
Wie steht es eigentlich um die Frauen in der Aargauer Wirtschaft?
Sie sind noch immer Exotinnen, Frauen wie Fabia Gozzo, Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen oder eines übernehmen. Gestern veröffentlichte das Weltwirtschaftsforum WEF das neuste internationale Ranking zur Gleichberechtigung der Geschlechter im internationalen Vergleich. Die Schweiz schneidet dürftig ab (siehe Box unten).
Zahlen, die diesbezüglich einen interkantonalen Vergleich zuliessen, gibt es aber nicht. Einen Bericht zur Arbeitsmarktsituation von Frauen im Kanton Aargau sucht man genauso vergebens. Auch ohne sich auf offizielle Zahlen beziehen zu können, sagt Kurt Schmid, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes: «Das Unternehmertum war schon immer eine ziemlich ausgeprägte Männerdomäne. Langfristig wird sich das ändern, so hoffe ich wenigstens. Der Anteil Unternehmerinnen ist viel zu klein.»
Frauenanteil im Top-Management ist gestiegen
Dass in Bezug auf die Gleichberechtigung im Arbeitsalltag schon einiges in Bewegung geriet, darauf deutet der diesjährige Schilling-Report hin. Er befasst sich mit der Geschlechterfrage auf nationaler Ebene und stellt fest, dass die öffentliche Hand in diesem Bereich eine Vorreiter-Rolle einnimmt.
Zwar stieg der Frauenanteil im Top-Management in privaten Sektor von 14 (2017) auf 16 Prozent (2018), während der Anstieg im mittleren Management zugleich von 21 auf 24 Prozent anwuchs. Doch im öffentlichen Sektor bekleideten Frauen rund 22 Prozent der Posten im Top-Management und 28 Prozent im mittleren Management.
Der Schluss von Studienverfasser Guido Schilling: Die Verwaltung verfüge über eine «deutlich breitere Gender-Diversity-Pipeline» und agiere diesbezüglich «als Vorbild» für die Privatwirtschaft.
Das 80-80-Model könnte beiden Elternteilen helfen
Woran aber liegt es, dass Frauen so viel seltener in Führungspositionen – sei es im privaten oder im öffentlichen Sektor – anzutreffen sind? Ein zentrales Thema ist die Vereinbarkeit von Familie und Job. Denn die meisten Männer und Frauen möchten nicht auf Nachwuchs verzichten.
«Ich glaube, wir müssen offener werden für Teilzeitpensen», sagt Schmid deshalb. Und zwar für beide Geschlechter, denn Kinderbetreuung ist zwar noch mehrheitlich Frauensache, aber der Wandel ist auch hier spürbar. Auch deshalb sagt Schmid: «Wer diesem gesellschaftlichen Wandel nicht Rechnung trägt, der wird über kurz oder lang Mühe bekommen, qualifizierte Leute zu finden.»
Es ist dies eine Veränderung, die auch weibliche Führungskräfte als dringend notwendig erachten. Wie zum Beispiel die CEO der Adecco-Gruppe Schweiz Nicole Burth, eine Verfechterin des 80-80-Models. «Wenn beide Elternteile 80 Prozent arbeiten, können Mann und Frau ihre Karriere weiterverfolgen und bleiben auf dem Arbeitsmarkt.
Loch in der Pensionskasse
Das geht natürlich nur mit der Unterstützung von Verwandten oder Freunden. Oder dann mit Fremdbetreuung», sagt sie. Das kostet je nach Einkommen eine ganze Stange Geld und hält viele Frauen zu Hause. Dabei aber geht eines vergessen, so Burth: «Wenn die Frauen nicht arbeiten, entsteht ein Loch in der Pensionskasse.»
Damit sich an der Situation etwas ändert, braucht es zuerst einmal ein Umdenken jeder Einzelnen und jedes Einzelnen. Wenn das passiert, wird sich auch die Politik regen. Denn schon mit kleinen Anpassungen könnte man viel erreichen, ist Burth überzeugt:
«Wenn man es hinbekäme, dass die Kinder schweizweit von morgens um 8 Uhr bis 14 Uhr in der Schule wären, würde man das Leben vieler Eltern schon ungemein erleichtern.»