
20-Jähriger Hunzenschwiler will Im Ruderboot über den Atlantik
Das Wasser sei eigentlich nicht so seins. «Ich fahre lieber in die Berge in die Ferien als ans Meer», sagt Matthias Odermatt. Und doch befindet sich der 20-jährige Schreiner aus Hunzenschwil gerade mitten in den Vorbereitungen zum vermutlich grössten Abenteuer in seinem Leben, das hauptsächlich auf dem Wasser stattfinden wird.
Genauer gesagt auf dem offenen Atlantik, den Odermatt zusammen mit seinen drei Cousins in einem Ruderboot überqueren möchte. Auf diese Idee haben ihn seine Cousins Georg, Sebastian und Peider Stocker aus Wettingen gebracht.
Von den Kanaren in die Karibik
Georg, mit 26 Jahren der Älteste und Anführer im Boot, hatte 2017 fasziniert das Schweizer Ruderteam Swiss Mocean bei der Überquerung des Atlantiks aus der Ferne verfolgt und entschieden, dass er auch an diesem Rennen, der Atlantic Challenge teilnehmen wollte. 5000 Kilometer; von der kanarischen Insel La Gomera bis nach Antigua, dem Ziel in der Karibik. Das sind 1,5 Millionen Ruderschläge, die schnellsten schaffen es in knapp 30 Tagen, Proviant muss man für 90 dabeihaben.
Am Abend bevor ihn seine Cousins angefragt haben, hatte er noch einen Film über einen Schiffbrüchigen geschaut, froh darüber, mit beiden Füssen auf festem Boden zu sein. Einen Tag später kommt die Anfrage und Matthias Odermatt kann gar nicht anders, als ja zu sagen. Mit ihm ist das Viererteam «Helvetic Waves» komplett, ein Familienclan auf grosser Fahrt.
Er ist ein ruhiger Typ, freundlich, die Augen hellgrün. Dieses Jahr hat er seine Schreinerlehre abgeschlossen, arbeitet nun bei einem Bauunternehmen in der Region, im Moment gerade auf einer Baustelle in der Innerschweiz. Diese einmalige Chance, die ihm der Cousin präsentierte, wollte er sich nicht entgehen lassen. Dafür nimmt er sogar das Wasser in Kauf.
Rudern kann der Familienclan mittlerweile sehr gut: Peider Stocker (v.l.), Matthias Odermatt, Sebastian Stocker und Georg Stocker. © zVg
Wie seine Cousins hat auch Matthias Odermatt noch nie gerudert. Um das möglichst schnell zu ändern und sich körperlich optimal auf die Atlantic Challenge vorzubereiten, traten sie bei Projektbeginn, das war 2018, in den Ruderclub Baden ein. Und lernten schnell, wie fragil das Gleichgewicht dieser schmalen langen Boote war. «Niemals das Ruder loslassen», sagt Odermatt und lächelt.
Sonst ist die Balance gestört und das Wasser der Limmat bei Neuenhof sei eiskalt gewesen. «Auch die Steuerung ist sehr sensibel.» Am Anfang seien sie oft im Zickzack umhergefahren. Doch die Anfänger haben schnell gelernt, den Rhythmus gefunden, ohne sich zu zerstreiten.
Heidi kennt den Weg über den Atlantik schon
Das Boot, mit dem die vier jungen Männer den Atlantik überqueren wollen, heisst Heidi und kennt den Weg schon. Das Schweizer Frauenteam «Swiss Ocean Dancers» hat dieses Jahr erfolgreich die Atlantic Challenge absolviert. Matthias Odermatt und seine Cousins wollen das Boot für die Challenge 2021 mieten, momentan suchen sie noch einen Bootsplatz für Heidi, am liebsten am Vierwaldstätter- oder Zürichsee.
Heidi ist ein Hochseeboot, mit ihren 1,5 Metern Breite bei den meterhohen Wellen stabil, die auf dem Atlantik auf die Ruderer zurollen könnten. «Ich freue mich auf einen Sturm», sagt Odermatt, schon fast etwas übermütig. Vorne und hinten hat das Boot eine Schlafkabine. «Gerudert wird in Schichten von zwei Stunden, danach zwei Stunden Erholung. Rund um die Uhr.»
An Bord ist eine Wasseraufbereitungsanlage, pro Person wird pro Tag mit zehn Litern gerechnet. Das Essen kommt hauptsächlich aus Beuteln, die man mit heissem Wasser anrichtet. Odermatt hat zwei Frühstücksvarianten dabei, Baked Beans, «das sei fein, habe ich gehört», und Haferflockenbrei mit Apfel und Zimt, «nicht so meins». Aber bei diesen körperlichen Strapazen kann man wohl kaum wählerisch sein.
Die Familie wartet am Ziel auf die Söhne
Matthias Odermatt freut sich schon sehr auf den Start, er wäre am liebsten schon vor zwei Jahren gleich losgerudert. Doch die Erfahrungen auf und neben dem Wasser haben gezeigt, dass viel Vorbereitungszeit nötig ist. Sie sind auf Sponsorensuche und müssen sich noch mehr Kenntnisse für das Überleben auf dem Ozean aneignen. Meteorologie, Navigation unter den Sternen zum Beispiel. Bald geht es ins Trainingslager nach England. Was kommt ihm in den Sinn, wenn er an die einsamen Nächte denkt, die das Team durchrudern wird? «Ich bin ja nicht allein», sagt Odermatt pragmatisch.
Seine Mutter hätte zuerst schon mehr Bammel gehabt. Doch mittlerweile habe sie sich damit abgefunden. Neun Geschwister hat Odermatt, er ist der jüngste. Zum Abschied in La Gomera im Dezember 2021, wenn der gerade 22 Jahre alt gewordene Matthias Odermatt mit seinen Cousins in den Atlantik stechen wird, sei vermutlich niemand von der Familie dabei, das sei zu hart. Doch am Ziel werden sie warten, es ist ein grosser Familienurlaub geplant. Die Stocker-Cousins haben ebenfalls noch ein paar Geschwister. Matthias Odermatt lächelt, wenn er an die Ankunft in der Karibik denkt. Dann hat er so richtig etwas erlebt.