
Corinna Eichenberger freut sich auf die Zeit nach Bern: «Endlich lesen, was ich will!»
Frau Eichenberger, Ihr Rücktritt als Nationalrätin kam für viele überraschend. Wann fiel der Entscheid, nicht mehr anzutreten?
Corina Eichenberger: Diesen Entscheid habe ich schon von längerer Zeit gefällt; er hat sich im letzten halben Jahr verfestigt.
Was sind die Gründe?
Es ist wichtig, dann zu gehen, wenn es noch interessant und gut ist. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Jetzt können jüngere Kräfte nachfolgen. Ich bin seit 25 Jahren aktiv in der Politik; es ist an der Zeit, langsam kürzerzutreten.
Sie wären ein wichtiges Zugpferd für die FDP Aargau im Wahljahr 2019 gewesen.
Die FDP ist im Aargau gut aufgestellt. Mein Rücktritt ist auch ein guter Impuls für die Liste, das gibt gesunde Konkurrenz. Wir haben fähige Anwärter und vor allem auch fähige Anwärterinnen, die gute Chancen haben.
Wie hat die Partei auf Ihren Rücktritt reagiert?
Mit sehr grosser Wertschätzung, was mich natürlich sehr gefreut hat.
Ist ein vorzeitiger Rücktritt ein Thema, damit vor den Wahlen nächstes Jahr jemand nachrutschen kann?
Mit der Partei ist abgesprochen, dass ich auf Ende Legislatur zurücktrete. Im Raum steht das Projekt Luftverteidigung mit der Beschaffung neuer Kampfjets; da will ich mich gerne noch weiter einbringen.
Sind Sie zuversichtlich, dass Bundesrat und Parlament die Beschaffung neuer Jets durchbringen?
Ja, ich bin zuversichtlich. Es muss gut und geschickt aufgegleist sein. Wenn wir klar definieren, wie wir vorgehen wollen, sollte es klappen. Zudem ist die Lage, wie sich die Machtballungen weltweit verändern, sehr volatil.
Was waren die wichtigsten politischen Projekte Ihrer Amtszeit?
Beeindruckend waren in der Geschäftsprüfungskommission zwei Untersuchungen: einerseits jene, die sich mit den Umständen der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee befasste, zum anderen die UBS-Untersuchung, bei der es um die Finanzkrise und Herausgabe von Kundendaten an die USA ging. Das waren zwei Meilensteine. In der Sicherheitspolitik beschäftigten uns diverse grosse Projekte, etwa die Weiterentwicklung der Armee und die Fragen rund um die Cyber-Sicherheit. Die Sicherheitspolitik macht mir nach wie vor grosse Freude; sie ist hochinteressant und faszinierend. Ich werde mich sicher auch nach meinem Rücktritt dafür interessieren.
Wie hat sich die politische Arbeit in den letzten zwölf Jahren verändert?
Der Ton und das Klima sind härter geworden. Die politischen Fronten stehen sich für Schweizer Verhältnisse unversöhnlicher gegenüber, für europäische Verhältnisse aber immer noch mit einer grossen Portion Kompromissbereitschaft. Ich hoffe, dass das so bleibt.
Hat das mit dem Aufstieg der SVP zu tun?
Es hat sicher mit dem Aufstieg der SVP zu tun, ja, aber mit dem Aufstieg der digitalen Medien, der zu einer verschärften Konkurrenz unter den Medien führte, die um Aufmerksamkeit buhlen.
Sie haben Mandate, die stark mit dem Nationalratsmandat verbunden sind: Präsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel und Präsidentin Nagra. Wie geht es da weiter?
Das werde ich in nächster Zeit klären, aber vorerst werde ich diese Mandate sicher weiterführen.
Was sind Ihre Pläne nach der Zeit in Bern?
Meine beruflichen Mandate führe ich sicher weiter. Ich freue mich aber auch auf eine lockerere Agenda. Das Zeit-Management war etwas vom Schwierigsten in den letzten Jahren; ebenso die sehr eng geführte Agenda. Ich freue mich, mehr Sport zu treiben – der kommt jetzt zu kurz. Ausserdem bin ich seit kurzem Grossmutter, da eröffnen sich ebenfalls neue Möglichkeiten. Und ich kann endlich das lesen, was ich will, und nicht unbedingt das, was sich muss. Und ich freue mich, mit meinem Partner mehr gemeinsame Zeit für uns und unsere Pläne zu haben.