
147 Firmen im Aargau angesiedelt: Darum soll Standortförderung weitergehen – doch es gibt auch Skeptiker
Darum geht es beim Standortförderungs-gesetz
Der Kanton Aargau verfügt seit 2010 über ein Standortförderungsgesetz. Es gilt allerdings nur befristet. Der Grosse Rat hat 2014 dessen Gültigkeit schon einmal verlängert – und zwar bis Ende 2020. Die Regierung will allerdings nicht auf dieses Standortförderungsinstrument verzichten. Sie gab deshalb eine Vorlage in die Vernehmlassung. Ihr Ziel ist, die zeitliche Befristung des Gesetzes aufzuheben. Die Befristung sei nämlich schweizweit eine Ausnahme, schreibt sie. Die regierungsrätliche Botschaft zu deren Aufhebung bzw. der unbefristeten Weiterführung ist auf Juni geplant, die Behandlung im Grossen Rat dürfte im Herbst 2019 erfolgen.
Die Regierung will den Aargau auch künftig als attraktiven Wirtschafts- und Wohnstandort positionieren und stärken, schreibt sie in der Vernehmlassungsvorlage, zu der interessierte Parteien und Organisationen bis vergangenen Freitag Stellung nehmen konnten (vgl. Hauptartikel). Der Aargau verfüge über attraktive Standortfaktoren wie die zentrale Lage, die Nähe zu renommierten Forschungs- und Bildungsinstituten, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Landreserven, eine moderate Steuerbelastung und die Nähe zu Naherholungsgebieten, schreibt sie. Um dessen Potenzial auszuschöpfen, brauche es gezielte und dauerhafte Aktivitäten. Umgesetzt wird dies von der von Annelise Alig-Anderhalden geleiteten «Aargau Services Standortförderung».
Gestützt auf das Gesetz stellt der Kanton damit Dienstleistungen für die Aargauer Wirtschaft sicher, unterstützt die Regionen bei der Umsetzung von Standortförderungsprojekten und verbessert mit gezielten Projekten wie Hightech Aargau die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort.
Das Gesetz verlangt alle vier Jahre eine Berichterstattung an den Grossen Rat. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) von Landammann Urs Hofmann hat dazu eine externe Evaluation in Auftrag gegeben.
Ziele des Gesetzes sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, Erhaltung eines hohen Pro-Kopf-Volkseinkommens, Erhöhung der Standortzufriedenheit von ansässigen Unternehmen und Schaffung neuer Arbeitsplätze. (MKU)
Seit 2010 konnten im Kanton Aargau mit Unterstützung der Abteilung Standortförderung 147 Firmen angesiedelt werden.Diese brachten für Steuererträge von insgesamt 3,8 Millionen Franken im Jahr 2016. Von den Mitarbeitenden dieser Firmen stammten wiederum Steuererträge von rund 22 bis 30 Millionen Franken. Die rechtliche Basis für die Standortförderung läuft nun aber 2020 aus.
Der Regierungsrat will die Standortförderung als kantonale Aufgabe nun unbefristet fortführen und hat dazu eine Vorlage ausgearbeitet.In der Vernehmlassung, die am Freitag zu Ende ging, kommt das Vorhaben von den Grünen über SP, Arbeit Aargau, EVP, GLP, CVP, BDP bis Gemeindeammännervereinigung gut an.
Es handle sich um ein schlankes Gesetz. Zudem kümmere sich die Standortförderung, die sich bewährt habe, auch um schon bestehende Firmen im Aargau. Nötig sei es zudem wegen des grossen Standortwettbewerbs zwischen den Kantonen. Und da habe der Aargau noch Potenzial. Eine aktive Standortförderung sei «sinnvoller als unkontrollierte Steuerentlastungen von Unternehmen».
Ähnlich argumentieren die Grünen. Sie fügen explizit an, dass sie einzelbetriebliche Förderungen in Form von Steuerreduktionen ablehnen. Für die EVP schreibt Grossrat Urs Plüss, die positiven Wirkungen der Standortförderung seien in ihrem achtjährigen Bestehen bewiesen worden. Die unbefristete Weiterführung diene zudem der Planungssicherheit. Die Pflege und Entwicklung des Wirtschaftsstandortes sei eine Daueraufgabe, pflichtet Grossrätin Ruth Jo. Scheier namens der GLP bei. Ein gutes Standortmarketing brauche anhaltende Anstrengungen, stimmt auch Grossrätin Maya Bally für die BDP zu. Punkto Arealentwicklung müssten in erster Linie Industriebrachen und schlecht genutzte Gewerbeflächen vermittelt werden, betont sie. Der Aargau müsse als Standort auf sich aufmerksam machen, findet auch die CVP. Nur so könne er im kantonalen und interkantonalen Standortwettbewerb seine Chancen so gut als möglich wahren, schreibt Grossrat und Fraktionschef Alfons Paul Kaufmann. Dafür sei dieses Gesetz zwingend notwendig.
Arbeit Aargau fordert mehr
Arbeit Aargau, der Dachverband der Arbeitnehmendenorganisationen, geht noch weiter. Er fordert eine Industriepolitik vom Bund, die den Namen verdiene. Auch im Bereich der Arealentwicklung oder bei der Bereitstellung von Risikokapital von Jungunternehmern müssten die Anstrengungen des Kantons intensiviert werden. Das wäre «weitaus wirkungsvoller als Steuersenkungen, wie sie aktuell im Rahmen der Steuergesetzrevision vorgeschlagen werden».
FDP: Ja, aber
Nur «ja, aber» sagt hingegen die FDP. Die Standortförderung habe viel getan. Wie weit ihr Tun bei Ansiedlungen und der Jungunternehmerförderung ausschlaggebend gewesen sei, könne aber nicht abschliessend beurteilen. Auch die FDP ist für Fortführung, verlangt aber eine Befristung bis 2024. Für die FDP und ihren Ressortvorsteher Volkswirtschaft und Inneres, Grossrat Herbert H. Scholl, geht es hier um eine wünschbare, aber nicht zwingende Staatsaufgabe.
SVP und EDU sagen Nein
Gegen die Weiterführung der staatlichen Standortförderung sind SVP und EDU. So bestätige der Bericht von Hanser Consulting (vgl. Artikel rechts) «das Bild, das sich die SVP Aargau in den letzten Jahren von der Standortförderung machen konnte. Eine Wirkung ist praktisch unmöglich zu messen». Dies schreiben Präsident Thomas Burgherr und Fraktionschef Jean-Pierre Gallati. Der angegebene Steuerertrag der mit Unterstützung der Standortförderung angesiedelten Firmen scheine die einzige aussagekräftige Zahl zu sein. Doch schon das sei schwierig messbar, denn es sei unklar, «ob sich die eine oder andere Firma nicht auch ohne Standortförderung im Aargau niedergelassen hätte (nur 7 Prozent dieser Steuererträge stammen von Firmen, die aus dem Ausland zugezogen sind)».
Kurz: Die SVP findet, viele der Aufgaben der Standortförderung könnten auch von Privaten (Industrie- und Handelskammer AIHK, Gewerbeverband, Treuhändern und anderen) übernommen werden. Das Gesetz sei deshalb unnötig und könne per Ende 2020, so wie es die Sunset-Legislation (Gesetz mit Ablaufdatum) vorsieht, untergehen. Weil ein sicht- und messbarer Nutzen nicht erwiesen sei, sieht dies die EDU genauso. Sie würde das so gesparte Geld den Regionalplanungsverbänden geben.
Gewerbeverband: Outsourcen
Der Aargauische Gewerbeverband (AGV) nimmt den Ball auf, den die SVP ins Spiel bringt. Ein Gesetz könne alleine keine Grundlage für attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen sein. Das erfolge vorab über die Standortbedingungen. Es stehe aber «ausser Frage, dass der Aargau als Standort auf sich aufmerksam machen muss». Es gebe sehr erfolgreiche ausserkantonale Beispiele von Wirtschaftsförderungsstellen, die durch Private mit Leistungsauftrag des Staates betrieben werden. So beantragt der AGV «wieder einmal eine Prüfung für ein Outsourcing der Wirtschaftsförderung».