Aargauer fuhr mit dem Velo zweimal um die Welt – «Man kommt an Orte, die in keinem Reiseführer stehen»

Norbert Huser im Pamirgebirge. (Bild: zvg)
Norbert Huser im Pamirgebirge. (Bild: zvg)

Insgesamt acht Jahre erkundete Norbert Huser Lateinamerika, Afrika und Asien, alles auf seinem Lieblingsfortbewegungsmittel, dem Velo. Mit seiner Heimat, dem Rohrdorferberg, ist der heute 59-Jährige noch immer stark verbunden, obwohl er seit einiger Zeit im Toggenburg wohnt. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte der Globetrotter dennoch in Niederrohrdorf, wo er mit fünf Geschwistern aufwuchs.

Spätestens in den 90ern wurde er von seiner Rastlosigkeit eingeholt − mit einer Weltreise hatte er schon immer geliebäugelt. Er hatte viel gearbeitet, es wurde Zeit für eine Auszeit, wie er sagt. Da ihn keine Beziehung oder Kinder in der Schweiz hielten, kündigte er Job und Wohnung und machte sich kurz vor Silvester 1994 mit Kollegen auf eine Trekkingtour nach Patagonien. Bald schon reisten seine Kollegen in die Schweiz zurück, Huser wollte mehr sehen. Einem Dänen kaufte er sein Reisevelo samt allen Taschen ab und radelte drauflos. Erst vier Jahre später zog es ihn wieder nach Hause.

Im Leben mehr Velo als Auto gefahren

Lateinamerika war damals quasi bevölkert von Backpackern. So lernte Huser immer wieder andere Reisende kennen und schloss sich ihnen zeitweise an. Die soziale Komponente sei ihm immer wichtig gewesen. Er wollte nicht eigenbrötlerisch durch die Gegend fahren. «Manche Veloreisende wollen jeden Meter der Reise mit dem Velo machen. Das war nicht meine Philosophie. Wenn das Wetter tagelang garstig war oder die Landschaft öde wurde, bin ich auch mal in den Bus oder den Zug gestiegen», erzählt er.

1998 kam er zurück, arbeitete wieder eine Weile, 2003 startete die zweite Reise. Diesmal war das Velo als Verkehrsmittel von Anfang an gesetzt. Bereits als Kind sei er gerne Velo gefahren, zur Ausbildung nach Baden nahm er selbstverständlich den Drahtesel. Bis heute besitzt Norbert Huser kein Auto, den Weg zur Arbeit bestreitet er so gut wie immer radelnd. «Für mich ist es das perfekte Verkehrsmittel. Man ist schneller unterwegs als zu Fuss, in einem gesunden Tempo. Und im Vergleich zu Bus und Bahn kommt man an Orte, die in keinen Reiseführern zu finden sind», sagt er. Er fügt mit einem Lachen hinzu, dass er keinen einzigen Dollar Schmiergeld bei Grenzübertritten hätte zahlen müssen.

Das Fahrrad habe ihm auch die Freiheit gelassen, zu reisen, wie er will. Wie auch bei der ersten Reise hatte er einen groben Plan im Kopf, warf diesen spontan aber das eine oder andere Mal über den Haufen. Von der Schweiz aus radelte er diesmal über Gibraltar die westafrikanische Küste hinab, reiste auf einem Frachtschiff von Südafrika nach Singapur, durchquerte Asien und den Balkan und kam zurück in die Schweiz − wieder war er vier Jahre unterwegs. «An manchen Orten wurde man schon etwas schief angeguckt, wenn man mit dem Velo unterwegs ist. Die denken sich: Der Europäer hat Geld wie Heu und fährt dann doch mit dem Velo durch die Weltgeschichte», sagt Huser und lacht.

Die beiden Reisen hätten ihm das europäische Privileg, sich auf so eine Reise begeben zu können, bewusster gemacht: «Ich frage mich manchmal, warum wir aus Dingen Probleme machen, die keine sind.»

Bescheiden sei er schon immer gewesen. In Niederrohrdorf wuchs er immerhin in einer Grossfamilie mit beschränkten finanziellen Mitteln auf, trug die Kleidung seiner älteren Cousins.

Gerade in Gegenden, die in der westlichen Mediengesellschaft unweigerlich Bilder von politischen Unruhen und Terrorismus auslösen, sei ihm eine Gastfreundschaft entgegengekommen, «die ich fast nicht beschreiben kann». Seine Begegnungen in Kolumbien, Mali, Kambodscha und den zentralasiatischen Ex-Sowjet-Staaten seien besonders eindrücklich gewesen. Landschaftlich war der passionierte Bergsteiger hingegen von Namibias Wüsten und Bergen sowie dem Himalaja überwältigt.

Kulinarisches Heimweh nach Brot und Käse

Und was vermisst man so auf acht Jahren Reise? Norbert Huser muss überlegen. Den spürbaren Wechsel der Jahreszeiten vermisse man nach einem halben Jahr in einer tropischen Zone durchaus. Und gewisses Essen: Brot, Käse − «da sind wir in der Schweiz schon relativ verwöhnt». Seine Geschwister und Freunde, die ihn auf der ein oder anderen Etappe besuchten, brachten ihm mal Cervelats mit, die das kulinarische Heimweh kurzzeitig stillten.

Mit seiner Familie habe er immer den beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten entsprechend den Kontakt gehalten. Der Gang zur Botschaft oder lokalen Poststelle, um Briefe abzuholen, sei immer aufregend gewesen. Die damals noch sündhaft teuren Ferntelefonate sparte er sich für Geburtstage auf. Gerade seine Eltern hätten bei seiner ersten Reise schon Mühe gehabt, wie die Geschwister aber auch akzeptiert, dass er diese Lebensphase geniessen will. Als die Eltern starben, übernahmen die Söhne die familiären Reben am Rohrdorferberg, in denen sich Norbert Huser noch heute oft aufhält.

Nächste Reise mit 60 Jahren?

Vor wenigen Jahren hat er über seine beiden Reisen zwei Bücher geschrieben. Er redigiert Notizen und Reiseberichte von damals und reflektiert seine Zeit als Velo-Abenteurer. Grosszügig bebildert hat er die Bücher mit Foto-Aufnahmen. «Ich habe eine Weile gebraucht, um mich zu diesem Projekt aufzuraffen. Schliesslich sind das schon zum Teil sehr private Geschichten», so Huser. Gerne hätte er die Bücher in diesem Jahr in seiner Aargauer Heimat vorgestellt, doch die Pandemie machte ihm einen Strich durch Rechnung.

Autor, Hobby-Winzer in Niederrohrdorf, Bau-Ingenieur im Toggenburg − und bald wieder Weltreisender? Kommendes Jahr wird Huser 60, er überlegt sich, ob dann die nächste Veloreise ansteht. Auf seinen Reisen habe er auch pensionierte Backpacker getroffen – «die machen eben doch nicht nur Pauschalreisen». Früher wie heute gilt für ihn: Wenn man wirklich will, gibt es keine Grenzen − und auch keine Ausreden. Gleichermassen merke er doch auch, «dass man nicht mehr 20 ist». Das heisst für ihn aber nicht, komplett auf die Velo-Reisen zu verzichten: «Ich müsste einfach akzeptieren, dass mein Aktionsradius damit kleiner wird und Bergrouten vielleicht nicht mehr Teil der Strecke sein sollten.»

Hinweis: «Lateinamerika auf zwei Rädern» und «Afrika und Asien auf zwei Rädern» können bestellt werden bei: norbi.huser@bluewin.ch