
Mehrheit der Aargauer Gemeinden machten 2019 Gewinn – doch die Aussichten sind düster
Die 211 Aargauer Gemeinden haben im letzten Jahr einen Rechnungsüberschuss von 222 Millionen Franken erzielt (ohne Berücksichtigung der Spezialfinanzierungen). Das hat der Kanton gestern Donnerstag mitgeteilt. 2019 schloss insgesamt etwas schlechter ab als das gute 2018, aber grosse Ausreisser gibt es keine. Damit ähnelt der Gesamtabschluss 2019 demjenigen aus dem Vorjahr, wie Jürg Feigenwinter, der Leiter Finanzaufsicht im kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI), bestätigt: «Es ist sowohl auf der Ertrags- als auch der Aufwandseite weiterhin ein Wachstum feststellbar. Unter dem Strich gleicht sich das aus.» Bereits 2017 war ein gutes Jahr für die Aargauer Gemeindefinanzen, das wurde 2018 und 2019 noch übertroffen.
Bammel wegen der Coronakrise
Doch jetzt sind die Aussichten wegen der Coronakrise düster. «Wir haben einen riesigen Respekt vor dem, was auf uns zukommt», sagt Renate Gautschy, die Präsidentin der Gemeindeammännervereinigung. Weil die Wirtschaft durch den Lockdown stark beeinträchtigt worden ist und es weiterhin bleibt, gehe jede Planungssicherheit verloren.
«Die Gemeinden werden die Auswirkungen sehr stark zu spüren bekommen», warnt Gautschy. Eine Prognose abzugeben sei aber unmöglich. Die Krise werde sich auf die Finanzen mehrerer Jahre auswirken und im Budgetprozess für 2021 eine entscheidende Rolle spielen. «Es gibt bereits Gemeinden, die einen Investitionsstopp ankündigen. Die Lage ist unsicher und sie warten ab, wie sie sich entwickelt, bevor sie Geld verplanen.» Sie sei besorgt, die guten Ergebnisse könnten vorläufig der Vergangenheit angehören, so Gautschy. Für die Gemeindeammänner-Präsidentin ist deshalb klar: Bund und Kantone müssten Wort halten und ihre finanziellen Versprechungen einhalten. «Die Gemeinden sind nicht bereit, die allenfalls negativen Auswirkungen der von Bund und Kanton beschlossenen Massnahmen über Steuererhöhungen einfach hinzunehmen», stellt sie klar.
Eine Prognose wagt auch der Finanzaufsichtsleiter nicht. «Das wäre Kaffeesatzlesen», sagt Jürg Feigenwinter. Es sei jedoch absehbar, dass die ganzen Auswirkungen der Coronakrise vor allem in den Gemeinderechnungen des Jahres 2021 sichtbar werden. Dann, wenn jetzt arbeitslos gewordene Personen oder Unternehmen, welche die Krise nicht überstanden haben, Steuern zahlen müssten. «2020 wird die Situation vielleicht etwas weniger dramatisch sein als zu Beginn der Krise befürchtet. Man wird die Auswirkungen von Corona zwar höchstwahrscheinlich feststellen, die grossen Unsicherheiten folgen aus heutiger Sicht eher im Jahr 2021.»
Risiken für die Gemeindefinanzen bestünden aber auch unabhängig von Corona, schreibt der Kanton. Zum einen liegen sie bei stark wachsenden Ausgabepositionen, wie etwa der Pflegefinanzierung. Zum anderen könne das Wachstum bei den Steuererträgen unbefriedigend verlaufen – das könne aufgrund demografischer und wirtschaftlicher Entwicklungen sein, aber auch aufgrund von Anpassungen in der Steuergesetzgebung. Immerhin könnten die mehrheitlich guten Rechnungsabschlüsse der beiden letzten Jahre helfen, eine Durststrecke zu überbrücken.
Steuererträge natürlicher Personen gestiegen
Am meisten haben die Gemeinden 2019 für die Bildung, die Soziale Wohlfahrt und die Allgemeine Verwaltung aufgewendet. Zusammen sind diese Posten für fast drei Viertel der Ausgaben verantwortlich. Gegenüber dem Vorjahr ist der gesamte Nettoaufwand der Gemeinden um 3,1 Prozent angestiegen. Einen starken Anstieg verzeichneten laut Kanton insbesondere die Gesundheit (plus 14,7 %), Umwelt und Raumordnung (plus 6,9 %) und Verkehr (plus 7,6 %). Auch die Bevölkerung hat zugenommen. Im Pro-Kopf-Vergleich ist der Nettoaufwand gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent angestiegen.
Zusammen erreichten die Gemeinden 2019 Steuereinnahmen von fast zwei Milliarden Franken. Der Ertrag ist um 4,3 Prozent angestiegen. Bei allen Steuerarten sind die Erträge gestiegen, mit Ausnahme jener der juristischen Personen, welche um rund fünf Prozent zurückgegangen sind.
Die Nettoschulden pro Einwohner konnte von 495 auf 391 Franken gesenkt werden. 134 Gemeinden weisen eine Nettoschuld von insgesamt 847 Millionen Franken aus. 77 Gemeinden haben dem gegenüber ein Nettovermögen von gesamthaft 579 Millionen Franken (im steuerfinanzierten Bereich).