
«Ein Affront!»: Aargauer Gewerbler wütend auf Regierungsrat – sie verlangen Aufhebung der Ladenschliessungen
Die kurzfristige Ankündigung des Regierungsrates am Freitagabend, die meisten Läden ab Montag zu schliessen, hat das Aargauer Gewerbe auf dem falschen Fuss erwischt. Atmeten einige Ladenbesitzer nach der Bundesratssitzung noch auf, weil dieser nur eine Beizenschliessung ab Dienstag beschloss, kam für sie einige Stunden später der Schock: Gemäss Regierungsrat werden Einkaufsläden geschlossen, exklusive Läden, die Lebensmittel oder andere Güter des dringenden und täglichen Bedarfs verkaufen. Das gilt bis 22. Januar.
Übers Wochenende liefen die Drähte zwischen Betroffenen und dem Aargauischen Gewerbeverband deshalb heiss. «Wir haben innert Stunden enorm viele Anfragen bekommen», sagt Adrian Schoop, Obmann der Gewerbegruppe im Verband. Gewerbetreibende sind offenbar stark verunsichert, weil sie nicht wissen, wie genau sie betroffen sind, wie sie die Massnahmen umsetzen müssen und welche Regelungen nun gelten.
- Ein Babyladen hat aufgrund dieser Regelung das Geschäft am Samstag auf Abholdienst umgestellt und dann in einem Beitrag von Tele M1 gesehen, dass die Kantonsärztin Kinderwägen unter täglichen Bedarf zählt und darum Babyläden doch offen bleiben dürfen. «Wir müssen unser Verkaufslokal jetzt also erneut umstellen und die Kunden neu informieren», ärgert sich ein Ladenbesitzer.
- Eine Blumenverkäuferin weiss nicht, ob sie nur Blumen verkaufen dürfe oder auch Deko- und Geschenksartikel, die sie im Laden ebenfalls anbietet.
- Garagisten melden sich, die nicht wissen, was sie ihren Kunden sagen sollen, weil die Regelung ihnen unklar erscheint.
- Kleinere Ladenbesitzer wiederum finden es ungerecht, dass sie schliessen müssen, grosse Baumärkte aber nicht.
Gewerbe-Obmann Schoop, der als Grossrat für die FDP politisiert, bezeichnet das Vorgehen des Regierungsrates als «unseriös». Der Regierungsrat habe nur eine Stunde nach dem Bundesrat den Aargauer Alleingang beschlossen, statt eine saubere Lagebeurteilung zu machen und sich mit anderen Kantonen abzusprechen. Der Regierungsrat soll diesen «Schnellschuss» in einer Sondersitzung korrigieren.
Schoop versichert: «Bei einem schweizweiten Lockdown wäre der Gewerbeverband nicht aktiv geworden.» Es sei wichtig, die Corona-Pandemie einzudämmen. «Aber doch nicht so», findet Schoop und warnt vor Einkaufstourismus in andere Kantone.
Von praktisch jeder Aargauer Gemeinde könne innert kürzester Zeit ein Einkaufszentrum in einem anderen Kanton erreicht werden, betont Schoop. Es sei absehbar, dass die Konsumentinnen und Konsumenten über die Kantonsgrenzen hinauspendeln werden, um ihre Weihnachtseinkäufe in letzter Minute noch erledigen zu können.
Kritik an Gallatis Kurswechsel
Der Aargauische Gewerbeverband ist «irritiert über den drastischen Kurswechsel und die verschärften Massnahmen der Aargauischen Regierung». Damit spielt der Verband auf Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati an, der unlängst noch betont hatte, der Aargau habe die Lage im Griff und es gäbe keinen Anlass für voreilige, weitergehende Massnahmen.
Mitte letzte Woche drehte der Wind. Aufgeschreckt durch die steigenden Fallzahlen und die angespannte Situation in den Aargauer Spitälern kündigte Gallati an, selber Massnahmen zu ergreifen und diese möglichst rasch umzusetzen, wenn der Bundesrat zögert. Am Freitagabend machte der Regierungsrat in einer Mitteilung dann klar, dass der Kanton aufgrund der epidemiologischen Lage nicht mehr um die beschlossenen Massnahmen herumkomme.
Der Gewerbeverband verlangt nun vom Regierungsrat, die Kosten der Ladenbesitzer für die eben noch teuer erstellten und angepassten Schutzkonzepte zu übernehmen. Der Streit ums Geld dürfte sich in den nächsten Wochen generell verschärfen. Es sei wichtig, dass die Entschädigungen für Härtefälle unkompliziert fliessen würden und damit der Liquiditätsbedarf der Firmen gedeckt werden könne, so der Gewerbeverband.
Schon am 5. Januar wird der neu zusammengesetzte Grosse Rat das Thema Corona-Härtefälle behandeln.