
Anzahl Velodiebstähle sinkt stetig – Schadenssumme hingegen steigt
Eine Velo-Mafia ist am Werk. Das fürchtet jedenfalls ein Leser dieser Zeitung. In einem Leserbrief schreibt er, dass seinem Enkel am Bahnhof Wohlen das Sportvelo gestohlen worden sei. Ein Kleinlaster habe Ende Juni mehrere Fahrräder aufgeladen und sei weggefahren.
Die Kantonspolizei weiss auf Anfrage dieser Zeitung nichts von dem Fall, auch der Regionalpolizei Wohlen wurde der Diebstahl von mehreren Fahrrädern in Wohlen nicht gemeldet. «Vielleicht waren das auch SBB-Mitarbeiter. Wenn Velos zu lange abgestellt bleiben, dann werden sie vom Personal entfernt. Wir sind schon mehrmals wegen eines angeblichen Diebstahls ausgerückt und haben dann bloss SBB-Mitarbeiter angetroffen», so eine mögliche Erklärung der Regionalpolizei. Auf Anfrage betont SBB-Sprecher Oli Dischoe: Es würden nur Velos entfernt, die offensichtlich fahruntüchtig seien oder ausserhalb der Veloständer abgestellt würden. In beiden Fällen würden die Räder für mindestens drei Wochen mit einem Hinweisflyer versehen. Ob es in Wohlen also zum Diebstahl von mehreren Velos gleichzeitig kam, ist von offizieller Seite nicht bestätigt. Klar ist aber: Einzelne Velos werden am Bahnhof Wohlen immer wieder gestohlen. «Meistens werden sie dann wieder irgendwo abgestellt», heisst es bei der Regionalpolizei.
Profis am Werk
Ganz anders sieht es bei Einbrüchen in Fahrradgeschäfte aus. Gleich drei Fälle davon gab es im Aargau in diesem Sommer, nachdem die Velohändler im Kanton mehrere Jahre Ruhe hatten. Am 22. Mai brachen Diebe in ein Fahrradgeschäft in Kleindöttingen ein und klauten 40 Velos. Insgesamt hatten sie einen Wert von rund 200000 Franken. Wenige Tage später traf es ein Geschäft in Rheinfelden. Dort kamen Velos im Wert von 100000 Franken weg. In der vergangenen Woche schlugen Diebe in Gansingen zu: Velos im Wert von 75000 Franken verschwanden. «Diese Fälle dürfen nicht in die gleiche Kategorie eingeordnet werden wie die Velodiebstähle am Bahnhof. Hier handelt es sich um Profis, die eingespielte Absatzkanäle für die gestohlene Ware haben», sagt Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei Aargau. Diese Banden seien gut organisiert. «Oft erkunden sie die Geschäfte im Voraus, um sich ein Bild über das Angebot und den Stand von Sicherheitsmassnahmen zu machen.»
Mittlerweile wisse die Polizei, dass in Kleindöttingen, Rheinfelden und Gansingen nicht die gleiche Täter am Werk waren. Ein Teil der Beute aus Kleindöttingen sei in Deutschland gefunden worden, die anderen Fahrräder blieben aber verschwunden. Graser: «Die Spuren führen mehrheitlich ins Ausland, zum Beispiel in die baltischen Staaten oder auf den Balkan. Wie genau die Räder dort verkauft werden, ist unklar.» Wieso die Diebe gerade diesen Sommer mehrmals zugeschlagen haben, sei der Kapo nicht bekannt. «Eine Rolle spielt zweifellos der boomende Markt für Elektrovelos in der Schweiz», so Graser. Ausserdem seien bei den Einbrüchen teure Mountainbikes gestohlen worden.
Weniger Diebstähle, teurere Beute
Ein Blick in die Statistik zeigt: Schweizweit gehen die Fahrraddiebstähle zurück, auch im Aargau. Hier wurden vor fünf Jahren pro 1000 Einwohner im Schnitt 6,4 Fahrraddiebstähle gemeldet, im letzten Jahr waren es noch 4,7 Diebstähle. Gestiegen ist dagegen die Schadenssumme, wie die Versicherungen AXA und Mobiliar bestätigen. Laut der AXA beträgt die durchschnittliche Schadenssumme pro Velodiebstahl rund 1300 Franken, die Gesamtschadenssumme aus gestohlenen Fahrrädern ist in den letzten fünf Jahren um sieben Prozent gestiegen.
Ob vor allem Elektro-Fahrräder gestohlen werden kann die AXA aber nicht sagen. «Wir können aufgrund unserer Zahlen keine genauere Aufschlüsselung nach Fahrrad-Modell machen. Tatsache ist aber, dass in den letzten Jahren vermehrt teurere Fahrräder gestohlen worden sind», so AXA-Sprecherin Mirjam Eberhard. Die Mobiliar verzeichnet einen ähnlichen Trend, eine genaue Prozentzahl nennt die Medienstelle zwar keine, hält aber fest: «Die Schadenssumme für gestohlene Fahrräder im Aargau ist in den letzten Jahren gestiegen, momentan liegt sie bei etwas mehr als 1000 Franken.»