Plastik wird von Aargauer Kraftwerken zu winzigen Partikeln zerrieben – Axpo verweist auf die Konzession

Mikroplastik auch in der Bünzaue Möriken

Laut einer Studie der Universität Bern ist die Aue entlang der Bünz in Möriken voll mit Mikroplastik. Die winzigen Plastikteile sind von blossem Auge kaum zu erkennen, können aber in die Nahrungskette von Tieren gelangen. Gemäss der Studie gibt es in der Bünzaue in Möriken, die 1999 bei einem Hochwasser natürlich entstand, mehr Mikroplastik als in jedem anderen der 29 untersuchten Naturschutzgebiete.

Die winzigen Plastikteile seien häufig kleiner als ein Millimeter, heisst es in der Studie weiter. Das belastende Material stamme primär aus Abrieb von Autoreifen, allerdings sei auch Littering im betroffenen Gebiet ein grosses Problem, sagte Fischer Roland Herrigel kürzlich gegenüber dem Regionaljournal Aargau-Solothurn von Radio SRF. Besonders in den Sommermonaten werde viel Abfall in den Auen liegen gelassen. Dieser werde schliesslich bei Hochwasser unter die Kieselsteine geschwemmt und dort zu immer kleineren Teilen zermahlen, beschrieb Herrigel die Problematik. (fh/luk) 

Gewässer voller Plastikmüll kennt man vor allem von Fotos aus Entwicklungsländern. Doch auch im Aargau landen PET-Flaschen und andere Plastikabfälle in den Flüssen. «Früher wurde dies als unschön angesehen, heute wissen wir, wie gefährlich Mikroplastik für die Gesundheit sein kann», sagt Johannes Jenny, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau.

Problematisch sei dabei die Rolle der Wasserkraftwerke, hält Jenny fest: «Sie produzieren den Plastik zwar nicht selbst, doch in den Rechen vor den Turbinen der Laufkraftwerke verfangen sich Plastikutensilien der Wegwerfgesellschaft.» Bei vielen Kraftwerken werde der Plastik zusammen mit Schwemmholz und Laub herausgefischt, dann aber «unbesehen im Unterwasser entsorgt», heisst es in einer Pro-Natura-Mitteilung.

Plastikabfall wird zerrieben
Dies sei problematisch, weil der Plastik «in den Wirbeln im Unterwasser der Kraftwerke zu winzigen Partikeln zerrieben» werde. Dabei gelte eigentlich der Grundsatz: Wer Abfall aus dem Fluss fischt, muss ihn entsorgen, hält Jenny weiter fest. Unter den Kraftwerken gebe es aber «fast legale Abmachungen», die vom Staat geduldet würden und den Betreibern erlaubten, den herausgefischten Plastik unterhalb des Stauwehrs wieder in den Fluss zu kippen. Wenn dieser dann zu Mikroplastik zermahlen wird, «kann er auch im besser ausgerüsteten Kraftwerk unterhalb nicht mehr herausgefischt werden», gibt Pro Natura zu bedenken.

Im Aargau passiere genau dies beim Kraftwerk Brugg-Wildegg der Axpo. Dort sei kürzlich eine neue Reinigungsanlage beim Rechen der Turbine installiert worden, der herausgefischte Plastik werde aber nicht vom Schwemmholz getrennt und nicht separat entsorgt. Deshalb fordert Pro Natura in einer Mitteilung, «dass die Kantone als Eigentümer der Axpo die Einhaltung der Regeln, die für alle gelten, auch bei sich selbst umsetzen». Auf Nachfrage sagt Johannes Jenny, er könnte sich vorstellen, dass Arbeitslose oder Flüchtlinge beim Aussortieren des Plastikabfalls helfen könnten. «Es wäre wünschenswert, den Plastik möglichst weit oben aus den Flüssen zu holen, Holz und Blätter aber wieder beizugeben», sagt er.

Axpo fischt weiter unten heraus
Mit der Kritik von Pro Natura konfrontiert, sagt Axpo-Mediensprecherin Monika Müller, man halte sich «beim Umgang mit Schwemmgut inklusive Plastikabfälle an die in der Konzession definierten Auflagen des Kantons». Die entsprechenden Bestimmungen würden bei den einzelnen Kraftwerken variieren, ergänzt Müller. Im Aargau werde bei den Axpo-Wasserkraftwerken Beznau und Klingnau das gesammelte Schwemmgut inklusive Plastik herausgenommen und später getrennt entsorgt. «Beim Kraftwerk Wildegg-Brugg wird das Geschwemmsel nicht herausgenommen, da es nach kurzer Fliesszeit im Wasserkraftwerk Beznau angeschwemmt, dort herausgenommen und auch entsorgt wird», sagt die Sprecherin. Grundsätzlich sei zu beachten, dass aus ökologischen Gründen gewünscht werde, «dass ein Teil des organischen Schwemmguts, wie Holz oder Laub, im Wasser verbleibt».

Littering sei ein gesellschaftliches Phänomen, Axpo sei sich des Problems aber bewusst, hält Müller fest. Mit diversen Kommunikationsmassnahmen, wie zum Beispiel einem Axpo-Film zum Thema Littering oder der Beteiligung an freiwilligen Massnahmen wie der jährlichen «Aare-Putzete» versuche man aktiv mitzuhelfen, «für das Thema generell zu sensibilisieren und die Problematik zu bekämpfen».

Kanton will Lösungen suchen
Simon Werne, Fachspezialist Wasserkraft beim Kanton, hält auf Anfrage fest: «Im Gewässerschutzgesetz ist grundsätzlich geregelt, dass Betreiber von Kraftwerken das Treibgut, das sie aus dem Fluss holen, nicht ins Wasser zurückgeben dürfen, sondern entsorgen müssen.» Allerdings könnten die Behörden Ausnahmen bewilligen, dies sei in den Konzessionen geregelt. Werne erklärt, seit 1973 existiert der «Etappenplan für Anlagen zur Rechengutbeseitigung», der unter Federführung des Verbands Aare-Rheinwerke (VAR) erarbeitet wurde. «Darin ist geregelt, dass einzelne Werke das Geschwemmsel aus dem Fluss entnehmen, während die weiteren von der Beseitigung befreit sind, sich aber an den Kosten beteiligen müssen.»

Dies ermögliche den Betreibern ein effizienteres Geschwemmsel-Management und verhindere Transporte ab jedem Werk, den Bau von Entnahmebauwerken und damit Landverbrauch. «Es ermöglicht gleichzeitig die Weitergabe von ökologisch wertvollem Geschwemmsel zur Strukturierung der Gewässer», sagt Werne. Im Sinne einer Gesamtinteressenabwägung sehe man beim Kanton die langjährige Umsetzung des Etappenplans als durchaus positiv, hält der Wasserkraft-Spezialist fest. Den Verantwortlichen sei aber bewusst, dass sich im Geschwemmsel auch Zivilisationsmüll befinden könne. Die Situation habe sich seit 1973 insbesondere in Bezug auf Plastikmüll und PET-Flaschen negativ entwickelt. «Dies wird auch an einigen Gewässerabschnitten und an Kraftwerken sichtbar», räumt Werne ein. Der Kanton habe vorgesehen, mit dem Kraftwerke-Verband in Kontakt zu treten, um gemeinsam Lösungen zu suchen.