
SVP-Präsident Glarner: «Wir haben die Themen AHV und Krankenversicherung verschlafen»
Letzte Woche feierte Andreas Glarner einen weiteren Erfolg in seiner politischen Karriere: Überraschend deutlich wurde er zum neuen Präsidenten der SVP Aargau gewählt. Die Stimmung an der Versammlung erinnerte ans Albisgütli. In seiner Rede zitierte Glarner Winston Churchill («Blut, Schweiss und Tränen») – genau wie es sein Vorbild Christoph Blocher es einst getan hatte.
Gratulationen durfte der Neugewählte vom grossen Vordenker der Partei aber noch nicht entgegen nehmen, wie er in der Sendung «TalkTäglich» auf Tele M1 erklärt: «Er gratuliert selten für ein neues Amt. Er sagt jeweils, das sei mit Arbeit verbunden, da gibt es eigentlich nichts zu gratulieren.» An der Albisgütli-Tagung hätten sie sich zudem gar nicht gesehen, so Glarner. Ein Zeichen, dass Blocher nicht erfreut ist über die Wahl? «Ich bin sicher nicht sein erster Mann, aber die gegenseitige Wertschätzung ist gross.»
Die SVP Aargau solle zum Leuchtturm für die SVP Schweiz werden, erklärte Glarner vor seiner Wahl in der Rede an die Delegierten. «Das tönt schon beinahe etwas missionarisch», merkt Moderator und AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli an. «Ja, das wird missionarisch. Wir haben uns entfernt vom Volk, wir müssen zurück zur Basisarbeit», entgegnet Glarner. Der Präsident der SVP Aargau ist überzeugt, dass sich die Partei in der Vergangenheit zu sehr auf ihrem Erfolg ausgeruht habe.
Mit Blick auf die Wahlen für das Präsidium der SVP Schweiz setzt Glarner klar auf Marcel Dettling. «Der ist doch von der Sorte ‚lieb und nett‘, genau das, was ihrer Meinung nach nicht funktioniert», bemerkt Cavalli. «Ganz und gar nicht», erläutert Glarner. «Marcel Dettling ist sehr gradlinig und konsequent. Ich würde sagen: ein Hardliner. Aber er verpackt es sehr gut und er ist ein ‚gmögiger‘ Mensch, deshalb kommt er etwas weicher rüber.»
Ob er selber als Kandidat zur Verfügung stehe, will Cavalli von Glarner wissen. «Wenn, dann nur im Doppelmandat. Ich werde die Aargauer sicher nicht so schnell im Stich lassen.» Es gebe aber viele andere fähige Leute in der Partei, merkt Glarner an, und er würde das Mandat nur in Betracht ziehen, wenn er von der Parteileitung angefragt würde.
«Wir haben das Thema AHV verschlafen»
Moderator Rolf Cavalli möchte von Glarner wissen, wie sein Verhältnis zu den Medien sei. Dieser hält mit Kritik nicht hinterm Berg: «Die Medien möchten lieber einen Angepassten.» Zudem würden Themen totgeschwiegen, etwa «die Milliarden, die seit dem Asylmissbrauch 2015 auf die Gemeinden niederprasseln», sowie die Probleme im Schulalltag. «Wir können keine Schule mehr geben und erreichen die Leistungen nicht mehr, weil es eine massive Überfremdung gibt. Wir sind fremd im eigenen Land.» Auch der Sozialhilfemissbrauch werde tunlichst unter den Tisch gekehrt. Cavalli stellt klar: «Es gab im letzten Jahr über 100 Beiträge zu Sozialhilfemissbrauch. Ich glaube, ihr Problem ist eher, dass die Themen nicht so aufgegriffen werden, wie Sie es gerne hätten.»
Zudem seien im nationalen Sorgenbarometer andere Themen drängender. «Die klassischen SVP-Themen sind im Moment bei den Leuten einfach nicht zuoberst», konstatiert Cavalli. Glarner gibt sich selbstkritisch: «Wir haben ein paar Themen verschlafen, zum Beispiel die AHV oder die Krankenversicherung.»
Man komme nicht darum herum, das Rentenalter zu erhöhen, so Glarner. Trotzdem solle es für Leute, die harte körperliche Arbeit verrichten, etwa im Baugewerbe, möglich sein, sich früher pensionieren zu lassen. Auch für das Problem, dass viele Leute über 50 keinen Job mehr finden, gelte es zu lösen, etwa mit einer Anpassung des BVG-Satzes (Abzüge für berufliche Vorsorge, Anm. d. Red.). «Jetzt tönen Sie wie ein seriöser Sachpolitiker», bemerkt Cavalli. «Bei gewissen Themen müssen wir die Mehrheiten suchen, und etwa in der Altersvorsorge können wir sie sicher bei den vernünftigen Bürgerlichen finden», entgegnet der SVP-Hardliner.
TalkTäglich: Andreas Glarner, neuer Präsident SVP AG – die ganze Sendung © TeleM1
«Lobbyisten müssen aus der Gesundheitskommission ausgeschlossen werden»
Beim Thema Lobbyismus geht Glarner mit seinen Parteigenossen hart ins Gericht: «Wir waren hier keinen Dreck besser als andere Parteien. Auch wir hatten ‚Fuhrhalter‘, die plötzlich bei Krankenkassen im Vorstand sassen», teilt er gegen Ulrich Giezendanner aus – bekanntermassen sind die beiden keine dicken Freunde. Lobbyisten müssten aus der Gesundheitskommission ausgeschlossen werden, fordert Glarner. Er habe sich bereits früher mit diesem Anliegen an die Parteileitung gewandt.