
Der grösste Aargauer Hotel-Unternehmer verrät: «Der Lockdown kostet uns jeden Monat eine Million Franken»
Herr Kasper, die Kasper Group hat eine namhafte Beteiligung an der Bellavista Gruppe und den «Aargau Hotels» mit rund zwanzig vornehmlich Schweizer Hotel- und Gastrobetrieben. Haben Sie in der aktuellen Krisensituation überhaupt noch Gäste?
Rolf Kasper: Leider zu wenig. Die Betriebe der Aargauhotels haben im Lockdown ein Minus von 50 bis 70 Prozent zu verzeichnen. Bei den in den Ferienhotels sind es 25 bis 40 Prozent weniger als in den Vorjahren. Verteilt auf das ganze Jahr haben wir ein Umsatzminus von rund 40 Prozent gegenüber den Vorjahren. Das heisst: Wir schreiben tiefrote Zahlen, trotz Pandemieversicherungsbeiträgen. Dank Coronakrediten ist die Liquidität glücklicherweise noch intakt.
In welchen Betrieben läuft etwas und worauf führen Sie das zurück?
Das Hotel Rigi Kaltbad mit dem Wellnessbad von Mario Botta war für Hotelgäste immer offen, ebenso das Schlosshotel Bad Ragaz. Beide Hotels haben vielseitige Angebote mit Wellness und Sport.
Gehen Bund und Kanton zu hart um mit Ihrer Branche, fühlen Sie sich als Hotel-/Gastro-Unternehmer als Prügelknabe?
Auf jeden Fall. Es gibt keine Beweise, dass wir (in der Schweiz) Verursacher von Ansteckungen sind. Zwar gibt es vom Bund Härtefallentschädigungen, deren Auszahlung ist jedoch mit einem hohen Aufwand und viel Geduld verbunden. Hingegen hat der Kanton Aargau die Fixkostenbeiträge rasch ausbezahlt.
Wie viel Geld verlieren Sie als Hotel-/Gastrounternehmer pro Monat wegen des Lockdowns?
Jeder Mitarbeiter bereitet uns ungedeckte Kosten (Ferien und Lohnnebenkosten) von 500 Franken bis 1000 Franken pro Monat. Hinzu kommen die (glücklichweise reduzierten) Mietkosten, Strom, Wasser, Versicherungen und Unterhalt. Der Lockdown kostet die ganze Gruppe mit Vollkosten gerechnet rund eine Million Franken pro Monat. Wir waren und sind auf jeden Fall bereit, vor und nach dem Lockdown die allgemeinen Covid-Vorschriften einzuhalten. Die dadurch entstanden Umsatzverluste und zusätzlichen Kosten werden wir selber tragen müssen. Im allerbesten Fall werden wir am Schluss ein ausgeglichenes Resultat erreichen.
«Aargau Hotels» hat eben in Brugg-Windisch das Hotel Centurion-Tower mit 66 Zimmern eröffnet. Kurz zuvor gaben Sie die Schliessung des Hotels Lenzburg (21 Zimmer) bekannt. Das mutet etwas widersprüchlich an. Ist die Schliessung in Lenzburg nicht zu verhindern gewesen?
Das war eine Kostenfrage, aber glauben Sie mir, der Entscheid zur Schliessung wurde nicht leichtfertig oder aus finanziellen Optimierungsgründen getroffen. Natürlich kann man ein Haus beliebig lang betreiben, wenn man bereit ist, Geld einzuschiessen. Im Hotel Lenzburg wären zum bereits recht hohen aufgelaufenen Verlust in den nächsten Jahren zusätzlich noch mehrere hunderttausend Franken dazu gekommen.
In Beinwil am See wird ein neuer Betrieb realisiert. Wie hoch ist die Investition?
Wir bauen ein Apartmenthotel mit 25 Apartments. Die Investitionen in das künftige Aparthotel Beinwil betragen rund fünf Millionen Franken.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten: Würden Sie das Expansionstempo der Gruppe angesichts der Coronaentwicklung trotzdem beibehalten?
Es ist müssig, zurückzuschauen, es ist geschehen. Ich kann Ihnen einfach das sagen: Diese Pandemie beeinflusst meine Entscheidungen bezüglich der Expansion. Seit März 2020 wurden keine neuen Projekte gestartet, die zugesagten werden wir jedoch realisieren.
Die Branche gibt sich kreativ: Die Hotels schnüren Angebote mit Übernachtungen und Halbpension und können so die Restaurants zumindest teilweise auslasten. Haben die Hotelbetriebe der Kasper-Gruppe ähnliche Angebote gemacht?
In den Ferienregionen ist das ein gängiges, legitimes Geschäftsmodell, in der Stadthotellerie eher die Ausnahme. Das war am Valentinstag so und ist auch für die Ostertage geplant. Beispielsweise ist es eine gute Möglichkeit, um einen Teil der Lernenden zu beschäftigen.
Was passiert mit jenen Lernenden, die in den Betrieben nicht beschäftigt werden können?
Im Hotel Aarehof in Wildegg haben wir eine interne Ausbildungsstätte eingerichtet. Von unseren insgesamt vierzig Lernenden sind jeweils 15 bis 20 dort. Sie werden geschult, praktisch ausgebildet und gut auf die Abschlussprüfung vorbereitet.
Sie sprechen von drohender Armut, welcher die Angestellten in der Branche bedingt durch Corona ausgesetzt sind. Als Beispiel nennen Sie ein Monatsgehalt von 4500 Franken, das durch die Kurzarbeit auf 3600 Franken schrumpft. Welche Schritte sind hier nötig?
Bis zu einem Monatslohn von 4500 Franken müsste die Kurzarbeitsentschädigung bei 90 oder gar 100 Prozent angesetzt werden.
Am Freitag wird der Bundesrat über neue Öffnungsschritte informieren. Welche Erwartungen haben Sie?
Ich wurde so viele Male enttäuscht, dass ich keine Erwartungen mehr habe. Doch, etwas würde ich in diesem Fall erwarten: Dauert die zwangsweise Schliessung weiter an, dann sollte eine kostendeckende Entschädigung für den entstanden Verlust ausgerichtet werden. Das entspricht etwa 30 Prozent des entgangenen Umsatzes (15 Prozent der Lohnkosten für die Lohnnebenkosten und Ferien, 50 Prozent der Mieten, und für die Strom und Heizkosten und für den notwendigsten Unterhalt).
Welche Befürchtungen haben Sie, wenn der Bundesrat sich dem Ruf der Gastrobranche verschliesst, die Öffnungen auf breiter Ebene verlangt?
Ich fürchte, dass es noch mehr Konkurse geben wird. Das Jahr 2021 mit bereits drei Monaten Lockdown wird auch bei bestem Umsatzverlauf in den restlichen neun Monaten tiefrote Spuren hinterlassen. Hinzu kommt, dass den Unternehmen die Liquidität fehlen wird. Die Pandemieversicherungen haben einmalige Beträge bezahlt. Einfach neue Kredite aufnehmen, schafft neue Schulden. Das ist auch nicht zielführend. Eines müssen wir uns bewusst sein: Gemeinsam mit anderen Touristikern und einem Teil der Fachhändler verlieren wir die Reserven der letzten zehn Jahre. Und was noch schlimmer ist: Die kommenden zehn Jahre sind mit Coronakrediten bereits so stark belastet, dass keine grosse Hoffnung auf eine bessere Zukunft besteht.
Die Kasper Group
Die Kasper Group besteht aus vier Bereichen: Wohn- und Gewerbeimmobilien, Möbelfabrikation & -handel, Hotel & Gastronomie sowie Sport und Wellness. Die Nachfolge ist geplant und aufgegleist. Kaspers 36-jähriger Neffe Manuel Fischer ist für die Führung der Immobilien und des Hotel- und Gastrobereichs mit den «Aargau Hotels» und der Bellavista Gruppe vorgesehen. Aktuell besteht noch eine Co-Leitung.