
Volksinitiative: Darum geht es bei der Millionärssteuer
1. Worüber wird am 23. September auf Kantonsebene entschieden?
An diesem Sonntag geht es auf nationaler Ebene um zwei Ernährungs-Initiativen und eine Fuss- und Wanderwegvorlage. Auf kantonaler Ebene steht eine Volksinitiative zum Entscheid an, welche die Jungsozialisten am 24. Juni 2014 mit 3061 gültigen Unterschriften bei der Staatskanzlei eingereicht haben. Ihr Titel lautet «Millionärssteuer – Für eine faire Vermögenssteuer im Aargau».
2. Was verlangt diese Volksinitiative?
Die Millionärssteuer-Initiative verlangt, dass hohe Vermögen bis zu 114 Prozent stärker steuerlich belastet werden als heute. Die Besteuerung von kleineren Vermögen würde dagegen um bis zu 15 Prozent sinken. Rund zwei Drittel der Steuerpflichtigen haben kein steuerbares Vermögen, müssen somit heute schon keine Vermögenssteuer bezahlen. Das würde sich mit der Initiative nicht ändern.
3. Warum kommt die Initiative zur Abstimmung?
Manchmal gehen Regierung und Parlament im politischen Prozess mit einem Gegenvorschlag auf Initianten zu, aufgrund dessen die Initianten dann oft ihr Begehren zurückziehen. Das ist hier nicht der Fall. Weder die Regierung noch die Mehrheit des Grossen Rates boten dazu Hand. Dies aus Furcht, der Aargau könnte steuerlich stark an Attraktivität verlieren. Der Grosse Rat empfiehlt die Initiative mit 92:37 Stimmen zur Ablehnung. Volle Unterstützung für diese gab es nur von den geschlossenen Fraktionen von SP und Grünen. Dazu kam eine einzige Stimme von der GLP. Alle anderen, also die geschlossenen SVP, FDP, CVP, BDP, EVP, EDU sowie vier von fünf anwesenden GLP-Grossräten lehnten ab.
4. Was sind die Hauptargumente der Initianten?
Die Initianten haben ihr Begehren als Folge mehrerer kantonaler Sparpakete lanciert. Sie argumentieren, der Aargau habe während der letzten Jahre in praktisch allen Aufgabengebieten reduziert und Leistungen gekürzt. So sei zum Beispiel das Freifachangebot für die Schülerinnen und Schüler kleiner geworden, andererseits sei die Mindestklassengrösse erhöht worden. Rund 8000 Personen demonstrierten am 8. November 2016 gegen die Kürzungen in der Bildung und beim Staatspersonal. Der Grund für den Leistungsabbau sei ein Ungleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben. Der Kanton nehme unterdurchschnittlich viele Steuern ein. Die Initiative solle das vorhandene Finanzpotenzial besser ausnutzen und helfen, dass Abbaumassnahmen in Zukunft nicht mehr nötig sind, argumentieren die Initianten.
5. Was sind die Hauptargumente der Gegner?
Die Mehrheit im Grossen Rat und die Regierung machen geltend, mit der Initiative würde der Aargau hohe Vermögen im Vergleich zu den Nachbarkantonen mit Abstand am stärksten besteuern. Im Vergleich zu Luzern, Solothurn und Zug wäre die Belastung gar drei bis vier Mal höher. Die 11,4 Prozent der Steuerpflichtigen mit einem steuerbaren Vermögen von über 475’000 Franken zahlten bereits rund 87 Prozent der Vermögenssteuern. Zudem besteuere der Aargau kleine Vermögen ohnehin tiefer als Nachbarkantone. Bei grösseren Vermögen sei die Steuerbelastung etwa im Durchschnitt der Nachbarkantone. Die Gegner warnen, die Initiative würde der Attraktivität des Aargaus schaden, vermögende Personen und damit auch Steuersubstrat würden aus dem Aargau weg- bzw. nicht zuziehen.
6. Wie viele Reiche hat der Aargau überhaupt?
Gemäss Angaben der Regierung weisen 88,6 Prozent der Bevölkerung weniger als 475’000 Franken steuerbares Vermögen aus. Sie würden mit der Initia- tive weiterhin keine oder sogar weniger Vermögenssteuern zahlen. Nur 6 Prozent der Bevölkerung haben ein steuerbares Vermögen zwischen 475’000 und 1 Million Franken. Diese wären davon nur schwach betroffen. 5 Prozent haben ein steuerbares Vermögen von über 1 Million Franken. Diese müssten markant mehr zahlen. Derzeit bringen allein sie 82,5 Millionen Franken kantonale Vermögenssteuern auf (Steuerstatistik 2013), mit Initiative wären es 146,2 Millionen. 2013 wiesen 17’201 Steuerpflichtige ein Vermögen zwischen 1 und 10 Millionen Franken aus, 476 eins über 10 Millionen Franken.
7. Was wären die finanziellen Folgen für Kanton und Gemeinden, wenn die Initiative angenommen wird?
Im Rechnungsjahr 2016 nahm der Kanton Aargau 152 Millionen Franken und die Gemeinden 146 Millionen Franken an Vermögenssteuern ein. Bezogen auf das Rechnungsjahr 2016 brächte die Initiative dem Kanton laut regierungsrätlicher Botschaft Mehreinnahmen von 82 Millionen, den Gemeinden solche von 79 Millionen Franken ein.
8. Welche Sanierungskonzepte stehen sich gegenüber?
Nebst der Millionärsinitiative sammelt die SP für ihre «Gegensteuer»-Initiative, um frühere Steuerreformen des Kantons teilweise rückgängig zu machen. Sie will Firmen und Gutverdienende stärker belasten. Regierung und Grosser Rat hingegen setzen derzeit auf eine Haushaltssanierung ohne Mehreinnahmen. Aktuell beträgt die Finanzierungslücke im Kantonshaushalt in den nächsten Jahren zwischen 35 und 141 Millionen Franken. Die Regierung arbeitet an Reformvorlagen, mit denen sie den Haushalt um 80 bis 120 Millionen Franken entlasten und damit wieder ins Gleichgewicht bringen will.