Wirren um Lohnfortzahlungspflicht: Was gilt, wenn jemand nach den Ferien in Quarantäne muss?

Es war ein kurzer Auftritt – und einer, bei dem am Ende genau so viele offene Fragen übrig blieben wie zu Beginn. Während 6 Minuten und 27 Sekunden versuchte Michael Schöll, Vizedirektor des Bundesamts für Justiz, am Donnerstag vor den Medien zu erklären, was denn nun gilt, wenn jemand nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet in die Quarantäne muss und seiner Arbeitsstelle fernbleibt. Eine abschliessende Antwort konnte Schöll nicht liefern: «Was genau gilt, kann Ihnen heute niemand verbindlich sagen.»

Diese Frage stellt sich wegen eines Bundesratsentscheides: Er hat per 6. Juli für Einreisende aus 29 Staaten, in denen gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein besonders hohes Corona-Ansteckungsrisiko besteht, eine zehntägige Quarantänepflicht verordnet. Zu diesen Risikoländern gehören mit Serbien und Kosovo auch zwei Staaten mit einer zahlenmässig grossen Diaspora in der Schweiz. Dass die Massnahme nicht unbegründet ist, zeigt eine Aussage von BAG-Vertreter Stefan Kuster vom Donnerstag: Ein Viertel der jüngsten Fälle ist aus dem Ausland importiert.

Gerichte werden Lohnfrage individuell klären müssen

Michael Schöll, Bundesamt für Justiz

Michael Schöll, Bundesamt für Justiz © Peter Schneider/ KEYSTONE

Die rechtlichen Auswirkungen der bundesrätlichen Quarantäneverordnung bleiben unklar. Grund sind fehlende Gerichtsentscheide, wie Michael Schöll vom Bundesamt für Justiz erklärte. Unter den Spezialisten gebe es zwei Positionen. Die einen seien der Auffassung, dass die Quarantäne eines Arbeitnehmenden unter das unternehmerische Risiko falle oder gleich wie ein krankheitsbedingter Ausfall zu behandeln sei. In ihren Augen bleibt die Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber bestehen. Andere Experten pochen auf den Grundsatz «Ohne Arbeit keinen Lohn»: Bei einer angeordneten Quarantäne verliere der Arbeitnehmende seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Wer trotz Quarantäne im Homeoffice arbeiten kann, erhält seinen Lohn weiter.

BAG verspricht Nachbesserungen bei den Fluglisten

Das Bundesamt für Justiz geht davon aus, dass bei einem quarantänebedingten Arbeitsausfall nach einer Reise in ein Risikogebiet in vollem Wissen über die Gefahren kein Lohnanspruch besteht. Das gleiche gelte wohl auch, wenn sich jemand in einem Risikogebiet mit dem Coronavirus anstecke und krankheitsbedingt ausfalle: «Hier droht das gleiche Ungemach bei der Krankentaggeldversicherung.»

Eine klare Antwort gab es auf die Frage, ob ein Unternehmen seinen Angestellten Reisen in Risikogebiete untersagen dürfe: Nein. Das Weisungsrecht des Arbeitgebenden gegenüber den Arbeitnehmenden sei mit wenigen Ausnahmen auf die Arbeitszeit beschränkt: Was ein Arbeitnehmender in seiner Freizeit tut und wohin er reist, ist grundsätzlich Privatsache.

In der Rückverfolgung solcher Auslandsansteckungen bestehen offensichtlich noch Mängel. So erhalten die Kantonsärzte derzeit keine Passagierlisten von Flügen aus Risikogebieten. Diese Listen wären beim Contact-Tracing jedoch besonders hilfreich, so die Berner Kantonsärztin Linda Nartey. BAG-Vertreter Stefan Kuster sagte, man habe schnell reagieren müssen und sei noch nicht perfekt für die Kontrollen und Informationen zur Quarantäne bereit gewesen: «Wir werden jetzt nachjustieren», versprach er.