Aargauerinnen kündigen Frauenstreik an: «Wenn wir wollen, steht alles still»

DIE AKTIONEN IM AARGAU am 14. Juni

Um 12 Uhr finden in Aarau, Baden, Brugg, Lenzburg, Reinach, Rheinfelden, Rudolfstetten, Wohlen, Wittnau, Zofingen und Bad-Zurzach Streikmittagessenstatt.

Spätestens um 15.30 Uhr legen alle Frauen im Zeichen der Lohnungleichheit die Arbeit nieder. Es findet der Sitzstreik der Landfrauen und des Aargauischen Katholischen Frauenbunds auf dem Schlossplatz in Aarau statt. (Liege-)stühle mitbringen!

Um 16.45 Uhr ist – auch auf dem Schlossplatz – Besammlung.

Die Demo startet um 17.15 Uhr und endet um 18 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Schlossplatz. Es gibt Reden von Silvia Dell’Aquila, Sascha Rijkeboer, Ligia Vogt und Vroni Peterhans sowie Musik von Odd Beholder und Jessiquoi.

Am 14. Juni 1991 legten Zehntausende Frauen in der Schweiz ihre Arbeit nieder. Unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» gingen sie auf die Strasse. Die Gleichstellung der Geschlechter war damals schon seit zehn Jahren in der Bundesverfassung verankert. Die Realität sah dennoch anders aus – und sie tut es bis heute. Deshalb kommt es am 14. Juni – 28 Jahre später – zum zweiten nationalen Frauenstreik.

Zwar hat sich punkto Gleichstellung in den letzten Jahren einiges verbessert. Es wurden zum Beispiel der Mutterschaftsurlaub, das Splitting in der AHV oder die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch eingeführt. Vieles ist aber bis heute gleich geblieben. «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit», stand 1991 auf Transparenten der Streikenden. Die Forderung wird wohl 2019 wieder zu lesen sein. Noch immer erhalten Frauen weniger Lohn für die gleiche Arbeit. Es ist eine der Forderungen, die auch im Aargauer Manifest steht, welches das Komitee Frauenstreik Aargau am Montag vor den Medien präsentierte.

Breit abgestützte Bewegung

«Wir wollen eine Gesellschaft ohne Diskriminierung, ohne Sexismus und ohne Gewalt», sagt Lea Carucci vom Streiksekretariat. Feminismus betreffe nicht nur Frauenanliegen, sondern ziele auf eine gesamtgesellschaftliche Veränderung. Unter dem Motto «Wenn wir wollen, steht alles still» legen Frauen an diesem Tag nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die unbezahlte Arbeit nieder. Dem Aargauer Komitee hätten sich viele Privatpersonen und Organisationen angeschlossen, sagt Lea Carucci. So unterstützen zum Beispiel die Aargauer Landfrauen oder der katholische Frauenbund die Forderungen (siehe Texte rechts).
Auch solidarische Männer seien im Komitee dabei, sagt Lea Carucci. «Sie werden uns am 14. Juni aktiv unterstützen und die Arbeit übernehmen, die ihre Schwestern, Nachbarinnen oder Mütter nicht machen werden.» Neben der Demonstration in Aarau finden im Aargau am 14. Juni ein Sitzstreik oder Streikmittagessen statt.

Ein Teil der Forderungen im Manifest richtet sich an den Gesetzgeber. Er müsse «nun endlich tatsächliche Gleichstellung herstellen», sagt Sarah Thomas vom Streik-Komitee. Neben gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit werden die Einführung von Lohnkontrollen und Sanktionen im Gleichstellungsgesetz gefordert. Ausserdem streiken die Frauen für eine substanzielle Erhöhung der AHV im Tieflohnbereich und eine bessere soziale Absicherung in der beruflichen Vorsorge, insbesondere für Teilzeitbeschäftigte. Auch die Forderung nach einem Elternurlaub, von dem der Vater mindestens einen Monat bezieht, ist Teil des Manifests. Ebenso werden bedarfsgerechte Betreuungsangebote für Kinder und alte Menschen verlangt.
Diskriminierung findet aber auch im Alltag statt. Zum Beispiel beim Einkaufen: So gelten Tampons und Binden nicht als lebensnotwendige Güter, für die ein Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent gilt. Sie werden, wie Luxusgüter, mit 7,7 Prozent besteuert. «Wir fordern, dass die Luxussteuer aufgehoben wird», sagt Sarah Thomas. Weiter sollen Krankenkassen die Kosten von Verhütungsmitteln übernehmen. «Verhütung ist keine Frage des Einkommens, sondern sollte für alle verfügbar sein», sagt Sarah Thomas.

Sockelbeiträge für das Frauenhaus

Viele Forderungen zielen auf Veränderungen auf nationaler Ebene. Umso zentraler ist jene, die den Kanton Aargau betrifft. Das Streik-Komitee fordert Sockelbeiträge für das Frauenhaus Aargau-Solothurn. Die Stiftung schrieb 2017 ein Rekord-Defizit. Obwohl das Frauenhaus Hilfe suchenden Frauen und ihren Kindern jederzeit zugänglich sein muss, werden die Kantonsbeiträge pro belegtem Bett bezahlt. Sockelbeiträge, die unabhängig von der Belegung der Betten fliessen, wären eine Lösung für das Finanzproblem und würden auch bei schwankender Auslastung für Planungssicherheit sorgen. SP-Nationalrätin Yvonne Feri brachte Sockelbeiträge schon vor zwei Jahren ins Spiel – nun ist die Forderung Teil des Manifests.
Sarah Thomas schliesst mit einem Zitat der französischen Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir: «Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts.»