Bahnverkehr: Viertelstundentakt für Teile des Aargaus

«Unsere Petition ist jetzt erst recht nötig», sagen nationale Verkehrspolitiker

Die Nationalräte Thierry Burkart (FDP) und Cédric Wermuth (SP) setzen sich in einem überparteilichen Komitee für eine Verbesserung des Bahnausbauschrittes 2035 ein. Burkart nimmt die jetzt erreichten Verbesserungen wie Viertelstundentakte zur Kenntnis, ist insgesamt aber enttäuscht: «Die Botschaft des Bundesrates zeigt, dass ich auch in der Verkehrskommission weiterkämpfen muss. Dabei wird uns helfen, wenn möglichst viele unsere Petition Bahnanschluss Mittelland unterschreiben. Die ist jetzt erst recht nötig.» Das unterstreicht auch Cédric Wermuth in einer ersten Einschätzung. Immerhin hätten die Proteste gegen die Pläne des Bundesrates schon etwas genützt. Am Ruf nach der Neubaustrecke hält er fest: «Es gilt zu verhindern, dass der Aargau abgehängt wird. Jetzt beginnt der Kampf im Parlament.» (MKU)

Verkehrsministerin Doris Leuthard hat in Bern die bundesrätliche Botschaft für den nächsten grossen Bahnausbauschritt 2035 vorgestellt, um das weiter steigende Passagieraufkommen aufzufangen. Dafür will der Bundesrat 11,9 Milliarden Franken einsetzen (400 Millionen mehr als in der Vernehmlassungsvorlage). Gesamtschweizerisch sind zahlreiche Projekte geplant. Es gehe nicht um punktuelle regionale Anliegen, sondern um den besten Nutzen für das gesamte Netz, sagte Leuthard in Bern vor Medienvertretern.

Für den Aargau sind ab 2035 diverse Änderungen geplant. Um die Kapazitäten im Mittelland, insbesondere im Engpass Heitersbergtunnel, optimal zu nutzen, will der Bundesrat das Angebot hier systematisieren. Das soll Viertelstundentakte durch zwei überlagerte Regioexpress-Halbstundentakte ermöglichen – dies konkret auf den Abschnitten Brugg–Baden–Zürich, Aarau–Lenzburg–Zürich und Aarau–Brugg.

Der Interregio Basel–Sissach–Aarau– Zürich soll dannzumal neu im Halbstundentakt verkehren, und die halbstündlich verkehrende S-Bahn Basel–Olten–Zofingen wird neu in den Knoten Olten eingebunden.

Halbstündlicher Halt in Aarau

Die S-Bahn zwischen Lenzburg und Wohlen soll künftig viertelstündlich verkehren. Auf der stark belasteten Strecke zwischen Bern und Zürich wird ganztägig der Viertelstundentakt eingeführt, mit halbstündlichem Halt in Aarau. Die Erhöhung der Zugzahlen durch die Systematisierung auf einzelnen Strecken bedingt Infrastrukturmassnahmen in diversen Knoten, einen Ausbau der Strecke Zofingen–Lenzburg, inklusive einer niveaufreien Kreuzung mit der WSB in Oberentfelden.

Neben diesen Verbesserungen kann eine zusätzliche Trasse für den Güterverkehr von Basel nach Bern angeboten werden. Die Einschränkungen des Güterverkehrs während der Hauptverkehrszeiten des Personenverkehrs können laut bundesrätlicher Einschätzung im gesamten Mittelland beseitigt werden. Zwischen Lenzburg und Zofingen sollen zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr geschaffen werden, um eine gute Anbindung der wichtigen Logistikstandorte in diesem Raum an den Schienenverkehr sicherzustellen.

Aarau–Zürich wird projektiert

Im Mittelland drängt der Aargau auf eine Neubaustrecke Aarau–Zürich, die in diesem Ausbauschritt allerdings nicht vorgesehen ist. Die Kantonsregierung und ein Parlamentarierkomitee forderten deshalb dringend, dass minimal bereits die Mittel für die Projektierung dieser auf sieben Milliarden Franken geschätzten Neubaustrecke bereitgestellt werden.

Die Direktverbindung Aarau–Zürich übersteige mit einer Investitionssumme von rund sieben Milliarden Franken und einer Realisierungszeit nach 2035 deutlich den Finanzrahmen und Zeithorizont des Ausbauschrittes 2035, schreibt der Bundesrat dazu. Da eine neue Direktverbindung aber volkswirtschaftlich sehr positiv bewertet werde, sei «bei der Planung des nächsten Ausbauschritts zu prüfen, ob die Massnahme über mehrere Ausbauschritte finanziert werden kann». Die finanziellen Mittel für die Projektierung sind im Ausbauschritt 2025 bereits enthalten. Erste Studien liegen laut Bundesrat vor.

192 Millionen für Lenzburg

Der Ausbauschritt 2035 soll bei den Publikumsanlagen den barrierefreien und sicheren Bahnzugang ermöglichen und die dringendsten Kapazitätsengpässe lösen, schreibt der Bundesrat weiter. Dafür stellt er gesamtschweizerisch 948 Millionen Franken ein. Profitieren soll auch der Bahnhof Lenzburg. Hier will der Bundesrat 192 Millionen Franken für die Erhöhung und Verbreiterung von Perrons einsetzen, ebenso für die Verbreiterung der Personenunterführung und Perronzugänge.

Der Bundesrat will 192 Millionen Franken in den Bahnhof Lenzburg investieren. (Bild: Chris Iseli)
Der Bundesrat will 192 Millionen Franken in den Bahnhof Lenzburg investieren. (Bild: Chris Iseli)

Das sagt der Kanton: Freude und Enttäuschung

Gegenüber der Vernehmlassung sei die Bahnvorlage stark verbessert, schreibt das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) von Verkehrsdirektor Stephan Attiger zu den Beschlüssen des Bundesrates (siehe Hauptartikel). Insbesondere habe dieser auf der West-Ost-Achse wichtige Angebotsverbesserungen im Fernverkehr aufgenommen. Dennoch nimmt man «enttäuscht zur Kenntnis, dass wichtige Taktverdichtungen und neue Haltestellen der S-Bahn nicht berücksichtigt wurden». Bei den Direktverbindungen soll noch nach Optimierungen gesucht werden.

Der Regierungsrat hatte in der Vernehmlassung stark kritisiert, dass im Ausbauschritt 2035 auf eine Neubaustrecke zwischen Aarau und Zürich verzichtet wird, obwohl der Bund das Projekt gesamtschweizerisch als eines der besten bewertet hat. Die Kapazität des Bahnnetzes im Mittelland lediglich mit Fahrplananpassungen zu steigern, könne man nur als Übergangslösung akzeptieren, hiess es damals. Zudem könne die sogenannte Systematisierung nur mit weiteren Angebotsausbauten umgesetzt werden.

Im Departement Attiger ist man sehr erfreut, «dass der Bund diese Forderungen nun mehrheitlich erfüllt». Noch unklar sei, wie die Direktverbindung von Aarau in die Westschweiz künftig sichergestellt wird. Das BVU kritisiert, ohne Neubaustrecke Aarau– Zürich werde das Netz bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Ausserdem mache der Bund zu wenig verbindliche Aussagen, wie die Neubaustrecke finanziert und realisiert werden könnte. Nur mit diesem Ausbau könne langfristig ein zuverlässiges, pünktliches Bahnangebot im Mittelland garantiert und alle gewünschten, umsteigefreien Verbindungen angeboten werden, so das Bau- und Verkehrsdepartement. Ob die weitere Forderung nach Aufrechterhaltung von Direktverbindungen erfüllt wird, lasse sich aufgrund der vorliegenden Botschaft noch nicht beantworten, sagt Hans Ruedi Rihs, Leiter Sektion öffentlicher Verkehr im BVU. (MKU)