
Neue Klimakarten zeigen, wo es im Sommer am heissesten ist
Wie sollen wir mit den sich häufenden Hitzesommern umgehen? Wo sind die Hitzehotspots im Siedlungsgebiet des Kantons Aargau? Wie kann man mehr Wohnraum für die wachsende Bevölkerung schaffen und gleichzeitig grüne Oasen in der Siedlung sichern, die für eine hohe Lebensqualität, die Natur und ein angenehmes Klima unabdingbar sind? Welche Grün- und Freiräume sind wichtig für die Kaltluftproduktion? Wo verlaufen wichtige Kaltluftleitbahnen, die es bei der Siedlungsentwicklung freizuhalten gilt? Diese und weitere Fragen stellten sich Norbert Kräuchi, Leiter Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton, und seine Leute.
In einer Tropennacht ist ein erholsamer Schlaf schwierig
Antworten darauf gibt der Kanton jetzt mit neuen Klimaanalyse- und Planhinweiskarten (vgl. Box unten rechts) für jede einzelne der 210 Aargauer Gemeinden. Sie zeigen quartier- und praktisch auf jedes einzelne Gebäude genau, wo es an heissen Sommertagen mit Hochdrucksituation und wolkenlosem Himmel und geringem Luftaustausch in der Gemeinde am heissesten, und wo es am kühlsten ist. Es kann auf kleinem Raum unglaubliche Unterschiede geben.
Bis sieben Grad Unterschied in Zofingen
Eine Klimakarte für die Stadt Zofingen zeigt beispielsweise, dass es in einer Heisswetterphase morgens um 4 Uhr zur selben Zeit auf kleinem Raum Temperaturen zwischen 13/14 und 20 Grad geben kann. Ein Unterschied von bis sieben Grad! Ab 20 Grad gilt eine Nacht bekanntlich als Tropennacht, «da ist ein erholsamer Schlaf schwierig zu finden», so Kräuchi. So zeige sich für eine Stadt die hohe Bedeutung von Grünflächen.
Kräuchi empfiehlt denn auch, beim Bau neuer Quartiere kühlende Grünflächen optimal auszugestalten. Orte, an denen es am wärmsten und damit besonders belastend für den Menschen ist, wären denn auch für sensible Einrichtungen wie Altersheime oder Kindergärten ohne Massnahmen zur Hitzebelastung weniger geeignet.
Die ab sofort online abrufbaren Karten sind die zentralen Planungsgrundlagen und sollen eine hitzeangepasste Siedlungsentwicklung der Städte und Gemeinden ermöglichen, so Norbert Kräuchi. Aus ihnen lasse sich bei Planungen oder Projekten der konkrete Handlungsbedarf ableiten. Das kantonale Baudepartement wird allen Gemeinden «ihre» Klimakarten noch separat zustellen und bis im Frühling zusätzlich einen Leitfaden mit Vorschlägen erarbeiten.
Hitzetage könnten sich in Aarau bis 2060 verdreifachen
Mit hochwertiger Siedlungsentwicklung nach innen lassen sich viele Synergien nutzen, ist Kräuchi überzeugt. Dies sei wichtig, denn die Herausforderungen werden noch zunehmen. Hochrechnungen am Beispiel der Stadt Aarau zeigten nämlich: «Die Anzahl Hitzetage mit über 30 Grad Celsius wird sich ohne Klimaschutzmassnahmen bis 2060 etwa verdreifachen.» Solche Dimensionen (2020 gab es in Aarau elf Hitzetage) gibt es in aussergewöhnlichen Jahren bekanntlich jetzt schon. Im Hitzesommer 2003 stöhnte Aarau unter 43 Hitzetagen. Künftig könnte Ähnliches zur Norm werden.
Ziel: Hitzehotspots in den Städten eindämmen
Soweit man das auf kantonaler Ebene kann, will der Aargau mit dem neuen Entwicklungsschwerpunkt Klima gegensteuern, und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen im Klimaschutz mit einer Reduktion von Treibhausgasen, zum andern auch mit einer Klimaanpassung. Hier geht es darum, sich an die Folgen des Klimawandels – wie etwa Sommertrockenheit oder zunehmende Hitzebelastung in Siedlungen – anzupassen. Der Aargau ist bei mehreren zugehörenden Bundesprogrammen federführend, etwa beim Programm «Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung in Agglomerationsgemeinden».
Zufuhr von kalter Luft nicht durch neue Gebäude unterbinden
Dieses Projekt sucht am Beispiel der vier Aargauer Pilotgemeinden Aarau, Baden, Buchs und Windisch Antworten auf folgende Herausforderungen: Wie kann man mit einer klugen Planung den Siedlungsraum dichter bebauen und sich gleichzeitig auf höhere Temperaturen vorbereiten? Die neuen Klimakarten sollen für die Gemeinden als zentrale Planungsgrundlagen dienen, «um die Hitze im Siedlungsgebiet mit gezielten Massnahmen zu reduzieren oder den Zufluss von kalter Luft durch neue Bauten nicht zu unterbinden, so Norbert Kräuchi.
Mehr Bäume und Brunnen, Bäche wieder ausdolen
Doch wie soll das geschehen? Zu den wirkungsvollsten Massnahmen zählen das Pflanzen von schattenspendenden Bäumen, die Begrünung von Dächern und Fassaden, das Fördern von Brunnen und anderen offenen Wasserelementen, die zum Abkühlen einladen oder das Entsiegeln von Hartbelägen, damit das Wasser besser im Boden versickern kann. Auch der Einsatz von sich weniger aufheizenden Materialien bei Fassaden und Belägen oder beschattete Fuss- und Veloverbindungen tragen zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität bei.
Gerade Bäume und insgesamt von Pärken darf man in ihrer Wirkung nicht unterschätzen. Wenn es an einem Sommertag beispielsweise 37 Grad heiss ist, ist die Temperatur im Schatten einer zehn bis 15 Meter hohen Traubeneiche angenehme sieben Grad tiefer. So ein Baum verdunstet bis 500 Liter Wasser pro Tag, bindet im Holz 2,7 Tonnen CO2 pro Jahr, und er fördert die Lebensqualität im Siedlungsgebiet.
Das sind die drei Klimakarten
Konkret gibt es drei Klimakarten, die bereits auf dem kantonalen Geodatenportal aufgeschaltet sind:
Klimaanalysekarte: Sie zeigt die nächtliche Überwärmung (Wärmeinseleffekt) im Siedlungsgebiet und Kaltluftprozessgeschehen. Identifizieren von Gebieten, in denen der Wärmeinseleffekt stark ausgeprägt ist; Erkennen von Grün- und Freiflächen, die besonders viel zur Kaltluftlieferung beitragen.
Planhinweiskarte Nacht: Sie bewertet den nächtlichen Wärmeinseleffekt («Bioklima»), die bioklimatische Bedeutung der Grün-/Freiflächen, Kaltluftleitbahnen und Kaltluftprozessgeschehen.
Planhinweiskarte Tag: Sie zeigt die bioklimatische Belastungssituation tagsüber und «klimatische» Aufenthaltsqualität in Grün- und Freiflächen. (mku)
