
Pilot mit Brasilien-Mutation infiziert: Sein Aargauer Kollege im Cockpit wurde vom Contact Tracing nicht kontaktiert
Stefan K. (Name geändert) ist Pilot bei der Swiss – kürzlich kehrte der Aargauer von einem Flug aus Brasilien in die Schweiz zurück. Mit ihm im Cockpit des Flugzeugs sassen zwei Kollegen: ein weiterer Aargauer und ein Pilot, der in Deutschland lebt. Dieser musste sich für die Einreise in sein Heimatland testen lassen, denn Deutschland hat Brasilien als sogenanntes Virusvarianten-Gebiet eingestuft.
Ein paar Tage später erhielt Stefan K. eine Meldung seiner Swiss-Covid-App, dass er möglicherweise mit einer infizierten Person in Kontakt gekommen sei. Kurz darauf rief ihn sein deutscher Pilotenkollege an und teilte ihm mit, dass er Coronasymptome habe und positiv getestet worden sei. Später sollte sich herausstellen, dass sich der Pilot mit der brasilianischen Mutation des Virus infiziert hatte, die als deutlich ansteckender gilt, als die bisherige Form.
Pilot und Swiss meldeten positiven Test umgehend
Der deutsche Pilot meldete den positiven Test seinem Vorgesetzten, dieser gab die Information umgehend weiter ans Contact Tracing des Kantons Zürich. Dieses ist zuständig, weil der Flughafen Kloten auf Zürcher Kantonsgebiet liegt.
Der Vorgesetzte informierte Stefan K. darüber, dass wohl noch am gleichen Tag vom Contact Tracing entschieden werde, wie weiter vorgegangen werde und ob wegen der möglichen Virusmutation Quarantäne für alle drei Piloten notwendig sei.
Doch nichts geschah, erst am übernächsten Tag erhielt der Vorgesetzte der Piloten vom Zürcher Contact Tracing einen Anruf. «Sie sagten ihm, man empfehle Quarantäne für die ganze Cockpit-Besatzung und werde den Kanton Aargau per Eilmeldung informieren», erzählt Stefan K.
Contact Tracing rief den ersten Aargauer Piloten nach vier Tagen an
Zwei weitere Tage später – inzwischen waren seit dem positiven Test beim deutschen Piloten schon vier Tage vergangen – meldeten sich endlich die Contact-Tracer aus Aarau bei ihm. «Eine Frau fragte mich, wie es mir in der Quarantäne gehe», erinnert sich Stefan K.
Er antwortete: «Ich bin nicht in Quarantäne, weil ich bisher noch von keiner offiziellen Stelle kontaktiert und informiert wurde.» Die Contact-Tracerin habe ihn dann umgehend angewiesen, sich sofort in Quarantäne zu begeben und in Aussicht gestellt, ihm rasch eine Verfügung zu schicken.
Der zweite Aargauer Pilot hat bisher nichts gehört vom Contact Tracing
Diese hat Stefan K. bis heute nicht bekommen – und der zweite Aargauer Pilot, der mit ihm und dem corona-infizierten Deutschen von Brasilien zurück in die Schweiz flog, wurde bisher noch nicht einmal vom Contact-Tracing angerufen.
«Das irritiert mich sehr, zumal immer wieder vor den Mutationen gewarnt wird und bei meinem Kollegen genau jene Mutation in der Zwischenzeit festgestellt wurde», sagt der Pilot. Er verstehe nicht, warum das Contact Tracing hier nicht rascher und entschiedener handelte.
Stefan K. und dem anderen Aargauer Piloten geht es gut, beide haben keine Symptome und die medizinische Abteilung der Swiss geht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass die beiden sich angesteckt haben. Einerseits, weil der letzte Kontakt mit ihrem Kollegen mehr als zwei Tage vor Symptomausbruch war, andererseits weil der Kollege am Ankunftstag in Zürich noch einen negativen Coronatest gemacht hatte.
Piloten tragen im Cockpit keine Schutzmasken
«Wir haben unser Schutzkonzept im Cockpit eingehalten, waren während des Aufenthalts in Brasilien nur im Hotel, aber ganz ausschliessen lässt sich eine Infektion eben doch nicht», sagt Stefan K. dazu. Masken tragen die Piloten im Cockpit nicht, wie Kilian Kraus, der Präsident des Cockpit-Personalverbands, kürzlich in einem Interview sagte.
«Das wäre ein Sicherheitsrisiko, denn die Kommunikation zwischen den Piloten geschieht auch über die Mimik», erklärte er. Im Cockpit würden die Knöpfe desinfiziert, zudem müssten die Piloten vor manchen Flügen einen Coronatest machen. «So hat man eine gewisse Sicherheit, dass der Cockpit-Partner nicht infiziert ist. Aber klar, sicher ist nichts», räumte Kraus ein.
Gesundheitsdepartement: Meldung aus Zürich erst nach sechs Tagen
Zurück zum aktuellen Fall, der einige Fragen zum Umgang des Kantons mit Virusmutationen aufwirft. Warum wurde der eine Pilot nicht zu einem Test aufgeboten und der zweite gar nicht kontaktiert, obwohl beide nachweislich engen Kontakt mit einem dritten Piloten hatten, bei dem die brasilianische Mutation festgestellt wurde?
Als die AZ beim Aargauer Gesundheitsdepartement anfragt, teilt eine Sprecherin mit, der Aargau setze die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit um.
«Personen, die sich mit einer Virusmutation infiziert haben, befinden sich in Isolation, Kontaktpersonen in Quarantäne.»
Dies ist im Fall des zweiten Aargauer Piloten, der mit dem deutschen Kollegen im Cockpit sass, nachweislich nicht der Fall.
Auf Nachfrage der AZ klärt das Departement den Fall detailliert ab und schreibt, der letzte Kontakt der beiden Piloten mit dem positiv getesteten Deutschen habe am 6. Februar stattgefunden. Die Meldung der Personalien der beiden Piloten nach Aarau sei am 12. Februar abends durch das Contact Tracing Zürich erfolgt. Bei beiden sei Quarantäneangeordnet worden, man habe sie aber am Samstag, 13. Februar, nicht erreicht.
Pilot Stefan K. widerspricht Aussagen des Kantons
Stefan K. entgegnet, er sei am Samstag zu Hause gewesen, habe jedoch keinen Anruf erhalten. Auch sein Kollege sei am Samstag definitiv nicht kontaktiert worden. Für den zweiten Aargauer Piloten liegt laut Gesundheitsdepartement ein negativer Test vom 13. Februar vor. Stefan K. sagt, sein Kollege habe sich am Mittwoch, 10. Februar vorsorglich testen lassen, um für einen Flug bereit zu sein.
Dies habe die Swiss wohl dem Contact Tracing gemeldet. Der Test sei vier Tage nach dem letzten Kontakt mit dem deutschen Piloten erfolgt, sein Kollege hätte dennoch infiziert sein können. «Ich verstehe nach wie vor nicht, warum er nicht in Quarantäne muss.»
Aargau verzeichnet mehr als 400 Virusmutationen
Seit dem ersten Nachweis am 27. Dezember hat sich die Zahl der Virusmutationen im Aargau stetig erhöht, für Dienstag meldete der Kanton insgesamt 402 Fälle. Wie viele davon auf die britische, südafrikanische oder brasilianische Variante entfallen, ist unbekannt.
«Der Kanton Aargau führt nur eine Statistik mit der Gesamtzahl der Mutationen», teilt Maria Gares, Sprecherin des Gesundheitsdepartements, auf Anfrage mit. Die übliche Nachweismethode der Mutationen bestehe in einer PCR-Untersuchung, welche die Mutation N501Y nachweise.
Damit würden alle drei Mutanten erfasst, ohne dass eine exakte Zuordnung auf die britische, südafrikanische oder brasilianische Variante erfolgen könnte. «Wollte man diese Information kennen, wäre eine Sequenzierung notwendig, deren Resultat erst nach mehreren Tagen vorhanden ist», sagt Gares.