
Impfprämie bei Utz AG in Bremgarten: Das Angebot der Verpackungsfirma ist bisher ein Einzelfall in der Aargauer Wirtschaft
«Es ist uns sehr wichtig, im Betrieb eine hohe Impfquote zu erreichen. Dies schützt unsere Mitarbeitenden vor einer Ansteckung und hält die Produktion am Laufen.» Das steht in einem Schreiben der Utz-Gruppe aus Bremgarten, die ihren Mitarbeitenden eine Impfprämie von 200 Franken offeriert, wie die Sonntags-Zeitung berichtet. Utz produziert Plastikbehälter für den Warentransport und betreibt weltweit acht Standorte.
Die Impfprämie erhalten alle Mitarbeitenden, die sich bis am 20. September impfen lassen. Ausbezahlt wird sie gemäss dem internen Schreiben nach der zweiten Impfung und dem Vorzeigen des Impfzertifikats, damit also frühestens im Oktober. Gegenüber der Sonntags-Zeitung sagt Carsten Diekmann, Schweiz-Chef der Utz-Gruppe, das Unternehmen möchte vor dem kalten Herbst und Winter «einen Boost geben und unsere Leute dazu aufrufen, sich mit der Impfung auseinanderzusetzen».
Impfprämie und Schutzmassnahmen sind günstiger als Produktionsausfall
Die Firma hat laut Diekmann bisher schon einen beträchtlichen Betrag für Masken, Schutzeinrichtungen und Informationsmaterial ausgegeben. Mit der Impfprämie summieren sich die Ausgaben auf einen hohen fünfstelligen Betrag. Gegenüber den Kosten, die bei einem Unterbruch der Produktion entstehen würden, wenn zahlreiche Mitarbeiter krank werden oder in Quarantäne müssen, ist diese Summe aber niedriger.
Neben der 200-Franken-Prämie als Anreiz übt die Utz AG gemäss der Sonntags-Zeitung sanften Druck auf ihre Mitarbeitenden aus, sich impfen zu lassen. So erhalten Angestellte, die in Quarantäne müssen, nicht den gesamten Lohn, sondern nur 80 Prozent. Und bei einem krankheitsbedingten Ausfall werden 90 Prozent des Salärs vergütet – bisher waren es während der Coronakrise noch 100 Prozent.
Giezendanner: «Entscheid kann für ein Unternehmen sinnvoll sein»
Benjamin Giezendanner, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes und Transportunternehmer, sieht die Impfprämie der Utz AG als Entscheid im Rahmen der unternehmerischen Freiheit.
«Wenn es für das Unternehmen Vorteile bringt, eine solche Prämie anzubieten, dann halte ich das für sinnvoll», sagt er. Giezendanner sagt weiter, Impfprämien seien in der Aargauer Wirtschaft schon diskutiert worden, er kenne derzeit aber keine andere Firma, die ein solches Angebot mache.
In seiner Firma will der SVP-Nationalrat nicht auf eine Prämie setzen, überlegt sich aber, ab Oktober regelmässige Testtage für Mitarbeiter durchzuführen. «Wenn der Bund die Tests nicht mehr bezahlt, könnte dies sonst dazu führen, dass wir nicht oder zu spät bemerken, wenn sich mehrere Angestellte angesteckt haben», sagt er.
Deshalb könne es sinnvoll sein für einen Unternehmer, die Tests der Mitarbeiter weiter zu bezahlen. «Wenn die Zahlen weiterhin so hoch blieben wie jetzt, kann ich mir aber auch vorstellen, dass der Bund auf seinen Entscheid zurückkommt und Tests weiterhin finanziert», sagt Giezendanner.
Siegfried: Impfaktionen im Unternehmen, aber keine Prämien
Keine Impfprämien, aber Impfangebote vor Ort im Unternehmen gab es schon vor den Sommerferien beim Pharmazulieferer Siegfried in Zofingen. Wir haben Anfang Juli einen Impftag durchgeführt, zudem regelmässig Mitarbeiter ins Spital Zofingen zur Impfung geschickt und am Dienstag findet nochmals eine Impfaktion vor Ort statt, sagt Peter Gehler, Leiter Pharmapark bei Siegfried.
Eine finanzielle Prämie wird es bei Siegfried nicht geben – und auch ein zusätzlicher Ferientag für Impfwillige, wie dies andere Unternehmen in der Region, ist nicht vorgesehen, wie Miriam Anton, Leiterin Unternehmenskommunikation, auf Anfrage sagt. «Wir setzen darauf, unsere Mitarbeitenden von der Impfung zu überzeugen und ihnen diese mit dem Impftag vor Ort zu erleichtern», hält sie fest.
Zehnder: «Impfprämie würde Ungerechtigkeiten schaffen»
Weltweit tätig ist auch der Heizungs- und Lüftungshersteller Zehnder mit Hauptsitz in Gränichen. Verwaltungsratspräsident Hans-Peter Zehnder ist einer Impfprämie gegenüber aber skeptisch eingestellt: «Wir versuchen unsere Mitarbeitenden mit Information und Aufklärung von der Impfung zu überzeugen, ein finanzieller Anreiz ist nicht vorgesehen.»
Zehnder sieht unter anderem das Problem, dass eine Impfprämie zu Ungerechtigkeiten unter den Angestellten führen könnte. «Wenn man ungeimpften Mitarbeitenden jetzt eine Prämie für die Impfung zahlen würde, müsste man dies bei allen anderen auch tun, die sich vorher schon impfen liessen, sonst würden diese ja benachteiligt», sagt Zehnder.
Umfrage von Gastro Aargau: Mehrheit der Wirte gegen Zertifikatspflicht
Einen ähnlichen Anreiz wie für Mitarbeitende der Utz AG gibt es seit einer Woche auch für Köche und Kellnerinnen: Die ersten 333 Angestellten, die sich zwischen dem 1. September und dem 31. Oktober impfen lassen, erhalten vom kantonalen Branchenverband Gastro Aargau je drei Gutscheine im Wert von insgesamt 30 Franken. «Zu viel Negativität bringt uns auch nicht weiter», sagte Gastropräsident Bruno Lustenberger, der sich zuvor als heftiger Kritiker der Massnahmen von Bund und Kanton profiliert hatte, letzte Woche zur Kehrtwende des Verbands.
Eine deutliche Mehrheit der Aargauer Wirte ist aber offenbar gegen eine Zertifikatspflicht in Restaurants, wie Tele M1 berichtet. Bei einer Umfrage mit rund 300 Teilnehmern hätten sich nur elf Prozent positiv zu den Plänen des Bundesrats geäussert, die gemäss diversen Medienberichten am Mittwoch beschlossen werden sollen.
Die Aargauer Regierung hatte sich in einer Stellungnahme für eine Ausweitung der Zertifikatspflicht ausgesprochen, Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati hatte vor einem Monat gesagt, das Zertifikat könnte den Wirten gar helfen. Im letzten Jahr hätten viele Gäste keine Restaurants mehr besucht – aus Angst, sich dort anzustecken. Mit dem Zertifikat gebe es in der aktuellen Situation eine gute Lösung für dieses Problem.