
Weil der gelbe AAA-Heli kam: Eltern eines toten Aargauers bleiben auf den Kosten sitzen
Krankenkasse zahlt nur die Hälfte
Wer bezahlt den Heli?
Bei einem Unfall übernimmt die Berufsunfallversicherung in der Regel die ganzen Kosten. Wer über keine Berufsunfallversicherung verfügt (Kinder, Rentner usw.), ist über die obligatorische Krankenversicherung gegen Unfälle versichert und erhält höchstens 5000 Franken. Bei Rettungseinsätzen wegen Krankheit bezahlt die Krankenkasse die Hälfte der Kosten. Der jährliche Maximalbeitrag beträgt 5000 Franken. Die andere Hälfte muss der Patient selber bezahlen. Damit auch bei Krankheit sämtliche Kosten gedeckt sind, braucht es eine Zusatzversicherung.
Im Januar 2018 erleidet Stefan Stettlers (Name geändert) 27-jähriger Sohn zu Hause einen Zusammenbruch. Obwohl die Mutter sofort die Ambulanz alarmiert und die Rettungskräfte vor Ort auch noch einen Heli aufbieten, kommt für den jungen Aargauer jede Hilfe zu spät. Als der Heli landet, ist der Sohn bereits tot. Die Todesursache war ein bisher unbemerkter Herzfehler, erzählt Stefan Stettler. Der Heli fliegt leer zur Basis zurück.
Die Rechnung für die Heli-Rettung flatterte einige Wochen nach dem Tod des Sohnes ins Haus. Von den insgesamt rund 3000 Franken bezahlte die obligatorische Krankenkasse die Hälfte. Die restlichen 1500 Franken sollten die Eltern selbst bezahlen. Stefan Stettler wandte sich an die Rega. Sein Sohn war seit Jahren Gönner. Doch die Rega lehnte es ab, die Kosten zu übernehmen, wie das Konsumentenmagazin «K-Tipp» berichtete.
Aufgeboten wird der nächste Heli
Der Grund: Die Rega hatte mit dem Rettungseinsatz nichts zu tun. Der aufgebotene Heli war einer der Alpine Air Ambulance (AAA), die ihre Basis auf dem Flugplatz Birrfeld hat. «Die Kosten solcher Rettungstransporte können nicht durch eine Rega-Gönnerschaft gedeckt werden und müssen deshalb vom Patienten respektive von seiner Versicherung getragen werden», schreibt die Rega in einer E-Mail an Stefan Stettler. Die AAA handle unabhängig von der Rega. Die Rega könne nur die von ihr selbst erbrachten oder von ihr organisierten Leistungen aufkommen. «Wäre die Rega alarmiert worden, so hätten wir allfällig vorhandene nicht gedeckte Kosten übernommen», heisst es in der E-Mail weiter.
Stefan Stettler fühlt sich von der Rega im Stich gelassen. Es gehe ihm nicht ums Geld, sagt er. «Wir waren aber fest davon überzeugt, dass die Rega bei Gönnern die von den Versicherungen ungedeckten Rettungseinsatzkosten übernimmt.» Eine Rega-Gönnerschaft erachtet Stettler im Aargau als sinnlos, weil Polizei und Notrufzentralen verpflichtet seien, zuerst die AAA und nicht die Rega aufzubieten. Die Rega erwähnte in ihrer E-Mail an Stettler eine entsprechende Weisung der Aargauer Gesundheitsdirektion.
Doch die Weisung gibt es nicht in dieser Form. «Die seit dem Jahr 2013 geltende Weisung besagt, dass die Sanitätsnotrufzentrale 144 bei dessen Verfügbarkeit primär den AAA-Heli aufbieten soll, bei Vorkommnissen im unteren Fricktal jedoch die Rega», sagt Kantonsarzt Martin Roth. Es gehe «um die optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten», sagt Roth. «Aufgeboten wird der am Einsatzort am schnellsten verfügbare Heli.» Im unteren Fricktal sei das die Rega, im übrigen Kantonsgebiet die AAA.
Die Rega ist keine Versicherung
Von den insgesamt 222 Helikopter-Rettungen letztes Jahr flog der gelbe AAA-Heli 181 Einsätze, die Rega 41. Vielen Rega-Gönnern im Aargau könnte es also ähnlich wie den Stettlers ergehen, weil die Rega keine Versicherung, sondern eine Stiftung ist. «Rechtlich gesehen ist der Gönnerbeitrag eine Spende, die es uns ermöglicht, die medizinische Grundversorgung aus der Luft sicherzustellen», sagte Rega-Sprecher Adrian Schindler vor kurzem gegenüber «Espresso», dem Konsumenten-Magazin von Radio SRF 1. Als Dank für die Spende erlasse die Rega ihren Gönnern die Kosten für Hilfeleistungen der Rega. Aber eben nur für diese. An ihrem Gönnersystem will die Rega festhalten. «Das funktioniert nun schon seit über 60 Jahren gut. Deshalb sehen wir keinen Handlungsbedarf», sagte der Rega-Sprecher zu «Espresso».
Die Alpine Air Ambulance setzt auf ein anderes Modell. Die AAA144-Rettungskarte ist eine Versicherung und keine Gönnerschaft. Wer für 60 Franken pro Jahr (Einzelperson) oder 90 Franken (Familie) eine Versicherung abschliesst, dessen Rettungskosten sind gedeckt – unabhängig von der Organisation. Das Versicherungsmodell kostet für eine Einzelperson doppelt so viel wie die Rega-Gönnerschaft (30 Franken pro Jahr).