
Corona-Dunkelziffer im Aargau tiefer als in anderen Kantonen – warum ist unklar
Im Kanton Aargau liegen zurzeit 912 bestätigte Coronafälle vor. Das sind sechs mehr als Montag und 13 mehr als am Sonntag, wie der kantonale Führungsstab in seinem Lagebulletin schreibt. Die Zahl der Todesfälle stieg von Sonntag auf Montag um eine Person auf total 19 Personen. 78 Coronapatienten sind im Spital. 22 von ihnen werden auf der Intensivstation behandelt und müssen künstlich beatmet werden. Weitere vier Personen sind auf der Überwachungsstation. Gemäss einer Schätzung des Kantonsärztlichen Dienstes gelten im Aargau rund 400 Personen als geheilt.
Die Zahlen scheinen – im Vergleich zum Beginn der Krise – weniger schnell zu steigen. Trotzdem gibt der Führungsstab keine Entwarnung: Der Trend zeige weiterhin ansteigende Fallzahlen, heisst es im Bulletin. «Wenn sich die Bevölkerung über die nächsten Tage nicht an die Vorgaben der Behörden hält, könnten die Fallzahlen in den darauf folgenden Wochen wieder ansteigen.»
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Nur jede fünfte Ansteckung ist nachgewiesen
In Tat und Wahrheit dürften sich im Aargau mehr Personen als die 912 mit dem Coronavirus angesteckt haben. Der Kantonale Führungsstab weist in seinen Bulletins jeweils darauf hin, dass die Dunkelziffer «vermutlich sehr hoch ist». Aber wie hoch?
Dazu gibt es nun erstmals Berechnungen. Ein Team von elf Forschern der London School of Hygiene and Tropical Medicine ist dieser Frage nachgegangen. Die Schweiz haben die britischen Forscher in ihrer Studie zwar nicht berücksichtigt. Aber die Redaktion «Tamedia» hat unter Aufsicht des Hauptautors der Studie die gleiche Methodik angewandt, um den Anteil der nicht festgestellten Fälle nach Kantonen zu berechnen.
Demnach wird in der Schweiz im Durchschnitt jede fünfte Infektion nachgewiesen. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind gross. Im Tessin zum Beispiel wurden nur zwölf Prozent der Fälle mit einem Test nachgewiesen. Im Graubünden oder im Wallis ist es jeder sechste Fall. Die Kantone Aargau und Solothurn, die bei der Berechnung zusammengelegt wurden, um die kritische Masse zu erreichen, kommen auf eine Entdeckungsrate von knapp mehr als 40 Prozent. Allerdings ist die Messunsicherheit relativ gross (25 bis 70 Prozent). Das liegt laut der Redaktion «Tamedia» an der Methode der britischen Forscher. Diese basiert auf Zeitreihen der festgestellten Fälle und Todesfälle. In Gebieten mit weniger Fällen und weniger Todesfällen – wie in den Kantonen Aargau und Solothurn – ist die Fehlermarge grösser.
Kanton kommentiert die Zahlen nicht
Es sei schwierig, die kantonalen Unterschiede zu erklären, heisst es im Artikel in den «Tamedia»- Zeitungen weiter. Auffällig sei, dass die Dunkelziffer in Kantonen mit Universitätslabors, die gross angelegte Tests erlaubten, generell tiefer sei.
Aus Sicht des Kantonsärztlichen Dienstes ist eine Stellungnahme zu den Zahlen nicht möglich. So sei etwa die Berechnungsgrundlage nicht bekannt und sie sei im Artikel auch nicht eruierbar. «Somit ist weder eine Bestätigung noch Dementierung der im Zeitungsartikel aufgeführten Schätzung möglich», schreibt der Kantonsärztliche Dienst auf Anfrage. Dass bei den Coronainfektionen eine Dunkelziffer bestehe, sei bekannt.