Andreas Glarner ist neuer Parteipräsident: «Die SVP Aargau ist ein Sanierungsfall, sie soll ein Leuchtturm werden»

Die Spannung im bis auf den letzten Platz besetzten Saal im Gasthof «Ochsen» war zum Greifen, als der abtretende Parteipräsident Thomas Burgherr um 22.42 Uhr das Wahlergebnis verkündete: «Mit 201 Stimmen gewählt ist Andreas Glarner.» Tosender Applaus. Dabei ging fast unter, wie Burgherr nachschob: «Rolf Jäggi erhielt 106 Stimmen.»

Im Vorfeld des gestrigen Parteitags in Lupfig galt parteiintern eher Rolf Jäggi als Favorit, weil Glarner als zu extrem galt, der eventuell SVP-Sympathisanten vertreiben könne. Doch es kam anders. Das zeichnete ab, je länger der Parteitag am Mittwochabend in Lupfig dauerte. Die Stimmung und die Voten im Saal kippten eindeutig zugunsten von Andreas Glarner.

Jäggi: «Ich kämpfe unermüdlich für die SVP »

In seiner  Bewerbungsrede schlug Rolf Jäggi einen erwartet gemässigten Ton an. Die SVP sei für ihn eine Herzensangelegenheit. Für diese kämpfe er unermüdlich. Es sei eine sehr kurze Zeit bis zu den Grossratswahlen im Herbst. Er wolle dafür kämpfen, die 45 Sitze zu verteidigen. Dazu brauche man jeden einzelnen SVPler, jede Ortspartei. Jäggi rief seine Parteikollegen auf: «Wir müssen wieder lernen zusammen zu chrampfen.» Die SVP müsse auch glaubwürdig bleiben und die anderen bürgerlichen Parteien ins Boot holen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Er sei topmotiviert die SVP Aargau zu führen.

Glarner: «Die SVP ist ein Sanierungsfall»

Andreas Glarner sprach nach Jäggi und versprach nicht zuviel mit seiner angekündigten «Brandrede». Glarner kam gleich zur Sache und mahnte seine Parteikollegen, dass es nicht so weiter gehen könne.

«Die SVP ist ein Sanierungsfall», sagte Glarner. «Ja, wenn man jeden fünften Kunden verliert, also Wähler, ist man ein Sanierungsfall.» Glarner machte klar: Die nationalen Themen seien entscheidend, auch bei den Grossratswahlen. Es gebe kaum kantonale Themen, die im Sorgenbarometer der Schweizer wirklich wichtig seien.

Glarner kritisierte Parteikollege Werner Laube, ohne dessen Namen zu nennen, der ihn in einem AZ-Artikel als «Imageproblem für die SVP» bezeichnet hatte. Glarner griff auch die Medien an: «Wir machen unseren Job nicht richtig, wenn die Medien uns plötzlich lieben würden.» Glarner nannte und kritisierte explizit auch die AZ. Im Gegensatz zu Jäggi nahm Glarner auf Vorbild Christoph Blocher Bezug. Nur dank ihm sei die SVP heute so stark. Glarner versprach, als Präsident die SVP Aargau zum «Leuchtturm für andere SVP-Sektionen in der Schweiz zu machen». Glarner Szenenapplaus. «Sie werden es keinen Tag bereuen, wenn Sie mir die Stimme geben.»

Glarner und Jäggi mussten nach ihren Voten und einer kurzen Fragerunde den Saal verlassen, während die Delegierten ohne sie weiterdiskutierten. Der  Delegierte Naveen Hofstetter stellte zudem den Antrag, die Medien sollten für die Diskussion ebenfalls den Saal verlassen, damit man offen diskutieren könne. Der Antrag wurde aber allerdings klar abgelehnt.

In der Debatte meldeten sich dann mehrheitlich Glarner-Anhänger. Er habe den Mut, auf den Tisch zu hauen, auf ihn höre man, hiess es. René Bodmer, Bezirksparteipräsident Bremgarten, rief die SVPler auf: Es sei wohl klar, wen man wählen müsse, wenn man die beiden Reden gehört habe.

Zugunsten von Rolf Jäggi votierte unter anderem Dölf Egli, ehemaliger Gemeindeammann von Schafisheim. Die SVP brauche einen Grossrat als Präsident, nicht einen, der in Bern oben politisiere. Populismus helfe nicht, die Wahlen im Aargau. Rolf Jäggi sei sachlich und kompetent und darum der richtige.

Burgherr nennt Gründe für die Wahlniederlage

Vor der Wahl des neuen Parteipräsidenten verabschiedete die SVP Thomas Burgherr nach acht Jahren als Parteichef mit einer Standing Ovation. Burgherr ging in einer Schlussrede vor allem auf das  letzte Jahr ein und zeichnete «ein durchzogenes Bild». Er tat dies mit 38 Grad Fieber, wie er zu Beginn sagte. Das Wahlresultat lasse sich nicht schönreden, so Burgherr. Im Aargau habe man noch mehr als national verloren, nämlich 6,5 Prozent.  Burgherr betonte gleichzeitig, dass die SVP immer noch die klar stärkste Partei sei.

Die Gründe für die Verluste sieht Burgherr zum einen der Klimabewegung. Zu denken geben müsse der SVP aber vor allem die tiefere Wahlbeteiligung bei ihrer Kernwählerschaft in den ländlichen Gemeinden. Schliesslich verschwieg Burgherr auch die «schlimme Situation mit Frau Roth» nicht als möglichen Grund für die Wahlverluste. Der abtretende Präsident wollte aber nicht negativ schliessen und unterstrich die Wahl von Hansjörg Knecht in den Ständerat und Jean-Pierre Gallati in den Regierungsrat als grossen SVP-Erfolg. Burgherr machte seinen Parteifreunden Mut: «Personell war die SVP noch nie so stark wie heute.» Burgherr sagte zum Schluss seines letzten Auftritts als Parteipräsident, er habe den Rücktritt schon länger beschlossen. Er habe das Amt sehr gerne ausgeübt, er würde es nochmals machen, so Burgherr.