«Zur reformierten Kirche zu konvertieren wäre feige»

Sie ist gläubige Katholikin, studierte Theologin, geht regelmässig zum Boxtraining, ist jung, modern, aufgeschlossen und polarisiert – die Rede ist von Jacqueline Straub. Die 27-Jährige will die erste Priesterin in der römisch-katholischen Kirche werden. «Ich bin zur Priesterin berufen – auch, wenn ich es bislang noch nicht leben kann», sagt die Schwäbin, die in Luzern lebt. Jacqueline Straub setzt sich für eine Reformation der katholischen Kirche ein. Ihre Standpunkte verteidigt sie diesen Donnerstag in einer Podiumsdiskussion in Zofingen zum Thema «Baustelle Kirche – Renovation oder Umbau?».

Frau Straub, die katholische Kirche gilt als hierarchisch, antiquiert, verstaubt und steht der Missbrauchsskandale wegen immer wieder im Kreuzfeuer. Was macht für Sie das Priestertum in dieser männerdominierten Organisation so erstrebenswert? 
Jacqueline Straub: Ich fühle seit meiner Jugend eine Berufung zur Priesterin. Dieses Brennen in meinem Herzen ist so stark, dass ich mich dafür einsetzen muss. Auch weil ich weiss, dass Gott mich dort haben will. Ich will genau das machen, was der Priester macht: Predigen, Evangelium verkünden, Eucharistie feiern und die Sakramente spenden. Es ist an der Zeit, dass Frauen dies tun können, denn sie können es genauso gut. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frauen der katholischen Kirche guttun und Priesterinnen zur Imageaufwertung beitragen würden. Frauen sollten Priesterin werden, weil es dem Evangelium entspricht und weder biblisch noch dogmatisch etwas gegen Frauen im Priesteramt spricht.

Fühlen Sie sich als Frau diskriminiert? 
Ja, weil ich nicht die gleichen Möglichkeiten erhalte wie die Männer und dies ein grosses Unrecht ist. Ein Mann, der sich zum Priester berufen fühlt, kann beim Priesteramt anklopfen, dort eintreten und seine Berufung durch den Bischof prüfen lassen. Obwohl ich dasselbe Theologiestudium wie ein Mann absolviert habe, kann ich dies nicht, weil ich eine Frau bin. Hier geht es nicht um die Diskriminierung, dass ich nicht geweiht werde, denn es gibt auch Männer, denen es verwehrt bleibt. Es beginnt bei den Voraussetzungen, dass Frauen als Priesterinnen nicht vorgesehen sind. Dabei hat Paulus die Taufe höher bewertet als das Geschlecht. Das sieht man daran, dass in der Urkirche Frauen die gleichen Möglichkeiten hatten und in der Mission und Seelsorge tätig waren. Die katholische Kirche hat im Zweiten Vatikanischen Konzil den Grundsatz der Rechtsgleichheit verankert, also Mann und Frau auf die gleiche Stufe gestellt. Darin ist festgehalten, dass jegliche Diskriminierung gegen den Willen Gottes verstösst.

Können Sie sich vorstellen, für Ihr Anliegen vor Gericht zu kämpfen? 
Ich habe es ernsthaft in Erwägung gezogen, denn es gibt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, an die hat sich auch die Kirche zu halten. Ich will diesen Weg aber nicht gehen, weil ich die katholische Kirche liebe und hinter ihr stehe – auch wenn ich sie teilweise hart kritisiere. Ich glaube, dass ein Rechtsstreit die Kirche verletzen und spalten würde, da Konservative einen solchen Schritt niemals gutheissen würden. Ich möchte es auf dem Herzensweg versuchen und werde unermüdlich auf die Missstände aufmerksam machen. Ich würde Gott verleugnen, wenn ich schwiege.

Sie sind seit Anfang September verheiratet. Als Pfarrerin würde Ihnen das Zölibat im Weg stehen. 
Vor dem Frauenpriestertum fällt das Pflicht-Zölibat. Dagegen spricht theologisch nichts. Im Gegenteil, die Kirche ist unter Zugzwang und ich bin überzeugt, dass das Zölibat fällt und die Kirche dem orthodoxen Modell folgt. Dies besagt, dass Priester vor der Weihe heiraten dürfen. Nur wenn jemand ledig Priester wird, muss er zölibatär leben. Ich freue mich auf die Ehe und wünsche mir Kinder.

Sie können es viel einfacher haben: indem Sie zu den Alt- oder Christkatholiken übertreten oder konvertieren. 
Das wäre der einfachere Schritt. Ich habe es erwogen, zur reformierten Kirche zu konvertieren, um Pfarrerin zu werden. Für mich wäre es feige, wenn ich das tun würde. Ich glaube, dass meine Kirche es wert ist, dass ich mich für sie einsetze. Sie ist meine Heimat und es fühlt sich an wie in einer Familie. Mit meinen Eltern oder meiner Schwester habe ich manchmal auch Meinungsverschiedenheiten. Weil ich mich geborgen fühle, traue ich mich, Veränderungen vorzuschlagen.

Sie werden als Ketzerin verschrien, erhalten von traditionellen Katholiken böse Zuschriften. 
Kritik hagelt es auch von den Liberalen, weil ich an der Kirche festhalte. Trotzdem werde ich immer aufstehen und meine Stimme erheben, bis Frauen Priesterinnen werden können. Ich lasse mich nicht mundtot machen, auch wenn das einige versuchen. Ich sehe mich als einen kleinen Hammer, der immer wieder an den Wänden des Vatikans klopft. Ich lege alles in Gottes Hände, er schickt mich dahin, wo ich sein soll.

Sie haben drei Bücher publiziert. Mit Boxen und dem Kampf um das Frauenpriestertum betreiben Sie gekonnt Eigenmarketing. 
(Lacht) Um Gottes willen, bei mir geht es definitiv nicht um Marketing. Es geht mir darum, dass ich Menschen für diese Thematik ansprechen möchte. Schon in meiner Jugend, als ich noch keine Berufung verspürte, fand ich Boxen cool. Angefangen habe ich dann mit 17 Jahren. Krass finde ich, dass im Boxclub die Gleichheit zwischen Frauen und Männern gelebt wird.

Glauben Sie ernsthaft, dass Sie eine weltweite Organisation mit 1,2 Milliarden Mitgliedern in ihren Grundfesten verändern können? 
Die Kirche hat oft Schwierigkeiten mit Veränderungen. Das ist mir bewusst. Zuerst wird bestimmt das Pflicht-Zölibat fallen müssen. Trotzdem setzte ich mich für meine Berufung ein. Vielleicht klappt es ja nicht, dass ich die erste Priesterin der katholischen Kirche werde. Dann kann ich immerhin sagen, dass ich auf diesem langen Weg einen Stein gelegt habe, wie viele Frauen vor mir. Und die Frauen nach mir ihre Berufung leben können.