
Tivoli-Chef zum Menschenauflauf: «Wir haben den Herdentrieb und den Gewinntrieb unterschätzt»
Die Jubiläumsfeier des Einkaufszentrums Shoppi Tivoli in Spreitenbach hat am Samstag zahlreiche Menschen angezogen. Angesichts der stark steigenden corona-positiv Getesteten erstaunten die Szenen, die sich am Samstag im Shoppi Tivoli abspielten: Zur 50-Jahr-Jubiläumsfeier des Einkaufszentrums strömten Menschenmassen ins Tivoli, um von den Spezialangeboten der Feierlichkeiten zu profitieren.
Schutzmassnahmen gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus wie Maskenpflicht oder Abstandsregeln hätten dabei in ihrer Wahrnehmung kaum eine Rolle gespielt, sagten Augenzeugen gegenüber dem «Blick». Auf dem Kurznachrichtendienst «Twitter» kursieren Bilder des Anlasses mit ironischen Kommentaren.
Gegenüber dem «Blick» beschrieb eine Besucherin den grossen Andrang im Shoppingcenter so: «Den Leuten waren die Schutzmassnahmen völlig egal.» Besonders verstörend sei der Moment gewesen, als Rabatt-Lose wie Konfetti verstreut wurden. «Da stürzten sich alle ohne Rücksicht auf die Lose!»
Stäuble: «Unglückliche Momentaufnahme»
Von dieser Zeitung auf die Kritik angesprochen, sagt CEO-Patrick Stäuble: «Ich kann das grosse Unverständnis der Leute verstehen, wenn sie diese Bilder sehen.» Allerdings seien diese nicht repräsentativ. «Es handelt sich um eine Momentaufnahme, um den Augenblick, in dem die Tischbombe gezündet wird.» Das seien vielleicht zwei bis drei Minuten.
Das Besucheraufkommen sei seit Beginn der Coronakrise 30 Prozent geringer, daran habe sich während der Jubiläumsfeier nichts geändert. Dennoch: Auf die Tischbombe und die Minikonzerte habe man am Sonntag verzichtet. «Wir haben den Herdentrieb und den Gewinntrieb der Leute unterschätzt», räumt Stäuble ein. Dasselbe gelte für die Macht der Bilder in den sozialen Medien.
Den Vorwurf, dass ihm Geld wichtiger sei als die Gesundheit der Menschen, weist Stäuble entschieden von sich. «Geld ist nie wichtiger als die Gesundheit der Mitarbeiter und der Besucher.» Aber natürlich seien für ihn auch die Umsätze der 150 Läden im Shoppi Tivoli wichtig. «Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust», sagt Stäuble, «man kann uns den Vorwurf machen, dass unsere Abwägung falsch war».
Ursprünglich hätten die 50-Jahr-Feierlichkeiten im März stattfinden sollen. Aufgrund der Pandemie wurden sie in den Oktober verschoben. «Vor sechs Wochen haben wir den definitiven Entscheid fällen müssen, um Werbung zu schalten und die Infos zu veröffentlichen. Da sahen die Coronazahlen noch gut aus. Wir haben kein grösseres Risiko gesehen.»
Extra Leute für Schutzkonzept angestellt
Zusätzlich zum Schutzkonzept wie Maskentragen und Social Distancing habe das Center während der vier Jubiläumstage 15 Hostessen angestellt, die die Umsetzung kontrollierten und Desinfektionsmittel verteilten. Zudem sei der Sonntagsverkauf vom Kanton bewilligt worden.
Zum Streit mit der Gemeinde um die fehlende Bewilligung wegen möglicher Lärmbelästigung sagt Stäuble: «Wir haben in den letzten neun Jahren nie ein Konzept deswegen einreichen müssen. Die Gemeinde stellte sich auf den Standpunkt, es sei ein Grossanlass. Das stimmt so nicht. Es ist ein verkaufsoffener Sonntag, wie wir ihn jedes Jahr zweimal im Dezember haben.» Diesen Punkt werde man im Nachgang mit der Gemeinde klären müssen.
Das sagt der Kanton zu «Spreitenbach»
Gemäss Bundesvorgaben handelt es sich beim Shoppingcenter Tivoli um öffentlich zugängliche Räumlichkeiten, worin seit dem 20. Oktober eine allgemeine Maskenpflicht besteht. Dies sagt Michel Hassler, Sprecher des Departements Gesundheit und Soziales (DGS), zu Spreitenbach. Gemäss einer Kontrolle der Regionalpolizei sei die Maskenpflicht grossmehrheitlich eingehalten worden.
Trotzdem kam es samstags in Zusammenhang mit einzelnen Jubiläumsveranstaltungen in Anbetracht der Bilder «höchstwahrscheinlich zu Verletzungen des Schutzkonzepts», so Hassler. Für die Einhaltung der Schutzkonzepte von Veranstaltungen sind die Organisatoren verantwortlich.
Die Verantwortlichen haben gemäss eigener Aussage reagiert und verzichteten gestern Sonntag auf ähnliche Veranstaltungen. Der Kantonsärztliche Dienst werde mit den Verantwortlichen des Shoppingcenter ein Debriefing durchführen, um den Sachverhalt zu erörtern.