Aargau für längeren Lockdown und Ladenschliessungen – aber gegen Homeoffice-Pflicht und Besuchsverbot

Als der Bundesrat kurz vor Weihnachten alle Restaurants schloss, den Sonntagsverkauf untersagte und anordnete, dass Läden um 19 Uhr schliessen müssen, ging der Aargau noch weiter. Seit dem 20. Dezember sind im Aargau alle Geschäfte geschlossen, die keine Güter des täglichen Bedarfs anbieten.

Dies könnte bald auch schweizweit der Fall sein: Die Ladenschliessung ist eine der Massnahmen, die der Bundesrat für den Fall vorschlägt, dass die Infektionszahlen in den nächsten Tagen nicht markant sinken.
In einer ausserordentlichen Sitzung am Sonntag hat der Aargauer Regierungsrat die neuen Vorschläge des Bundesrats zur Eindämmung der Coronapandemie diskutiert.

In der Stellungnahme des Regierungsrats an die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), hält der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati fest, dass die zusätzlichen Massnahmen im Aargau hätten gewirkt.

Lockdown verlängern und wenn nötig verschärfen

Seit der Ladenschliessung am 20. Dezember sei im Aargau eine rasche und deutliche Fallzahlenabnahme sowie Reduktion des Reproduktionswertes von 1,17 auf 0,93 zu beobachten, schreibt Gallati. Die Zahl der hospitalisierten Covid-Patienten und die Todesfallraten hätten sich stabilisiert oder würden sinken, insgesamt habe sich die epidemiologische Lage im Aargau aufgrund der kantonalen Zusatzmassnahmen verbessert.

Aufgrund dieser Erfahrungen unterstützt der Kanton Aargau die Absicht des Bundesrats, die Lockdown-Massnahmen bis Ende Februar zu verlängern. Sollte dies nicht ausreichen, was aufgrund der neuen Virusmutationen zu befürchten sei, spricht sich der Regierungsrat für eine nationale Verschärfung aus.

Man unterstütze die vorgeschlagene Kaskade von zusätzlichen Massnahmen, schreibt Gallati, so unter anderem die Schliessung von Läden, weitere Einschränkungen von Menschenansammlungen und privaten Veranstaltungen, den erhöhter Schutz besonders gefährdeter Personen und weitergehende Massnahmen am Arbeitsplatz.

Eine Verlängerung der geltenden Massnahmen des Bundes ohne Verschärfung werde für die Schweiz zu einem weiteren Anstieg der Infektionen führen, warnt Gallati. Zu erwarten wäre demnach bis Ende Februar eine deutliche Verschlechterung der epidemiologischen Situation in der ganzen Schweiz.

«Sollte sich die neue britische Virusvariante in der Schweiz rasch ausbreiten, was absehbar ist, kann die Pandemie nur mit späteren, noch massiveren Einschränkungen eingedämmt werden», hält Gallati fest. Zuvor drohe aber ein Kollaps der Spitäler, Heime sowie weiterer Einrichtungen und Dienstleistungsbetriebe.

Ausserordentliche Lage gefordert: Bundesrat soll übernehmen

Jean-Pierre Gallati wiederholt in der Stellungnahme zudem eine Forderung, die er schon mehrfach aufgestellt hat: Der Bundesrat solle die ausserordentliche Lage anordnen, damit national rasch und einheitlich die nötigen Entscheide gefällt werden können. In der ausserordentlichen Lage, die während des ersten Lockdowns im vergangenen Frühling galt, müsste der Bundesrat vor seinen Entscheiden die Kantone nicht mehr um ihre Meinung fragen.

Allerdings unterstützt der Aargau nicht alle Vorschläge des Bundes für mögliche Verschärfungen. Eine Verpflichtung der Arbeitgeber, für ihre Mitarbeitenden Homeoffice anzuordnen, lehnt der Kanton ab. Laut Schätzungen eigneten sich nur etwa 25 bis 30 Prozent der Funktionen tatsächlich für Homeoffice.

Zudem hätten viele Firmen stark in technische oder organisatorische Massnahmen investiert, um die Zahl der Kontakte am Arbeitsplatz zu reduzieren, Ansteckungen zu verhindern und die Mitarbeitenden
zu schützen. Eine Homeoffice-Pflicht bringt gemäss Regierung neben den bisherigen Massnahmen für Wirtschaft, Arbeitgeber und Angestellte einen grossen zusätzlichen Mehraufwand. So stelle sich beispielsweise die Frage, ob Funktionen definiert werden müssen, für welche die Homeoffice-Anordnung gilt.

Nein sagt der Kanton auch zu einem generellen Besuchsverbot in Alters- und Pflegeheimen. Dies habe negative soziale Folgen und könne nur im Einzelfall, zum Beispiel nach einem Corona-Ausbruch, sinnvoll sein. Wirkungsvoller sind laut dem Regierungsrat die Priorisierung der Pflegeheime bei der Impfung und die konsequente Umsetzung der Schutzkonzepte mit regelmässigen Schnelltests für Mitarbeitende und Besucher.

Finanzhilfen und klare Definitionen für Läden

Die Aargauer Regierung ist zwar für Ladenschliessungen, um das Coronavirus einzudämmen. Sie hält aber auch fest, den von den bisherigen und allfälligen neuen Massnahmen betroffenen Wirtschaftszweigen könne eine weitere Schliessung ohne grössere Finanzhilfen des Bundes nicht länger zugemutet werden.

Für den Fall, dass der Bundesrat eine Ladenschliessung anordnet, verlangt der Regierungsrat eindeutige Vorgaben, welche Geschäfte offen bleiben dürften. Bisher habe der Bundesrat nicht festgelegt, ob Sortimente abgegrenzt werden müssten, wie in der ersten Welle. Diese Frage müsse zwingend in der Verordnung geregelt werden, nicht in Erläuterungen.

Zudem solle der Bundesrat gleichzeitig präzisieren, welche Produkte und Sortimente zum täglichen Bedarf gezählt werden. Es müsse klargestellt werden, ob Fachmärkte, Baumärkte usw. geöffnet oder geschlossen sein sollen. Zudem solle der Bund auch Regeln für Abhol-Angebote festlegen, fordert der Regierungsrat.