Franziska Roth auf Konfrontationskurs mit Verwaltung und Parlament

Als vor zwei Wochen die Affäre um einen Psychiater publik wurde, der über Jahre seine Patientin sexuell ausnutzte, packte Roth die Gelegenheit, um endlich einmal für positive Schlagzeilen in eigener Sache zu sorgen und gleichzeitig ihre Angestellten an die kurze Leine zu nehmen. Medienwirksam traf die Regierungsrätin das Opfer persönlich, das sich von Roths Angestelltem – dem Kantonsarzt – im Stich gelassen fühlte. Die Vorsteherin des Departements Gesundheit und Soziales (DGS) sparte darauf nicht mit Kritik an ihrer eigenen Verwaltung.

Letzten Dienstag setzte die Departementschefin noch einen drauf. In der TV-Sendung «Talk Täglich», die ich moderierte, kündigte Roth eine Opfer-Mailbox für Bürger an, welche sich von DGS-Mitarbeitern nicht ernst genommen fühlten. Roths Erklärung für den Kummerkasten liest sich wie ein Misstrauensvotum gegen die eigenen Leute: Das Ziel sei, Personen, die negative Erfahrungen mit ihrem Amt gemacht hätten, eine Chance zu bieten, sich beim DGS zu melden, sodass das Departement die Anliegen nochmals beurteilen könne.

Misstrauisch gegenüber Angestellten

Roths Offensive gegen innen kommt nicht von ungefähr. Der Quereinsteigerin war der Staatsapparat stets etwas suspekt, obwohl sie als Richterin eigentlich auch Teil davon war. Den Angestellten in ihrem Departement wehte von Anfang ein rauer Wind entgegen. Unzufrieden mit der Führungscrew, welche ihre Vorgängerin Susanne Hochuli hinterliess, besetzte Roth praktisch alle Schlüsselstellen neu.

Doch Roth ist eine Einzelkämpferin geblieben, die nicht warm wird mit der Verwaltung. Dem aus dem DGS kolportierten Vorwurf, sie sei chronisch misstrausch und führe zuweilen herrisch, entgegnet Roth nüchtern: Ihre Mitarbeiter seien für die Bürger da und würden für ihre Arbeit bezahlt; da könne man auch eine entsprechende Leistung erwarten. Man darf gespannt sein auf die nächste Mitarbeiterbefragung. Schon die letzte vor Jahresfrist zeigte ein Bild von grosser Unzufriedenheit im DGS.

Die Fronten verhärten sich

Die zweite Attacke ritt Franziska Roth letzte Woche gegen die Parlamentarier. Ebenfalls im «Talk Täglich» ärgerte sich die SVP-Regierungsrätin über die Aargauer Politkultur. Roth sprach von verdeckten Agenden der Politiker, die ihre eigenen Interessen verfolgten. Viel passiere hintenrum. Sie dagegen sei ein offener und transparenter Mensch.

Zur eigenen Profilierung würden Politiker unsinnige Vorstösse einreichen, die den Bürgern nichts nützten, sondern nur die Verwaltung beschäftigten. Es seien die gleichen Grossräte, die dann wieder Stellen kürzen wollten in ihrem Departement. Auch ihre eigene Partei war angesprochen. Die SVP fordert permanent Stellenabbau beim Kanton und lag deshalb in der letzten Budgetdebatte im Clinch mit ihrer Regierungsrätin.

Roth feuert ihre Salven gegen die Parlamentarier ausgerechnet in einer Phase ab, in welcher das Verhältnis eh schon angespannt ist. Auch hier ein kurzer Blick zurück. Die neue Regierungsrätin und die Parteien standen sich vom ersten Tag an skeptisch gegenüber.

Roth machte nie einen Hehl daraus, dass sie Mühe mit den Mechanismen der Politik bekundet. Kritik an ihren mangelnden Dossierkenntnissen steckte sie vorerst aber sportlich weg. Rom sei auch nicht an einem Tag erbaut worden, meine Roth noch vor einem Jahr und gab sich auf die Frage nach Selbsteinschätzung auf einer Skala von 1 bis 10 demütig eine 6. Heute benotet sich Roth selbstbewusst mit einer 8 bis 9.

Eigen- und Fremdbild klaffen nun noch weiter auseinander. Vor einem Jahr beurteilten selbst politische Gegner Roth zwar kritisch, aber noch mit einer Portion Zurückhaltung. Man wisse noch nicht so recht, woran man bei ihr sei, hiess es von links. Sie sei noch nicht ganz im Amt angekommen, fand die FDP.

Streit mit der Gesundheitskommission

Inzwischen hat sich der Ton verschärft. Roths Verhalten zeuge von «Respektlosigkeit und Geringschätzung» gegenüber den Milizparlamentariern, findet die sonst sachbezogene FDP-Gesundheitspolitikerin Martina Sigg. Roth hatte bei den Parteien schon länger den Ruf, sie nehme die Arbeit in den Kommissionssitzungen und im Grossen Rat zu wenig ernst.

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat nun, dass Roth zu ihrem wichtigsten Dossier, der Spitalpolitik, die Gesundheitskommission mitten in der Sitzung stehen liess, um eine Medienkonferenz zu einem Spitalbericht abzuhalten. «Kein anderes Regierungsmitglied würde so etwas auch nur in Erwägung ziehen», empörte sich Sigg. Auch andere Parteien zeigten sich «befremdet» (Grünliberale) und verlangten eine Erklärung zu dieser «fragwürdigen Vorgehensweise» (CVP).

Roth bedauert im Nachhinein die «verunglückte Zeitplanung», schiebt gleichzeitig aber die Verantwortung auf die Gesamtregierung ab. Diese verfolgt die verhärteten Fronten zwischen Roth und dem Parlament mit Besorgnis; jüngst wurde das Problem auch an der gemeinsamen Wochensitzung angesprochen.

Die Tabufrage in der SVP

Auf Kriegsfuss mit Parlament und Verwaltung isoliert sich Roth zusehends. Nicht einmal von der SVP kommt noch substanzielle Schützenhilfe. Der wählerstärksten Partei fällt der Umgang mit der eigenen Regierungsrätin schwer. Noch ist die Frage tabu, aber spätestens nach den Nationalratswahlen im Herbst wird sich die Parteileitung damit beschäftigen müssen, ob sie Franziska Roth bei den Regierungsratswahlen 2020 nochmals nominieren will.

Roth selber würde Stand heute gerne weitermachen. Doch vorher ist die Gesundheitsdirektorin in der aktuellen Legislatur gefordert: Spitalplanung, Prämienverbilligung, ambulante statt stationäre Behandlung – das sind für die Bevölkerung enorm wichtige Dossiers. Das vergiftete Klima rund um die zuständige Regierungsrätin macht die Suche nach tragfähigen Lösungen nicht einfacher.