
Dieter Widmer erklärt, warum seine Bank dem Kanton deutlich weniger Gewinn ausschütten will
Letztes Jahr stellte noch ein anderer Chef das Jahresergebnis der Aargauischen Kantonalbank vor (AKB). Doch Pascal Koradi wurde im Zuge des Postauto-Skandals von seinem früheren Job als Post-Finanzchef eingeholt. Im Sommer trat er zurück. Dieter Widmer, 51, musste über Nacht einspringen.
Herr Widmer, fiel Ihnen der Wechsel leicht dank ihrer 20 Jahre bei der AKB? Oder ist der Posten als Chef doch etwas ganz Anderes?
Dieter Widmer: Es war schon eine grosse Umstellung. Viele Routinen fielen weg, neue Aufgaben kamen dazu. Aber ich wurde sehr gut unterstützt von allen Mitarbeitern.
Beibehalten haben Sie von Pascal Koradi offensichtlich das Auftreten ohne Krawatte.
Krawatten sind bei uns freiwillig. Wenn wir Kontakt haben mit Kunden, tragen wir sie meistens. Aber auch da sind sie immer weniger gefragt. Wir machen daraus aber keine grosse Sache. Und natürlich wissen wir, welche Kunden nach wie vor Wert darauf legen.
Sie mussten dem Kanton die unerfreuliche Botschaft überbringen: Es wird weniger Geld ausgeschüttet. Nicht mehr rund 100 Millionen Franken, sondern in den nächsten vier Jahren um die 60 Millionen. Wie waren die Reaktionen?
Natürlich jubelt da niemand, unser Vorschlag wurde jedoch gut aufgenommen. Das Parlament wird schlussendlich aber darüber entscheiden. Wir sind beim Regierungsrat auf grosses Verständnis gestossen. Langfristig haben alle etwas davon, wenn die AKB vorausschauend mehr Eigenkapital bildet und somit eine regelmässige Ausschüttung bietet. Dies erfolgt transparent als freiwillige Gewinnreserve.Wir haben das Thema in einem ersten Kontakt frühzeitig aufgebracht und im Dezember wurden dann die Ergebnisse der Arbeitsgruppe diskutiert. Es ist nun einmal so: Im Rahmen von Basel III final steigen die Kapitalanforderungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für alle Banken an. Sollte die Verschärfung nicht kommen, würden wir diese freiwilligen Gewinnreserven nachträglich an den Kanton ausschütten.
Anders als die meisten Banken verzichten Sie auf den Abbau Ihres Netzes an 31 Filialen. Warum?
Wir glauben, dass es nach wie vor Filialen mit Personal braucht. Viele Kunden wollen sich nicht alleine zu Hause mit online Banking beschäftigen. Sie wollen unsere Apps und Kundenportale von einer Fachperson erklärt haben. Natürlich nutzen immer mehr Kunden die neuen digitalen Hilfsmittel. Es wird zukünftig möglich sein, Fachspezialisten online zuzuschalten.
Rechnet sich das?
Davon gehen wir aus. Wir sehen, dass wir Kunden gewinnen. Unser Geschäftsertrag ist 2018 auf Rekordhöhe gestiegen. Unsere Beziehungen zu den Kunden werden umfassender: Wir werden immer mehr zu ihrer Hauptbank.
Sonst wird abgebaut, Sie tun das Gegenteil. Ist Ihnen da nicht unwohl?
Nein. Wir stellen zum Beispiel oft fest, dass nach einem Filialabbau von Konkurrenten mehr Kunden in unsere Filialen kommen. Auch das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
2018 sah es lang nach einer Zinswende aus. Aktien und Obligationen verloren stark. Nun ist die Wende abgesagt, die Aktienmärkte legen wieder zu. Wie hat die AKB dies zu spüren bekommen?
Die Zurückhaltung der amerikanischen Zentralbank bezüglich Zinserhöhungen sowie das sich abschwächende Wirtschaftswachstum haben die Zinsen im laufenden Jahr zurückgleiten lassen. Dies hat bei den meisten Anlageklassen zu Gewinnen geführt. Die negative Entwicklung an den Finanzmärkten im 2018 konnten wir für unsere Kunden in der Vermögensverwaltung bis Mitte Februar bereits zu 90 Prozent aufholen. Es ist gut möglich, dass die Zinsen aufgrund verschiedener Faktoren noch auf Jahre hinaus tief bleiben werden.
Dennoch mögen Banken tiefe Zinsen nicht. Es wird schwieriger, mit dem Leihen und Verleihen von Geld eine Zinsdifferenz zu erwirtschaften.
Wir konnten den Gewinn stabil halten und den Geschäftsertrag steigern. Unsere Zahlen zeigen aber schon auch, dass die Margen im Zinsgeschäft unter Druck sind.
Dazu kommen die negativen Zinsen. Wie belasten diese die AKB?
Die negativen Zinsen kosten uns jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag. Das ist eine Belastung.
Fordern Sie von der Nationalbank ein Ende der negativen Zinsen?
Mir wäre natürlich lieber, wenn es damit vorbei wäre. Zinsen von null Prozent wären besser. Aber ich sehe auch, in welchem Dilemma die Nationalbank steckt. Würde sie die negativen Zinsen aufheben, würde sich der Franken sofort wieder aufwerten. Ein Euro würde nur noch einen Franken kosten, oder noch weniger. Das wäre für unsere Exportwirtschaft oder auch den Tourismus schwer zu verkraften.
Die tiefen Zinsen befeuern den Immobilienmarkt. Im Aargau ist der Anteil leerstehender Wohnungen hoch. Wie beurteilen Sie das?
Wir gehen davon aus, dass die Leerstandquote im Aargau noch einmal steigt. Wohnungen, die von den Käufern selber genutzt werden, bereiten uns weniger Sorgen. Mehrfamilienhäuser, die zur Renditezwecken gekauft werden, hingegen schon eher. Wir schauen genau hin. Wenn in einer Gemeinde schon 5 Prozent aller Wohnungen leer stehen und kein Bevölkerungswachstum feststellbar ist, halten wir es für wenig sinnvoll, nochmals fünf Wohnblöcke hinzustellen.
Was wird mit leeren Wohnungen in Neubauten passieren?
Früher oder später werden sie Mieter finden. Es ist alles eine Frage des Preises. Teilweise werden die Vermieter älterer Liegenschaften mehr leerstehende Wohnungen haben oder in Renovationen investieren müssen.
Könnte das auch für Banken zum Problem werden?
Nicht unbedingt. Solche Kunden haben in der Regel noch zu tieferen Preisen gekauft und ihre Hypotheken schon teilweise abbezahlt.
Wer werden die Gewinner und Verlierer des Immobilien-Booms sein?
Wir gehen im Aargau nicht davon aus, dass es sich um eine Blase handelt. Die Nachfrage ist weiterhin vorhanden, denn es wollen mehr Menschen hier leben. Allerdings übersteigt die Bautätigkeit aktuell die Nachfrage. Bei einigen Pensionskassen muss man somit hoffen, dass sie nicht allzu ehrgeizig in Mehrfamilienhäuser an schlechten Lagen investiert haben. Aber der Anlagenotstand ist natürlich hoch, da auf den Obligationen fast keine Zinsen mehr anfallen und andererseits Rentenverpflichtungen bestehen.
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