 7 Tore und Assists) wieder in die Startelf rücken, ebenso Innenverteidiger François Affolter. Offen ist, ob nach zwei dürftigen Auftritten Sturmtalent Yvan Alounga eine Denkpause erhält oder ob der 18-Jährige zu Entwicklungszwecken vorerst eine Stammplatzgarantie geniesst.

Die ersten drei Duelle gegen Lausanne in dieser Saison gingen an die Romands – die Resultate aus ihrer Sicht: 5:1, 3:1 und 1:0. In schlechter Erinnerung haben die Aarauer vor allem das Heimspiel im Oktober 2019, in dem Lausanne bereits in der 11. Minute das 3:0 erzielte.