Wohnmobil-Dinner: Dieser Wirt bedient die Gäste auf dem Parkplatz vor seinem Restaurant

Die Szenerie vor der «Mühle» erinnert zuweilen an einen Campingplatz. Auf dem Parkplatz vor dem traditionsreichen Restaurant steht ein Wohnmobil neben dem anderen. Dabei gibt es in Wohlenschwil eigentlich gar keinen Campingplatz und als Hochburg für Touristen in fahrenden Palästen ist der 1600-Einwohner-Ort auch nicht bekannt.

Doch seit Pächter und Wirt Deny Zurbuchen mit seinem Wohnmobildinner auf der Website Wohnmobilland-Schweiz präsent ist, hat sich vor der «Mühle» in Wohlenschwil einiges verändert. Hier begegnen sich Gewinner und Verlierer der Coronapandemie. Auf der einen Seite die Wohnmobile, die einen wahren Boom erleben, auf der anderen Seite die Gastronomie, die in einer grossen Krise steckt.

Die Idee in den sozialen Medien aufgegriffen

Sascha Bärtschi, Wohnmobilbesitzer und ein guter Freund Zurbuchens, hatte in den sozialen Medien Wind bekommen von sogenannten Wohnmobildinners. «Eine gute Idee», fand dieser. Und auch Zurbuchen war gleich angetan: «Ich informierte mich, sah, dass das Angebot legal ist und dass es in der Region Bern bereits drei oder vier Anbieter gibt.»

Die beiden Freunde schritten zur Tat. Bärtschi stellte kurzerhand sein Wohnmobil für ein Fotoshooting auf dem Parkplatz zur Verfügung. Das Bild wurde Mitte Januar mit einem kurzen Text auf Wohnmobilland-Schweiz hochgeladen – und fertig war das neue Angebot.

Das Essen wird im Wohnmobil serviert

Das Speisen in den eigenen vier Wänden auf Rädern funktioniert wie folgt: Der Gastronom stellt einen Parkplatz zur Verfügung, auf dem Wohnmobilisten mit ihren Fahrzeugen parkieren können. Die Besucher studieren die Menukarte online und bestellen. Das Gasthaus macht das Essen bereit und serviert es im Wohnmobil. Nach dem Essen bringt der Gast das Geschirr ­zurück und bezahlt. Je nach Wunsch kann der Wohnmobilist auf dem Parkplatz übernachten. Wer das Dinnerangebot nutzt, muss keine Stellgebühr bezahlen. Die Nutzung von WC und Strom sind bei Bedarf kostenlos.

Einen Tag, nachdem das Bild im Internet war, kam bereits die erste Buchung. «Die Gäste kommen von nah und fern, sind jung und alt», sagt Zurbuchen. In den besten Zeiten füllen sieben, acht Wohnmobile den Parkplatz. «Die Gäste sind froh, dass sie bei uns einen Restaurantbesuch machen können. Und wir sind froh, dass wir während des Lockdowns Gäste bedienen dürfen. So bleiben wir in der Erinnerung der Leute.» Not mache erfinderisch, sagt der 50-jährige Wohlenschwiler.

Mit dem Restaurant einen Lebenstraum erfüllt

Erst im Herbst hatte Zurbuchen das Traditionsrestaurant Mühle übernommen. Aus der gedeckten Terrasse baute er zusätzlich ein heimeliges Chalet – die «Mühligade», wo es Fondue, Raclette und Heissen Stein gibt. Viel Aufwand, um kurz darauf wegen der Pandemie alles schliessen zu müssen. «Mit dem Restaurant habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt», sagt Zurbuchen, der seit 25 Jahren im Gastrobereich tätig ist. Diesen Lebenstraum wollte er trotz denkbar schlechtem Start nicht so schnell aufgeben.

Bereits vor dem Wohnmobildinner hatte Zurbuchen einen Take-away und einen Lieferdienst etabliert. Während der Öffnungszeiten des Take-aways – unter der Woche am Mittag und am Abend, am Wochenende am Abend – werden auch die Wohnmobil-Gourmets bedient. «Manchmal laufen wir fast am Anschlag», sagt Deny Zurbuchen.

Fünf Monate auf den eigenen Lohn verzichtet

Dennoch: Der Lockdown ist und bleibt eine schwierige Zeit. Das Restaurant macht etwa einen Viertel seines normalen Umsatzes, von den beantragten Hilfsgeldern habe er noch nichts erhalten, sagt Zurbuchen. Die Mitarbeiter leisten Kurzarbeit. Sich selbst habe er seit fünf Monaten keinen Lohn mehr ausbezahlt. Die Luft werde langsam dünn. «Ich muss Rechnungen bezahlen, jeden Tag die Mitarbeitenden motivieren, das alles geht an die Substanz.»

Obwohl sich das Wohnmobildinner erfreulich entwickelt hat, wird es nach dem Lockdown nicht weitergeführt. Der Parkplatz vor der «Mühle» soll dann wieder den normalen ­Restaurantbesuchern zur Verfügung stehen.

 
Reger Betrieb: Die Gäste lassen sich im Wohnmobil verköstigen. Bild: zvg
Reger Betrieb: Die Gäste lassen sich im Wohnmobil verköstigen. Bild: zvg