
Kantonsärztin Yvonne Hummel: «Das wöchentliche Testen führt zu weniger Hektik und weniger Quarantäne»
Das Pilotprojekt mit regelmässigen Tests hat gezeigt: Der Anteil positiver Proben ist extrem klein. In der Kanti Zofingen zum Beispiel wurde in sechs Wochen ein Fall entdeckt. Warum lohnt sich der Aufwand trotzdem?
Yvonne Hummel: Es stimmt, dass – schweizweit betrachtet – nur etwa 0,2 Prozent aller Proben positiv sind. Wenn wir im Aargau aber bald jede Woche 200’000 Personen testen, sind das 400 Infizierte pro Woche, die wir so entdecken, und zwar frühzeitig. Wenn wir die infizierten Personen rasch isolieren, können wir Infektionsketten früh unterbrechen und verhindern, dass sich das Virus weiterverbreitet.
Welche anderen Vorteile haben regelmässige Tests?
Sie sorgen in den Schulen und Firmen für eine bessere Planbarkeit. Bisher gab es immer eine grosse Unruhe, wenn in einer Schule oder Firma jemand positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Während des Pilotprojekts haben wir gesehen, dass das wöchentliche Testen zu weniger Hektik und weniger Quarantäne führt, weil die Abläufe klar und eingespielt sind.
Warum führen regelmässige Tests zu weniger Quarantäne?
Wir haben im Rahmen des Pilotprojekts entschieden, dass wir keine Quarantäne mehr verfügen, auch wenn es in einer Schule oder Firma mehrere Coronafälle gibt. Dieses Vorgehen hat sich bewährt. Sprich: Wir hatten in einer Woche zwar mehrere positive Tests an einer Schule, aber in der darauffolgenden Woche waren nicht sehr viele Personen in der Schule oder Firma positiv. Das zeigt, dass es uns gelungen ist, Infizierte zu identifizieren und isolieren, bevor sie viele weitere Personen anstecken konnten.
Die Speichelproben werden zu Pools zusammengemischt. Wenn ein Pool positiv ist, müssen alle Personen in diesem Pool noch einmal einzeln getestet werden. Das dauert eine gewisse Zeit. Müssen diese Personen in Quarantäne auf das Testresultat warten?
Gemäss den Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wurde im Pilotprojekt bei einem positiven Pool für alle Pool-Teilnehmer eine Quarantäne verfügt, bis die Resultate der Einzeltests vorhanden waren. Zwischenzeitlich hat das BAG diese Vorgaben geändert und den Entscheid für die konkrete Umsetzung den Kantonen überlassen. Im Rahmen des Pilotprojektes zeigte sich, dass es zu keinen gravierenden Infektionsausbrüchen in Institutionen kam, auch wenn mehrere positive Pools auftraten. Aus diesem Grund ist die Quarantäne, bis die Resultate der einzelnen Personen vorliegen, nicht mehr notwendig. Zwingend ist aber, dass alle getesteten Personen innerhalb eines positiven Pools bis zum Erhalt ihres Laborergebnisses die Abstands- und Hygienemassnahmen strikt einhalten und auf alle engen Kontakte zu anderen Personen verzichten. Ihre Arbeitstätigkeit oder Teilnahme in der Schule können sie mit konsequenter Einhaltung der Schutzkonzepte problemlos weiterführen.
Die Teilnahme an den Tests ist freiwillig. Können auch Schulen und Firmen teilnehmen, wenn sich abzeichnet, dass sich nicht einmal die Hälfte der Angestellten oder Schulkinder testen lassen will?
Selbstverständlich muss man sich fragen, ob es sinnvoll ist, wenn sich beispielsweise nur 20 Prozent testen lassen wollen. Ich würde auch nicht ausschliessen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt eine Zugangslimite geben könnte, aber aktuell gibt es keine. In einem ersten Schritt wollen wir erreichen, dass möglichst viele teilnehmen und alle die Möglichkeit haben, mitzumachen.
Sind Sie zuversichtlich, dass die Schulen und Firmen im Aargau mitmachen werden?
Ich spüre eine grosse Bereitschaft und glaube daran, dass mit der Zeit immer mehr Institutionen mitmachen werden, wenn sie sehen, dass die Prozesse funktionieren. Die Schulen hatten im Pilotprojekt übrigens eine sehr hohe Teilnahmequote von fast 70 Prozent. Damit rechnen wir auch im Hauptprojekt. Letztlich müssen wir diese Pandemie gemeinsam bekämpfen. Jede und jeder muss einen Beitrag leisten – zum Beispiel, indem man sich in der Schule oder in der Firma einmal pro Woche testen lässt.
Die Zahl der Tests wird über mehrere Wochen stetig gesteigert. Wie wählen Sie aus, wer früher und wer erst später teilnehmen kann?
Wir können natürlich nicht von heute auf morgen 200’000 Personen testen. Ziel ist es, dass wir Ende Mai 100’000 Personen pro Woche testen und Ende Juni 200’000. Wir wissen, dass vor allem die mobilen Personen das Virus weiterverbreiten, da sie viel mehr soziale Kontakte haben. In den Schulen sind das eher die Oberstufenschüler und nicht die Kindergartenkinder. Deshalb beginnen wir bei den Oberstufen und allgemein bei den grossen Schulen im Kanton. Bei den Firmen ist es ähnlich: Auch dort wollen wir in einem ersten Schritt die grossen Betriebe mit vielen Mitarbeitenden erreichen.
Lohnt sich für Firmen mit nur wenigen Mitarbeitenden der Aufwand?
Es ist ein Aufwand, das stimmt. Kleine Firmen könnten alternativ zu den Speicheltests auch mit einer Apotheke oder einem Arzt in der Region zusammenspannen und ihre Mitarbeitenden dort einmal pro Woche mit einem Antigen-Schnelltest testen lassen. Der Bund würde auch die Kosten für diese Tests übernehmen, wenn das Unternehmen mir ein Testkonzept zur Bewilligung vorlegt.
Philipp Grolimund, Präsident des Schulleiterverbands, sagte letzte Woche zur AZ, er hoffe, dass dank der Tests vielleicht bald die Maskenpflicht an Schulen aufgehoben wird. Steht das zur Debatte?
Das regelmässige Testen ist sicher nicht der einzige Faktor, der entscheidend sein wird bei der Frage, ob die Maskenpflicht aufgehoben wird. Grundsätzlich werden wir alle noch sehr lange eine Maske tragen müssen. Aus dem einfachen Grund, dass es ein kleiner Einschnitt mit grossem Nutzen ist.
Aber Sie schliessen nicht aus, die Maskenpflicht an Schulen bald zu lockern, wie es eine Petition mit 3500 Unterschriften verlangt?
Solche Entscheide fällt das Departement Bildung, Kultur und Sport in Absprache mit mir. Aber zuerst muss das repetitive Testen richtig funktionieren. Die Maskenpflicht in Schulen führte zu weniger Klassenquarantänen und Schulschliessungen. Wenn es einen positiven Fall in einer Klasse gab, schickten wir dank der Maskenpflicht in den Schulzimmern und auf dem gesamten Schulareal nicht die ganze Klasse in Quarantäne.