
Bund bremst Aargauer Bauer, der mehr Sonnenstrom produzieren will
428 Panels
umfasst die Photovoltaik-Anlage von Paul Koller in Niederrohrdorf – sie ist seit Frühling 2016 in Betrieb.
800 Kilowattstunden Strom produziert die Anlage an einem sonnigen Tag – im Jahr sind es 115 000 Kilowattstunden. Damit wird der Bedarf von 23 Haushaltungen gedeckt.
90 Prozent der heutigen Vergütung hätte der Betreiber nach einer Erweiterung noch erhalten – deshalb verzichtete Paul Koller auf den Ausbau.
In den letzten paar Tagen hat die Photovoltaikanlage von Paul Koller kaum Strom produziert – zu selten schien die Sonne in Niederrohrdorf, wo der 70-Jährige auf seinem Hof eine Solaranlage installiert hat. «Ich wollte, als ich noch Lehrer in Mellingen war, auf dem Dach des Schulhauses eine Photovoltaikanlage installieren, um den Schülern das Funktionsprinzip und die Stärken und Schwächen im Physikunterricht direkt zu zeigen», erzählt Paul Koller, als die AZ ihn besucht. Das Projekt verzögerte sich aber immer wieder und schliesslich entschied sich Koller dafür, auf mehreren Dächern des Bauernhofs Solarzellen anzubringen.
Die Anlage umfasst 428 Panels, läuft seit Frühling 2016 und produziert rund 115 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Das reiche, um den Verbrauch von rund 23 Haushaltungen zu decken, rechnet Paul Koller vor. Der gesamte Strom wird in das Netz der AEW Energie AG eingespeist, an Spitzentagen liegt der Ertrag bei über 800 Kilowattstunden.
Mehr Strom, weniger Vergütung?
Für die Photovoltaikanlage beantragte Koller die sogenannte Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Mit diesem Instrument fördert der Bund seit zehn Jahren die Stromproduktion aus erneuerbarer Energie. Gespiesen wird der KEV-Topf aus Abgaben auf dem Strompreis. Wer eine Zusage hat, erhält eine garantierte Vergütung für den ins Netz eingespeisten Strom. Paul Koller erhält diese deutlich höhere Vergütung: «Wir haben eine Zusage für die KEV für die Zeitdauer von 20 Jahren erhalten. Damit sollte die Photovoltaikanlage nach rund zwölf Jahren amortisiert sein», erklärt er.
Auf den Dächern hinter ihm sind Solarzellen zu erkennen – und Koller wollte noch mehr davon installieren. Derzeit wird auf dem Hof der Stall für Mast- und Aufzuchtrinder umgebaut und erweitert. Auf den zwei restlichen, bereits bestehenden und den zwei neuen Dachflächen wollte der pensionierte Lehrer die Photovoltaikanlage erweitern. «Dadurch hätte sich die Stromproduktion um rund 50 Prozent erhöht, doch für die Erweiterung der Anlage hätte es keine KEV mehr gegeben und die Vergütung für die bestehende Anlage wäre sogar noch gesunken», sagt Koller kopfschüttelnd.
Verordnung geändert
Grund ist eine Änderung der Energieförderungsverordnung, nach der neuesten Revision werden Erweiterungen von Solaranlagen auf demselben Grundstück nicht mit zusätzlichen KEV-Geldern gefördert. Die entsprechende Regelung gilt seit Anfang 2018, vorher erhielten die Betreiber bei einer Erweiterung umgehend zusätzliche KEV-Beiträge. «Das ist ein Motivationskiller ersten Ranges», sagt Paul Koller zur Änderung der Verordnung. Für neu etwa 150 Prozent Ertrag hätte er noch etwa 90 Prozent der bisherigen Vergütung erhalten. «Deshalb verzichten wir auf die Erweiterung, obwohl die Dächer geeignet wären», sagt Koller, «aber die Anlage lässt sich so einfach nicht vernünftig finanzieren».
Paul Koller liess den Fall aber nicht auf sich beruhen, sondern wandte sich an BDP-Nationalrat Bernhard Guhl, der selber in Niederrohrdorf wohnt. Guhl wiederum reichte in Bern eine Interpellation ein und wies den Bundesrat auf die Problematik hin. In seinem Vorstoss kritisierte Guhl, die neue Regelung verhindere Investitionen und den Zubau an Photovoltaikanlagen. «Werden mit dieser Bestimmung die Anträge für neue Solarzellen nicht ungleich behandelt?», wollte er wissen. Weiter fragte Guhl den Bundesrat: «Bedeutet die Bestimmung nicht eine Benachteiligung jener Bauherren, welche in Pioniermanier schon früher Photovoltaikanlagen montiert haben?»
Guhl, der selber Elektroingenieur ist und die Energiepolitik als Schwerpunkt bezeichnet, wollte vom Bundesrat weiter wissen, ob er bereit sei, diese Bestimmung zu überarbeiten, «damit alle Photovoltaikanlagen gleiches Anrecht auf Fördermassnahmen haben».
Bundesrat widerspricht Guhl
Inzwischen hat die Landesregierung den Vorstoss beantwortet – aus Sicht von Guhl und Koller negativ. Der Bundesrat widerspricht dem Nationalrat und hält fest, die neue Regelung erlaube eine Gleichbehandlung aller Antragsteller. Früher seien jene Besitzer von Solaranlagen bevorteilt worden, die eine Erweiterung gebaut und «augenblicklich – ohne jahrelange Wartezeit – eine zusätzliche KEV-Förderung» erhalten hätten.
Das Nachsehen hatten laut Bundesrat jene Antragsteller, «die bereits seit Jahren mit neuen Projekten auf der Warteliste ausharren». Grund: Die finanziellen Mittel für KEV sind beschränkt, Gesuche werden nach Einreichungsdatum behandelt. Nach wie vor übersteige die Nachfrage die zur Verfügung stehenden Gelder bei weitem. Demnach warten rund 14 000 Betreiber von bereits realisierten Photovoltaikanlagen auf eine Vergütung. Der Bundesrat will deshalb die Bestimmungen nicht anpassen.
«Das ist enttäuschend, zumal Erweiterungen von Solaranlagen grössere Panelflächen ergeben und so effizienter und sinnvoller sind als neue Projekte», sagt Guhl. Er sehe aber kurzfristig keine Möglichkeit, die aus seiner Sicht unbefriedigende Situation politisch zu ändern.