
Alpine Air Ambulance: Wer zahlt einen Rettungseinsatz?
222 Mal
kam letztes Jahr im Kanton Aargau ein Rettungshelikopter zum Einsatz. 181 Mal hob der AAA-Heli vom Birrfeld für Notfalleinsätze ab, 41 Mal war es ein Rega-Heli.
Laut Rega-Sprecher Adrian Schindler stellt man grundsätzlich einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Alarmierung der Rega fest – sowohl von Sanitätsnotrufzentralen als auch von Privatpersonen.
Genauso beurteilt es Reto Stocker. Der Hirslanden-Facharzt ist gleichzeitig Chefarzt der Alpine Air Ambulance (AAA). Zur Vermutung für auch unnötige Heliaufgebote spricht er Klartext: «Das entbehrt jeder Grundlage. Wir haben zusammen mit dem Kantonsarzt eine Indikationsliste erstellt.» Aufgeboten wird der Heli demnach beispielsweise bei Bewusstlosigkeit eines unter fünfjährigen Kindes oder bei einem Verkehrsunfall mit Schwerverletzten.»
Zudem wird der Schweregrad der Fälle mit einer Notfallbewertung beurteilt, die eine siebenstufige Einschätzung umfasst von eins (geringfügige Störung, keine ärztliche Intervention erforderlich) über vier (schwere Störung, bei der die kurzfristige Entwicklung einer Lebensbedrohung nicht ausgeschlossen werden kann) bis sieben (Tod).
Laut Stocker sind 80 Prozent der Heliaufgebote Fälle der Kategorie vier bis sieben. Nur bei jeder fünften Helianforderung geht es um weniger schwere Fälle, bei denen dann aber Kinder betroffen waren oder jemand aus grosser Höhe stürzte. Stocker: «Nach unserer Beurteilung wird der Heli im Aargau auch heute noch sehr zurückhaltend aufgeboten. Dass es in den letzten Jahren eine Zunahme gab, entspricht eher einer Angleichung an Helieinsätze in anderen Kantonen und heutige Rahmenbedingungen wie Demografie und Möglichkeiten der modernen Notfallmedizin.»
Stocker gibt zu bedenken: «Wenn im Zweifelsfall der Heli nicht aufgeboten wird und sich zeigt, dass es nötig gewesen wäre, ginge dies zum Nachteil des Patienten. Das ist zu vermeiden. Zudem entscheiden nicht wir über den Einsatz. Wir werden von den jeweiligen Einsatzleitstellen aufgeboten.»
Sind 222 Helirettungen im Aargau im Jahr zu viel? Vergleichszahlen sind schwierig zu finden. Reto Trottmann, Leiter Einsatzleitzentrale von Schutz & Rettung Stadt Zürich, findet die 222 Helirettungen nachvollziehbar. Dies unter anderem aufgrund der topografischen Situation des Kantons Aargau.
Wer zahlt den Heli?
Doch wer zahlt, wenn der Heli abhebt? Laut Santésuisse-Sprecher Christophe Kaempf übernimmt die Versicherung 50 Prozent der Rettungskosten in der Schweiz. Maximal werden pro Jahr 5000 Franken vergütet. Den Rest der Rettungskosten muss der Versicherte selbst oder seine Zusatzversicherung bezahlen. Diese Regel gilt indes nur im Krankheitsfall oder für diejenigen Personen, die bei ihrer Krankenversicherung gegen Unfälle versichert sind.
Rega-Gönner gehen davon aus, dass sie für eine Rega-Rettung im Aargau nicht für die Einsatzkosten aufkommen müssen. Zu Recht? Sprecher Adrian Schindler: «Ja, davon kann man ausgehen. Die Rega ist aber keine Versicherung, und ein möglicher Kostenerlass gemäss den Gönnerbestimmungen gewährt die Rega ihren Gönnerinnen und Gönnern ohne Rechtspflicht.» Falls keine Versicherung des Patienten für die Rega-Einsatzkosten aufkommen muss, müssen die Einsatzkosten von den Patienten, die nicht Rega-Gönner sind, selber bezahlt werden? Das bejaht Schindler. Dies gelte aber für die ganze Schweiz. Eine Ausnahme bestehe bei Rettungen durch die Rega von Gönnern der Air Zermatt oder der Air Glaciers, die über ähnliche Gönnersysteme wie die Rega verfügen, so Schindler: «Dies funktioniert in Bezug auf den Kostenerlass in beide Richtungen.»
Diese Faktoren bestimmen den Preis
Die Kosten selbst hängen von sehr unterschiedlichen und fallspezifischen Faktoren ab. Die Einsatzkosten berechnen sich aus der Anzahl Flugminuten. Schindler: «Pro Flugminute verrechnet die Rega durchschnittlich 87 Franken, je nach Tages- respektive Nachtzeit. Diese Tarife sind nicht kostendeckend, mehr als 60 Prozent des Gesamtbudgets der Rega übernehmen die Gönnerinnen und Gönner mit ihren Gönnerbeiträgen.»
Zum Aargau, wo der AAA-Heli vom Birrfeld aufgeboten wird, wenn er verfügbar ist, sagt Schindler: «Die Rega steht der Aargauer Bevölkerung nach wie vor rund um die Uhr mit ihrem gesamten Einsatzspektrum zur Verfügung und nimmt ihre Verantwortung in der medizinischen Grundversorgung wie gewohnt wahr. Darauf, welchen Rettungshelikopter die Sanitätsnotrufzentrale aufbietet, hat die Rega aber keinen Einfluss.»
Wie sieht es mit den Kosten bei einer AAA-Helirettung aus? Mit dem Kanton hat AAA seinerzeit einen Fixpreis pro Einsatz von 2930 Franken ausgehandelt. Zum Vergleich: Eine Bodenambulanz kostet je nach Kanton 800 bis 1800 Franken. Ob ein Patient den nicht von einer Versicherung gedeckten Teil der Einsatzkosten selbst zahlen muss, sei jeweils ein Entscheid im Einzelfall, sagt Sprecherin Petra Seeburger zur AZ.
Wobei die AAA in der Regel versuche, mit dem Patienten eine Lösung zu finden. Gesamthaft gesehen sei es so, «dass ein Teil der Kosten der von uns geleisteten Einsätze unbezahlt bleibt. Dieser wird abgeschrieben und von uns übernommen. Dies umfasst fünf bis zehn Prozent der Gesamtkosten». Die Kostenübernahme könne für einzelne Betroffene schwierig sein, weiss Seeburger. Dazu komme, «dass Rettungen mehrheitlich von Bodenambulanzen oder kombiniert mit Rettungshelikopter durchgeführt werden».
Deshalb habe AAA eine Rettungskarte (AAA 144) als Versicherungsmodell mit einem umfassenden Leistungsanspruch eingeführt, die für alle Rettungsorganisationen und alle Rettungsmittel gilt. Diese Versicherung mit der AAA 144-Rettungskarte à 60 Franken für eine Einzelperson bzw. 90 Franken für eine Familie decke die Rettungskosten für den nicht durch die Sozialversicherungen getragenen Anteil im In- und Ausland – unabhängig von der Organisation (also auch für die Rega) und unabhängig davon, ob eine Ambulanz oder ein Rettungshelikopter oder beides eingesetzt wurde.