
Aargauer Jura-Student soll Waisenrente zurückzahlen – und zieht deswegen vors Bundesgericht
Die Waisenrente
Eine Waisenrente (siehe AHVG Art. 25) erhalten Kinder, die Mutter, Vater oder beide Elternteile verloren haben. Das Anrecht erlischt normalerweise mit der Volljährigkeit, ausser die/der Hinterbliebene ist noch in Ausbildung. Demnach erlischt der Anspruch erst mit dem Ende der Ausbildung, jedoch spätestens am 25. Geburtstag des Hinterbliebenen.
Die Höhe der Rente hängt davon ab, wie viel das verstorbene Elternteil in die entsprechende Ausgleichskasse (AHV) einbezahlt hat. Ohne Beitragslücken liegt der minimal ausbezahlte Rente bei monatlich 474 Franken, die Maximalrente beläuft sich auf 948 Franken (Stand: 2019). (edi)
Gesetzliche Bestimmungen
Nicht als in Ausbildung gilt ein Kind, wenn es ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen erzielt, das höher ist als die maximale volle Altersrente der AHV.
Mit einem Berufs- oder Schulabschluss ist die Ausbildung beendet.
Die Ausbildung gilt auch als beendet, wenn sie abgebrochen oder unterbrochen wird […].
Martin (Name geändert) war gerade erst 24 Jahre alt geworden, als er Ende September 2017 sein Jura-Bachelor-Diplom einer deutschschweizer Universität in die Hand gedrückt bekam. Bereits Anfang Monat hatte er mit einem sechs Monate dauernden Praktikum begonnen.
Zudem begann er ebenfalls im September mit ein Fern-Masterstudium «International Business Law» an einer Uni im Ausland. Soweit eine normale Geschichte eines tüchtigen jungen Studenten – die letztlich doch bis vors Bundesgericht führte.
Denn Martin bezog seit seinem 18. Lebensjahr eine Waisenrente von 940 Franken im Monat, weil er noch in Ausbildung war (siehe Box «Die Waisenrente»). Nun hatte der Aargauer aber sein Studium abgeschlossen und verdiente in seinem Praktikum monatlich stolze 4500 Franken.
Also meldete er dies Ende September seiner Ausgleichskasse und informierte sie auch über sein Teilzeit-Fernstudium.
Die Folge: Aufgrund seines Einkommens im Praktikum stellte die Ausgleichskasse die Waisenrente rückwirkend auf den 31. Juli 2017 ein und verpflichtete den Aargauer, die ausgerichtete Rente für die Monate August und September zu erstatten – insgesamt 1880 Franken. Dagegen reicht Martin im November 2017 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau ein.
Wer verdient, kriegt keine Rente
Ohne Erfolg: Das Gericht wies die Beschwerde im September 2018 ab – die Ausgleichskasse habe richtig gehandelt. Damit gab sich Martin nicht zufrieden. Der mittlerweile 25-Jährige reichte eine Beschwerde beim Bundesgericht ein und beantragte, der Entscheid des Versicherungsgerichts solle aufgehoben und die Waisenrente weiterhin bezahlt werden.
Doch auch das Bundesgericht stellte sich hinter den vorinstanzlichen Entscheid, dass die Waisenrente zu Recht eingestellt wurde und verwies auf die Argumentation der Aargauer Richter: Das Bezugsrecht sei einerseits mit dem Bachelor-Abschluss und andererseits mit dem Praktikumslohn, der die maximale Rente bei weitem überstieg, erloschen (siehe Box «Gesetzliche Bestimmungen»).
Wann ist das Studium fertig?
Blieb noch der Streitpunkt der rückwirkenden Einstellung der Waisenrente per Juli 2017 und der Erstattung der 1880 Franken. Das Aargauer Versicherungsgericht hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Zahlung sei dann einzustellen, wenn der Versicherte keine Ausbildungsleistungen mehr zu erbringen habe.
Auf gut Deutsch: Bei Martin war dies nach seiner letzten Bachelorprüfung Anfang Juli 2017. Und weil er ab September ein Vollzeit-Praktikum zu einem Lohn von 4500 Franken absolvierte, habe auch das Teilzeit-Fernstudium keinen gegensätzlichen Einfluss darauf.
Martin war aber der Ansicht, die Rente müsse bis zur Diplomverleihung Ende September 2017 bezahlt werden – dann sei das Studium fertig.
Das Bundesgericht erachtete diese Argumentation aber als nicht stichhaltig: «Das Ende des Anspruchs wäre so von einem mehr oder weniger zufälligen, vom Zweck der Rente losgelöstem Datum abhängig, was nicht dem Gedanken der Waisenrente entspräche.»
Die Bundesrichter wiesen die Beschwerde komplett ab. Martin hat nun auch die Gerichtskosten von 500 Franken zu tragen.
Trotzdem nochmals eine Waisenrente?
Dennoch könnte der heute 25-Jährige nochmals eine Waisenrente bekommen. Da Martin nach dem Ende seines Praktikums noch für weitere sechs Monate ein Fernstudium zum Master in International Business Law machte, kann er bei der Ausgleichskasse für diese Zeit (bis zu seinem 25. Geburtstag) nochmals ein Gesuch auf ein Wiederaufleben der Waisenrente stellen.
Bundesgerichtsurteil: 9C_733/2018