
Noch ist die Schulpflege nicht verloren
Zwar brachte die zweite Lesung der Vorlage über die neuen Führungsstrukturen keine inhaltlichen Überraschungen: Eine deutliche Mehrheit des Grossen Rates möchte die Schulpflegen abschaffen und dadurch die Führungsstrukturen an der Volksschule verschlanken.
Die Diskussion im Rat machte aber klar, dass es nicht einfach werden wird, auch die Aargauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Sinn und Notwendigkeit der Abschaffung zu überzeugen.
Bereits am 18. Juni hatte der Grosse Rat in der ersten Lesung die Neuorganisation der Führungsstrukturen mit 99 gegen 16 Stimmen gutgeheissen. Doch wurden verschiedene Änderungen und Anpassungen verlangt, über die gestern anlässlich der zweiten Lesung diskutiert wurde.
Die wichtigste Änderung betrifft die Delegation von Personalentscheiden. Da lautet der neue Vorschlag des Regierungsrates, dass der Gemeinderat gewisse arbeitsrechtliche Massnahmen wie ordentliche Kündigung, die fristlose Aufhebung des Arbeitsvertrags oder die Freistellung einer Lehrperson nicht an eines seiner Mitglieder oder an die Schulleitung delegieren kann. Diese Aufgaben muss der Gemeinderat selber wahrnehmen.
«Das ist ein schönes Beispiel für Gemeindeautonomie»
Grossmehrheitlich stimme die SVP der angepassten Vorlage zu, sagte Fraktionssprecherin Kathrin Hasler. Eigentlich werde ja die Schulpflege gar nicht abgeschafft, sondern in eine gemeinderätliche Kommission umgewandelt.
Die Entflechtung von operativen Aspekten und Aufsichtsaufgaben, wie sie die neuen Führungsstrukturen ermöglichen, sei gerade im Hinblick auf die Herausforderungen, die mit dem Lehrplan21 anstehen, zentral.
Sowohl Ruth Müri (Grüne) als auch Dominik Peter (GLP) unterstützten im Namen ihrer Fraktionen die Vorlage. Müri sagte, der Vorschlag des Regierungsrats lasse weitgehend offen, ob und wie eine Gemeinde delegiere. Gemeinderäte könnten so individuell fest legen, welcher Weg für sie der richtige ist.
Das ist ein schönes Beispiel für Gemeindeautonomie». Dominik Peter betonte, die Schulpflegen hätten keineswegs einen schlechten Job gemacht, aber: «Schulische Entscheide gehören an den Gemeinderatstisch.» Die Aufgabe der Politik sei es nun, der Bevölkerung zu erklären, warum das so richtig sei.
Maya Bally als Sprecherin der EVP/BDP-Fraktion hielt dagegen. Die Fraktion sei gespalten und tue sich schwer mit der Vorlage, sagte Bally. Sie kritisierte den Demokratieabbau, der durch das Wegfallen der Schulpflegen stattfinde. Und sie kündigte einen heissen Abstimmungskampf an.
Thomas Leitch (SP) erklärte, für die Befürworter sei die Änderung keine emotionale oder ideologische Frage. Man dürfe Organisation und Struktur der Schule auch nicht vom persönlichen Engagement Einzelner abhängig machen. Die SP sei für die Vorlage.
«Der Mist ist noch lange nicht geführt»
Sowohl Jürg Baur für die CVP als auch Sabina Freiermuth für die FDP signalisierten Zustimmung für die angepasste Vorlage. Jürg Baur äusserte allerdings Zweifel, ob die angestrebte effizientere Führung der Schule vor Ort ohne zusätzliche Mittel machbar sei.
Colette Basler (SP) arbeitet im Komitee mit, das die Vorlage bekämpft. Die Abschaffung der Schulpflege bringe keinen Mehrwert, aber Mehrkosten, sowie Demokratieabbau und benachteilige die kleinen Gemeinden. «Der Mist ist noch lange nicht geführt», sagte Basler.
Harry Lütolf (CVP), ebenfalls Mitglied des Nein-Komitees, stellte einen Antrag auf ein Behördenreferendum. Damit würde das Volk auch über die notwendige Änderung des Schulgesetzes bestimmen und nicht nur über die Verfassungsänderung.
Mit 105 gegen 25 Stimmen genehmigte der Grosse Rat die neuen Führungsstrukturen; er hiess darüber hinaus aber auch mit 38 Ja-Stimmen das von Lütolf geforderte Behördenreferendum gut. Abgestimmt wird am 17. Mai 2020.
Schulleiter-Verband begrüsst Entscheid des Grossen Rates
Der Vorstand des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Aargau hat die Vorlage der Regierung zur Verschlankung und Optimierung der Führungsstrukturen der Volksschule unterstützt. Entsprechend sei man auch sehr zufrieden über den deutlichen Entscheid des Grossen Rates in der zweiten Lesung, erklärte Philipp Grolimund, Co-Präsident des Verbands.
Man sei überzeugt, dass die Abschaffung der Schulpflege zu keinem Abbau der Demokratie führe, sagte Grolimund. Der Gemeinderat sei eine demokratisch gewählte Behörde, die dem Wohl aller verpflichtet sei.
Der Gemeinderat habe die Möglichkeit, Fachkommissionen einzusetzen mit Mitgliedern, die über ein besonderes Fachwissen verfügen. Und Gemeinderäte, die sich nicht bewähren, könnten ja vom Volk auch abgewählt werden.
Grolimund verwies auch auf die Möglichkeit zur Mitwirkung für Eltern: Im Gegensatz zu früher können und sollen heute Eltern aktiv in Schulfragen mitwirken. So gebe es wohl keine Schule mehr im Aargau, die ohne Elternrat auskomme. Die direkte Demokratie an der Volksschule funktioniere also auch ohne Schulpflege durchaus und erst noch besser als früher. (jm)