Corona-Demonstranten geben nicht auf: «Unser Gesuch wurde ohne plausiblen Grund abgelehnt»

In Wettingen, wo die Finanzpolitik ziemlich tiefe Gräben zwischen die Parteien gerissen hat, passiert dies selten: Alle Fraktionen sind gleicher Meinung – und zudem voll des Lobes für den Gemeinderat. Dieser hat ein Kundgebungsgesuch des «Aktionsbündnisses Aargau-Zürich für vernünftige Coronapolitik» für den 8. Mai abgewiesen. Die Begründung: Die Maskenpflicht könnte ab einer gewissen Zahl von Kundgebungsteilnehmenden nicht durchgesetzt werden. Auch in Aarau wurde das Gesuch abgelehnt.

Offen war bisher, wie das «Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Coronapolitik» auf die verweigerte Bewilligung in Wettingen und Aarau reagiert. Markus Häni, der Sprecher des Komitees, stellte für Mittwoch eine Mitteilung dazu in Aussicht. Bis Redaktionsschluss ging diese nicht ein, doch am späten Abend wurde dann klar: Die Organisatoren wollen das Nein nicht akzeptieren. Sie teilten auf Facebook und Instagram mit: «Unser Gesuch wurde ohne plausiblen Grund abgelehnt. Wir geben nicht auf und reichen Beschwerde ein.»

In Wettingen stellt sich die Frage: Ist der Entscheid des Gemeinderats richtig? Oder hätten Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht höher gewichtet werden müssen? Die Meinung ist klar, wobei unterschiedliche Argumente für das Nein zur Coronademo genannt werden. Sogar die SVP – von der Vertreter in anderen Städten an Demonstrationen gegen die Coronapolitik teilnahmen – steht hinter dem Gemeinderat. Einwohnerrat Martin Fricker kommentiert:

«Der einzig richtige Entscheid, absolut nachvollziehbar und vernünftig. Es hätte bei uns gar keinen geeigneten Platz für eine Demonstration.»

Und er gehe davon aus, dass sich viele Demonstranten nicht an die Maskenpflicht gehalten hätten. Das möchte ich nicht in unserer Gemeinde», sagt Fricker.

Judith Gähler, FDP Wettingen

Judith Gähler, FDP Wettingen

André Urech Fototografie,zvg / BAD

Auch Judith Gähler (FDP) ist zufrieden:

«Der Gemeinderat hat ein Zeichen gesetzt und klar und deutlich Stellung bezogen und damit aus meiner Sicht richtig gehandelt.»

Um sich frei äussern zu können und seine Meinung zu vertreten, brauche es bei uns keine Demonstration. «Es gibt in unserer direkten Demokratie viele andere Wege, sich in Zeiten einer Pandemie Gehör zu verschaffen. Zum Beispiel, in dem man sich politisch engagiert», sagt Judith Gähler.

Einwohnerrats-Vizepräsident Lutz Fischer-Lamprecht (EVP) findet es «absolut verständlich und nachvollziehbar», dass das Gesuch der Demonstranten abgelehnt wurde.

Lutz Fischer-Lamprecht.

Lutz Fischer-Lamprecht.

«Wenn ich mir die Bilder von Liestal oder Wohlen in Erinnerung rufe: Das sind Szenen, die ich in Wettingen nicht sehen will.»

Im Grundsatz halte auch er das Versammlungsrecht für ein hohes Gut, die Erfahrung zeige aber, dass bei solchen Veranstaltungen die Coronamassnahmen nicht eingehalten werden. Das Nein vom Gemeinderat hat Fischer-Lamprecht erwartet. Er denkt auch, dass im Falle einer Anfechtung der Regierungsrat gleich entscheiden würde. Fischer-Lamprecht hofft, dass es nun keine nicht-genehmigte Demonstration gibt und er stellt auch das Thema Kosten in den Raum. «Wer hätte im Fall einer Demonstration die Kosten übernommen?» Bei der angespannten Finanzlage der Gemeinde sei das immer ein schwieriges Thema.

Mia Gujer.

Mia Gujer.

Auch Mia Gujer, Co-Präsidentin der Fraktion SP/WettiGrüen, begrüsst den Entscheid des Gemeinderats. Aus ihrer Sicht böte Wettingen gar nicht die Infrastruktur, um 8000 Personen demonstrieren zu lassen. «Wo hat es genügend mobile Toiletten oder Parkplätze?», fragt sie. Auch vermutet Gujer, dass es zu einer Gegendemonstration gekommen wäre. «Dann wäre das Chaos in Wettingen perfekt gewesen.» Natürlich befürworte auch sie die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht, «aber wenn man schon im Voraus weiss, dass von den Demonstranten die Coronamassnahmen kaum eingehalten werden, macht die Ablehnung des Gesuchs absolut Sinn». Christian Wassmer (CVP) sagt: «Ich habe keine Kenntnis des Antrags und kenne die Ablehnungsbegründung des Gemeinderats nicht. Aber ich habe Vertrauen in unseren Gemeinderat. Grundsätzlich gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, daran zu zweifeln, dass er den richtigen Beschluss gefasst hat.»

Für den Gemeinderat Wettingen ist zentral, dass es aufgrund der anhaltend angespannten epidemiologischen Lage jetzt wichtiger denn je ist, dass die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie konsequent eingehalten werden, wie er in der Mitteilung zu Beginn dieser Woche mitteilte. Auch in der Stadt Aarau wird es am 8. Mai keine bewilligte Coronademo geben, wie Daniel Ringier, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt, Anfang Woche gegenüber der AZ erklärte.