Wut, Drama und ein Phänomen beim FC Aarau

Am Ende gibt es nur ein Thema: die Leistung von Schiedsrichter Stefan Horisberger. Der 30-jährige Berner hat in den Augen der Aarauer so ziemlich alles falsch gemacht. «Diesem Spitzenspiel nicht würdig», schimpft Markus Neumayr nach dem Schlusspfiff, «da muss sich der Verband ernsthaft hinterfragen, einen solchen Mann aufzubieten für eine Partie, in der es um so viel geht. Meine Wut auf den Schiedsrichter ist riesig.» Auch FCA-Trainer Patrick Rahmen hat nur Kopfschütteln für Horisbergers Darbietung übrig: «Er hatte einfach keine Linie und total einseitig gepfiffen. Und als ich ihm nach dem Abpfiff sage, dass ich mit seiner Leistung nicht einverstanden sei, läuft er einfach davon.»

Der Ärger des Heimteams bezieht sich vor allem auf zwei Szenen in der ersten Halbzeit: In der 29. Minute springt der Winterthurer Granit Lekaj mit gestrecktem Ellbogen in den Rücken von Aarau-Stürmer Stefan Maierhofer. Ein Revanche-Foul der üblen Sorte und eines, das sich abgezeichnet hat: Denn die Winterthurer Abwehrspieler haben es von der ersten Sekunde an auf Maierhofer abgesehen. Die Rote Karte für Lekaj wäre zwingend gewesen – stattdessen lässt Horisberger weiterlaufen. Zwölf Minuten später will Varol Tasar fünf Meter vor dem Tor schiessen, als wiederum Lekaj dem Aarauer auf den Fuss steht. Klare Sache: Penalty für den FCA. Doch Horisbergers Pfeife bleibt erneut stumm. Zwei Szenen, die man getrost als groben Eingriff des Schiedsrichters in die Partie bezeichnen kann.

Bei allem Verständnis für die Wut der Aarauer: Mit etwas Distanz werden sie eingestehen, dass die Schuld für die verlorenen zwei Punkte nicht nur beim Schiedsrichter zu suchen ist. Mit einer besseren Chancenauswertung wäre die Partie wohl schon nach der ersten Hälfte entschieden gewesen. Gleich vier grosse Möglichkeiten lässt Aarau liegen. Maierhofer, zwei Mal Zverotic und Bürgy – sie scheitern an FCW-Goalie Spiegel oder am eigenen Unvermögen. Doch weil auf der anderen Seite auch Sliskovic die für lange Zeit einzige Gästechance vergibt, stehts zur Pause 0:0.

Dann der Traumstart für die Aarauer in Halbzeit zwei: Keine Minute ist seit dem Wiederanpfiff gespielt, da köpfelt Maierhofer zum 1:0 ein. Der verdiente Lohn für die dominierende Mannschaft. Was in der Folge geschieht, ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass Winterthur ein guter Gegner ist, andererseits aber lassen es die Aarauer nach der Führung an Konzentration, Galligkeit in den Zweikämpfen und defensiver Disziplin vermissen. Ein Phänomen, das sich wie ein roter Faden durch die Saison zieht und das die Frage zur Folge hat, ob diese Mannschaft souverän genug ist für die Barrage.

Das 1:1 in der 64. Minute durch einen wunderschönen Weitschuss von Luka Sliskovic hat sich also abgezeichnet. Was tun? Patrick Rahmen reagiert und bringt seine Superjoker Goran Karanovic und Petar Misic. Bereits zehn Minuten später zahlt sich dies aus: Nach herrlicher Flanke vom überragenden Raoul Giger bringt Karanovic den FCA wieder in Führung. Das vierte Tor des Freiämters in den vergangenen drei Spielen, alle hat Karanovic als Einwechselspieler erzielt.

Es folgt die Schlussphase – und die wird zum Drama. Wiederum unnötig, denn dem Heimteam bieten sich genügend Konterchancen für das 3:1. Und dann ein Eckball für Winterthur in der 91. Minute: Sogar der Goalie ist nach vorne geeilt, was für Panik in der FCA-Abwehr sorgt, die der eingewechselte Marin Cavar zum 2:2 ausnützt. Vorbei? Nein: Noch ein Corner für die Gäste. Wieder kommen sie zum Abschluss, doch zum Glück aus Aarauer Sicht köpfelt Taulant Seferi aus wenigen Metern drüber. Ja, nach Seferis Riesenchance müssen Patrick Rahmen und seine Mannschaft sogar froh sein, den einen Punkt gerettet zu haben. Nach dem Schlusspfiff wollen sie davon aber nichts wissen. Rahmen: «Wir haben eine starke Leistung gezeigt und den verdienten Lohn nicht erhalten.»