
Nach Rücktrittsforderung sagt Gallati: «Ich bin nicht sicher, ob ich den richtigen Entscheid gefällt habe»
Warum haben Sie entschieden, die Veranstaltung weiterlaufen zu lassen, obwohl Vorschriften, beispielsweise das Abstandhalten, nicht eingehalten wurden?
Jean-Pierre Gallati: Es war ein spontaner Entscheid in der Situation, die Meinungsfreiheit und die öffentliche Debatte zu ermöglichen. Kurz vor meinem Grusswort hatte ich festgestellt, dass die Abstandsvorschriften teilweise und vor allem in den hinteren Reihen nicht eingehalten wurden. Allerdings war die Situation auf dem Schlossplatz, d. h. im Freien nicht so eng wie zum Beispiel in einem Club. Niemand von den Anwesenden forderte eine Räumung des Platzes oder hätte selber die Veranstaltung verlassen. Es war ein Ermessensentscheid, den ich in der Minute vor meinem Grusswort getroffen habe. Ich habe vor Ort die Informationsfreiheit und die Möglichkeit des Dialogs höher gewichtet als die Einhaltung aller Vorschriften. Dabei sind mir auch die Black-Lives-Matter-Demonstrationen in grossen Schweizer Städten während des Demonstrationsverbots in den Sinn gekommen, an welchen es viel mehr Teilnehmer hatte.
Würden Sie im Nachhinein wieder gleich entscheiden?
Ich weiss es nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich den richtigen Entscheid gefällt habe.
Die Juso kritisieren, während sich andere Veranstalter gewissenhaft an aufwendige Schutzkonzepte halten würden, werde es beim Corona-Podium keine Konsequenzen geben. Verstehen Sie diese Kritik?
Ja, wobei die Juso ziemlich lange gebraucht hat, bis ihr diese Kritik eingefallen ist. Die aktuellen Coronamassnahmen und auch die Kontrollen betreffen nicht alle Veranstaltungen gleich. Wir können und wollen nicht alle und alles kontrollieren. Die Eigenverantwortung ist zentral im Umgang mit der aktuellen Situation. Die Kritik verstehe ich, aber sie kommt bisher nicht von Veranstaltern, sondern nur von den Jungsozialisten.
Die Juso werfen Ihnen vor, als Gesundheitsdirektor die Aargauer Bevölkerung zu gefährden. Was entgegnen Sie auf diese Kritik?
Die Kritik an meinem Entscheid vom letzten Freitag auf dem Schlossplatz in Aarau verstehe ich. Die generelle Reklamation der Jungsozialisten in ihrem Pamphlet verstehe ich aber nicht. Ich lade die Jungsozialisten ein, ihre Kritik im persönlichen Gespräch zu vertiefen und zu diskutieren. Ich möchte ihnen zeigen, dass ich mich täglich für das aargauische Gesundheitswesen engagiere – auch in Sachen Corona.