
Zwei Aargauer Eigenmietwert-Beschwerden scheitern vor Bundesgericht
Als Rechtsvertreter von drei betroffenen Hauseigentümern in Bünzen und Rudolfstetten hat der Jurist Artur Terekhov zum Aargauer Eigenmietwert vor rund zwei Monaten zwei Beschwerden vor Bundesgericht eingereicht. Dies, nachdem die Beschwerden der Eigentümer gegen eine Eigenmietwerterhöhung abgelehnt worden waren, und sie auch beim kantonalen Spezialverwaltungsgericht und beim Verwaltungsgericht abgewiesen worden waren.
Es ging um eine Anfechtung der Eigenmietwert-Einschätzung für 2016, die in beiden Fällen zu einer Erhöhung geführt hatte. Terekhov argumentierte, der Aargau folge unstreitig dem System der Individualschätzung von Grundstücken. Es gebe weder in der Kantonsverfassung noch im kantonalen Steuergesetz eine Bestimmung, die eine Eigenmietwert-Anpassung per Dekret pauschal nach Wohngemeinde erlauben würde. Jenes Dekret sei «verfassungswidrig und hätte nie in Kraft treten dürfen», argumentierte er weiter. Es dürfe seines Erachtens auch nicht Basis für eine Übergangsregelung bilden.
Urteile des Bundesgerichts liegen bereits vor
Jetzt, schon zwei Monate nach Einreichung der beiden Beschwerden, liegt bereits der Entscheid des Bundesgerichts dazu vor. Es weist die Beschwerden ab. Es argumentiert, das Gesetz lasse im Aargau zu, dass der Grosse Rat die 60-Prozent-Grenze unterschreitet, sofern das Bundesrecht dies erlaubt. Das Bundesgericht habe aber jüngst wieder erkannt, der Eigenmietwert müsse im konkreten Fall diese Untergrenze wahren. Mit dem Anpassungsdekret habe der Aargauer Gesetzgeber die Eigenmietwerte auf 60 Prozent der Marktmiete angehoben, «die unterhalb der formell-gesetzlichen Vorgabe von 60 Prozent liegen». Diese Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts gebe «unter verfassungsrechtlichen Aspekten zu keinerlei Beanstandung Anlass», urteilt das Bundesgericht.
Das Verwaltungsgericht sei zum Ergebnis gelangt, heisst es im Urteil weiter, eine Eigenmietwertanpassung sei auch ausserhalb einer allgemeinen Neubewertung möglich. Diese Auslegung sei jedenfalls nicht verfassungsrechtlich unhaltbar.
Das sagt der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer
«Die Aargauer Kantonsverfassung verlangt eine ausdrückliche Kompetenz für ein nicht referendumsfähiges Dekret des Grossen Rates. Indem das Bundesgericht hierzu sagt, es sei nicht klar, was mit dem Adjektiv ‹ausdrücklich › gemeint sei, gibt es zu erkennen, dass es letztlich ein politisches Urteil fällt», meint Artur Terekhov. Wenig später sage es nämlich, im Aargau seien die Eigenmietwerte bereits länger verfassungswidrig tief, das heisst unter der 60Prozent-Grenze, was das Dekret rechtfertige. Terekhov kritisiert: «Damit heiligt in den Augen des Bundesgerichts offenkundig der Zweck die Mittel: Lieber ein fragwürdiges Dekret als gar keine Lösung.»
«Politisch mögen die Urteile nachvollziehbar sein», sagt Terekhov weiter. Die Eigenmietwerte im Aargau seien verglichen mit dem Kanton Zürich traumhaft tief. Allerdings, findet er, sei der rechtlich korrekte Weg, «dass man nicht bloss ein Dekret erlässt, sondern formell das kantonale Steuergesetz anpasst und die Bewertungsmechanismen ändert». Hiergegen könne sodann das Referendum ergriffen werden, womit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt blieben.
Aargau arbeitet an einer neuen Gesetzesregelung
Das Departement Finanzen und Ressourcen (DFR) nimmt zur Einschätzung von Artur Terekhov auf Anfrage nicht Stellung. Der Kanton Aargau nehme die beiden Bundesgerichtsentscheide zur Kenntnis, sagt DFR-Sprecherin Claudia Penta: «Die Beschwerdeführer haben im Veranlagungsverfahren bis vor Bundesgericht geltend gemacht, der Grosse Rat des Kantons Aargau hätte keine Kompetenz gehabt, das Anpassungsdekret zu erlassen. Das Bundesgericht wies die Beschwerden ab.» Doch wie geht es weiter? Das Dekret Eigenmietwert (Anpassungsdekret vom 24.11.2015) gelte weiterhin, so Penta, «bis zu einer neuen Gesetzesregelung, welche zurzeit erarbeitet wird».
Verwaltungsgericht gab im September Mieterverband recht
Schon am 16. September 2020 fällte das Verwaltungsgericht Aargau ein Urteil zum Eigenmietwert-Dekret. Es hiess ein Normenkontrollbegehren des Mieterinnen- und Mieterverbands Aargau gut. Es stellte fest, dass die Besteuerung der Eigenmietwerte im Kanton Aargau nicht verfassungskonform geregelt ist. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen Eigenmietwerte auf kantonaler Ebene mindestens 60 Prozent des Marktmietwerts betragen.
Hält eine kantonale Steuerordnung diese Vorgabe nicht ein, verstösst sie gegen die Bundesverfassung. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass, obwohl die Eigenmietwerte per 1. Januar 2016 angehoben wurden, ein erheblicher Teil davon im Aargau unterhalb von 60 Prozent der Marktmietwerte liegt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist abschliessend.