«Mangelnde Wertschätzung»: Schneller Abgang von Franziska Roth sorgt für Missmut

Einen ganzen Tag widmete das Gemeindeseminar letzte Woche der Gesundheitspolitik in Kanton und Region. Gegen 100 Grossräte, Gemeindeammänner und Gemeinderäte hörten Hausärzten und der Leitung des Gesundheitszentrums Fricktal (GZF) aufmerksam zu, wie sie in Referaten aufzeigten, wo sie der Schuh in der Gesundheitspolitik drückt.

Andreas Helg, Hausarzt in Frick, erzählte mit aufwühlenden Worten, wie hart es derzeit an der Hausarztfront ist – gerade in einer ländlichen Region wie dem Fricktal. Anneliese Seiler, CEO des GZF, mahnte, dass der Regierungsrat zwar keine Spitäler aktiv schliessen werde, man aber irgendwann nicht mehr bestehen könne, wenn die Politik das neue Spitalgesetz so umsetzt, wie es der Regierungsrat in die Vernehmlassung geschickt hat. Danach sollen die Regionalspitäler mittelfristig in Gesundheitszentren umgewandelt werden. Sorgen bereitet gleichzeitig die neue Spitalliste, die im Juni publiziert wird und für die Regionalspitäler wie das GZF zum Problem werden könnte.

Es sei ein «düsteres Bild», das er da zu hören bekommen habe, konstatierte der Laufenburger Vizeammann Meinrad Schraner.

Auch SVP-Regierunsrätin Franziska Roth, zuständig für das Gesundheitswesen im Kanton, und Barbara Hürlimann, Leiterin der Abteilung Gesundheit, nahmen am Seminar in Frick teil. Die bewegenden Worte von Helg, Seiler und Katharina Hirt, Präsidentin des GZF-Verwaltungsrates, hörten sie allerdings nicht. Denn sie waren unmittelbar nach ihren eigenen Referaten, die den Einstieg ins Seminar bildeten, wieder abgereist.

Verpasste Chance

Der schnelle Abgang sorgte schon am Seminar für Unmut. «Es meldeten sich viele Personen, am Anlass selber und danach», sagt Christian Fricker, Vizeammann von Frick und Präsident des Planungsverbandes Fricktal Regio. Der Planungsverband organisiert die jährlich stattfindenden Seminare. «Es wäre wirklich eine wertvolle Gelegenheit gewesen, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Sicht der Dinge auf konstruktiver Basis auszutauschen», findet er. Fricker spricht von einer verpassten Gelegenheit, «was ich sehr schade finde».

Noch deutlicher formuliert es SP-Grossrätin Colette Basler in einem offenen Brief an Roth und Hürlimann. Die Teilnehmer seien gekommen, um Fragen zu stellen, Ängste zu deponieren, ins Gespräch mit der Politik, der Regierung, den Ärzten und dem GZF zu treten. Die beiden GZF-Exponenten «hatten zwei exzellente Referate vorbereitet, welche sie unter anderem Ihnen präsentieren wollten», schreibt Basler.

Leider hätten beide, Roth wie Hürlimann, keine Zeit gehabt und seien nach den Referaten wieder gegangen – ohne die Ideen und Ängste der Fricktaler anzuhören und mitzunehmen. Der Auftritt habe einen fahlen Beigeschmack hinterlassen, schreibt Basler. «Schade! Das Fricktal und die Menschen hier hätten es verdient, mindestens angehört zu werden.» Für Basler ist es auch eine Stilfrage, wie man mit den Bürgern umgeht.

Die SP-Grossrätin aus Zeihen ist mit ihrer Enttäuschung nicht alleine. «Ich hätte schon erwartet, dass sich Franziska Roth die Zeit nimmt und sich die Sorgen der Region anhört», sagt Herbert Weiss, Stadtammann von Laufenburg. Für ihn wäre es «ein Akt der Wertschätzung» gewesen, wenn zumindest eine der beiden Damen, also Roth oder Hürlimann, bis am Schluss geblieben wäre. «Dass beide nach den Referaten gingen, hat mich geärgert.»

«Mangelnde Wertschätzung»

Auch Kathrin Hasler, Gemeindeammann von Hellikon und SVP-Grossrätin, bringt wenig Verständnis für den schnellen Abgang ihrer Parteikollegin auf. «In Aarau weiss man, dass die Stimmung im Fricktal wegen der Zukunft des GZF angespannt ist. Es wäre deshalb, schon aus psychologischen Gründen, richtig gewesen, wenn Franziska Roth geblieben wäre.»

Regine Leutwyler, Gemeindeammann von Gipf-Oberfrick, spricht von «mangelnder Wertschätzung» gegenüber GZF, Referenten und Seminarsteilnehmern. «Auch die Hausärzte, die auftraten, und die GZF-Leitung blieben den ganzen Tag am Seminar. Das hätte ich auch von Franziska Roth oder Barbara Hürlimann erwartet.» Es gehe schliesslich um die Zukunft der Region. «Da muss man sich Zeit nehmen.»

Ins gleiche Horn stösst Roger Fricker, Gemeindeammann von Oberhof und Parteikollege von Roth. Es wäre richtig gewesen, wenn Roth geblieben wäre, sagt er. Zum einen, um zu hören, was aus Sicht der Beteiligten und Betroffenen nicht gut läuft. «Zum anderen ist ja eine solche Veranstaltung nie eindimensional. Franziska Roth hätte auch Inputs nach Aarau mitnehmen können», ist er überzeugt. Sein Vorschlag für ein anderes Mal: «Den Zeitplan so strukturieren, dass die Eingeladenen vom Ablauf her bleiben müssen.»

Gerade Seiler und Hirz seien «stark irritiert» und «ziemlich bestürzt» über den schnellen Abgang von Roth und Hürlimann gewesen, sagen Versammlungsteilnehmer. Das Gemeindeseminar habe «eine sehr gute Plattform» geboten, um «unsere wichtigen Anliegen für eine zukunftsweisende, gute medizinische Versorgung im Fricktal zu deponieren», sagt Hirt. Es sei «in der Tat schade, dass wir diese Botschaften bei der Gelegenheit nicht direkt und persönlich an Franziska Roth und Barbara Hürlimann überbringen konnten». Man habe die beiden insbesondere dazu einladen wollen, «sich einmal vor Ort selbst zu überzeugen von der sehr guten Positionierung des GZF im geforderten Umfeld und der bereits gut umgesetzten integrierten Versorgung in der «Gesundheitsstadt Rheinfelden».

Angebot von Franziska Roth

Dazu kann es durchaus noch kommen. «Ich bedaure sehr, dass mein Besuch durch ein Missverständnis getrübt wurde», sagt Franziska Roth auf Anfrage. Für sie sei von Anfang an klar gewesen, dass sie nach Frick komme, um das Inputreferat zu halten und in der anschliessenden Fragerunde zur Verfügung zu stehen. Entsprechend habe sie die Anschlusstermine für diesen Tag geplant. «Von einem schnellen Abgang kann keine Rede sein», so Roth. Sie hat aber Verständnis für die Teilnehmer, die ihren Zeitplan nicht kannten. Man hätte zu Beginn der Veranstaltung «vielleicht sagen müssen, dass wir um 10.30 Uhr wieder gehen».

Sie habe niemanden vor den Kopf stossen wollen, «zumal ich immer sehr gerne ins Fricktal komme», betont Roth. Sie nehme die Sorgen und Anliegen der Fricktaler ernst. Ihr Angebot: «Ich komme deshalb sehr gerne nochmals in die Region.» Der Zeitrahmen müsse jedoch vorher «klar vereinbart und kommuniziert sein». Sie freue sich jetzt schon auf die Einladung. Fortsetzung folgt also.